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Stipendien für Abbrecher

Die private Zeppelin-Universität in Friedrichshafen fördert nun Studienanfänger, die schon mal gescheitert sind. Sie müssen für zwei Semester keine Gebühr bezahlen. Kritiker sehen die Aktion als Werbemaßnahme.

Von Thomas Wagner |
    Robert Bauer hat hingeschmissen.

    "Also, ich habe an der Uni Wien studiert mit 32.000 Erstsemestern im wirtschaftswissenschaftlichen Studiengang und habe meine Vorlesung im Austria–Center gemacht mit 5000 Studenten. Und habe dort festgestellt, dass ich einer von vielen bin und musste abbrechen."

    Das fiel dem jungen Mann auch leicht: Ein spannender Job lockte seinerzeit bei der Uefa; Robert Bauer durfte die Fußball-Europameisterschaft 2008 in Österreich mit organisieren – angekommen in der Berufspraxis, so ganz ohne Uniabschluss.

    "Es ist halt das Größte, für einen, der sich für Fußball interessiert, einmal im Finale auf dem Platz zu stehen. Ich glaube grundsätzlich, dass es gut ist, mal eine praktische Erfahrung zu machen."

    Jahre später: Robert Bauer studiert im zweiten Anlauf Kultur- und Kommunikationswissenschaften an der privaten Zeppelin-Universität Friedrichshafen. Eigentlich hat er sich dort zu früh eingeschrieben. Ab dem kommenden Sommersemester vergibt die private Hochschule nämlich Stipendien speziell für Bewerber, die irgendwann einmal ihr Studium abgebrochen haben. Denn:

    "Die stehen dem Studium gegenüber oft deutlich entschiedener als diejenigen, die direkt von der Schule quasi in den Seminarraum überwechseln bei uns. Weil die eben eine erste Reflektion durchgemacht haben und erkannt haben, dass das Fach vielleicht nicht das richtige war, dass vielleicht die große Universität nicht das richtige wahr. Und aus diesen Gründen zu uns kommen."

    Dafür aber, so Tim Göbel, Vizepräsident der Zeppelin-Universität, müssten Studienabbrecher gehörig tief in die Tasche greifen: 3.700 Euro pro Semester sind an Studiengebühren fällig – ein Betrag, den Interessenten zwar über ein zinsloses Sparkassen-Darlehen zwischenfinanzieren können, aber nach dem Abschluss zurückzahlen müssen. Wenn eine hochschulinterne Kommission grünes Licht gibt, bekommen Studienabbrecher die Gebühren für die ersten beiden Semester erlassen.

    "Das bringt knapp 8.000 Euro."

    Stipendien für Studienabbrecher – das klingt ziemlich spektakulär. Und genau deswegen ist die Ausschreibung nicht unumstritten. Tino Bargel, Bildungs- und Hochschulforscher aus Konstanz, äußert sich skeptisch:

    "Friedrichshafen prägt hier eine für mich fragwürdige Etikette, die unfair ist, den Studienabbrecherbegriff zu benutzen. So ein Etikett 'Studienabbrecher' halt ich eigentlich für eine Werbemaßnahme und nicht für eine gute Strategie, Studierende für einen Hochschultyp zu gewinnen."

    Bargel stößt sich vor allem daran, dass der Begriff 'Studienabbrecher' in diesem Fall viel zu unscharf formuliert sei: Darunter fallen Studierende ohne entsprechendes Engagement und fachliche Kompetenz ebenso wie solche, die ihr Studium aufgrund bestimmter Lebensumstände wie beispielsweise Schwangerschaft oder aus wirtschaftlichen Gründen aufgeben mussten. Bargel glaubt deshalb, dass

    "ein einfaches Konzept 'Wir nehmen jetzt Studienabbrecher' nicht funktionieren kann. Es muss genauer gesagt werden, wer davon übernommen oder unterstützt werden soll."

    Die Zeppelin-Universität verweist darauf, dass sie genau das tut – und ebenso genau hinschaut, welcher Typ von Studienabbrecher ein Stipendium bekommt. Darüber entscheide eine hochschuleigene Kommission. Gefragt sind Abbrecher wie Robert Baur.

    "Meistens stecken dahinter irgendwelche Lebensgeschichten, die einzigartig sind und diese Person ausmachen. Und gerade dieser Abbruch hat sie wahrscheinlich weiter gebracht und fachlich spezifischer in eine Richtung getrieben als Leute, die es ohne Abbruch geschafft haben."

    So ähnlich sieht das auch Tim Göbel, Vizepräsident der Zeppelin-Universität: Die meisten Studienabbrecher, die es nochmals versuchen mit einem Studium, gehen nach seiner Meinung ihren zweiten Versuch mit wesentlich mehr Effizienz und Durchhaltewillen an. Außerdem seien die Stipendien dazu geeignet, das Problem 'Studienabbrecher' insgesamt zu thematisieren:

    "Je nach Statistik haben wir in Deutschland zwischen 25 und 41 Prozent Studienwechsler und –abbrecher. Und das ist natürlich eine gigantisch hohe Zahl. Studienabbrecher sind oftmals stigmatisiert, haben so einen gewissen Makel. Und wir wollen mit diesem Stipendium aufrufen und sagen: Traut euch, wenn ihr den Eindruck habt, ihr könnt studieren, aber ihr seid möglicherweise nicht am richtigen Fleck, im richtigen Fach. Dann wechselt doch einfach die Uni und macht ein gutes Studium."