Am Vorabend der EU-Erweiterung hat die internationale Antisemitismus-Konferenz in Berlin deshalb Judenfeindlichkeit und Fremdenhass als Bedrohung für die Demokratie und die weltweite Sicherheit verurteilt. Die Delegierten aus über 50 Ländern riefen dazu auf, jede Form von Rassismus, Hetze, und Gewalt gegen Menschen auf Grund ihrer Herkunft oder Religion zu bekämpfen. Zwar wird hierzulande in jüngster Zeit weniger über Neonazis und Rechtsradikale berichtet als noch vor einigen Jahren. Doch die Szene ist nach wie vor aktiv - vor allem in so genannten "freien Kameradschaften", deren Zahl in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen hat. Eine der einflussreichsten Kameradschaften entstand - anders als man vielleicht erwartet - nicht in Ostdeutschland, sondern in Bayern: die Fränkische Aktionsfront, kurz FAF.
Hier läuft gerade das Transparent vorbei, das wird von Frauen aus der FAF getragen, dahinter laufen der NPD-Landesvorsitzende von Bayern, Ralf Ollert, dahinter kommt dann die fränkische Aktionsfront mit dem bekannten Kübelwagen, mit dem sie gerne auf Kundgebungen auftauchen, dahinter kommt die Kameradschaft Nürnberg, das ist die Kameradschaft aus dem Nürnberger Land, ja genau, wir haben hier den Hitlergruß – hatten wir auch vorher schon mal zu sehen.
Die FAF wurde im Januar verboten. Doch nach wie vor sammeln sich in solchen Kameradschaften junge Neonazis, vor allem zwischen 18 und 35 Jahren. Diese Verbünde zählen in der Regel fünf bis 20 meist männliche Mitglieder. Der Berliner Politologe Richard Stöss erklärt, wieso Kameradschaften für den rechtsradikalen Nachwuchs attraktiver sind als Parteien:
Es ist natürlich schon ne Mentalitätsfrage, wer Mitglied einer Partei wird, geht Verpflichtungen ein, sie müssen da verbindlich Parteiarbeit leisten. In Kameradschaften geht das alles viel lockerer und spontaner zu, da sind diese Verpflichtungen, diese Verbindlichkeit ist nicht da, und ich denke, Kameradschaften sind für die jungen Leute eher attraktiv, die zum Spontitum neigen, die weniger bereit sind, verbindliche Parteiarbeit zu leisten, zum Beispiel Informationsstände zu machen, Flugblätter zu verteilen, an Schulungskursen teilzunehmen und so weiter.
Der Politologe warnt davor, die Kameradschaften zu unterschätzen. Rund 160 solcher Gruppen hat der Bundesverfassungsschutz im vergangenen Jahr gezählt – nicht nur in Ostdeutschland, sondern genauso in Westdeutschland. Mehrere Aktionsbüros und -bündnisse koordinieren die überregionale Zusammenarbeit. Seit Mitte der 90er Jahre haben die so genannten "freien Kameradschaften" stark an Einfluss gewonnen. Der Grund: Allein von 1992 bis 1996 wurden zwölf neonazistische Vereine verboten. Neonazis und Rechtsradikale mussten daher eine neue Strategie entwickeln – und lernten von den Linken, so Richard Stöss:
In der Folge der Organisationsverbote haben solche strategischen Diskussionen stattgefunden, und man ist eigentlich zu dem Prinzip übergegangen, was ja eine lange Zeit auch in der Linken vorgeherrscht hat, so nach dem Motto: Organisation durch Desorganisation, oder durch Unorganisation, weil man will ja dem Staat keine Angriffsfläche bieten.
Neonazis begannen daher seit Mitte der 90er Jahre, im Schatten der rechtsradikalen Parteien ein geheimes Netzwerk aus selbständigen Kameradschaften aufzubauen, um sich vor weiteren Verboten zu schützen. Allein in den vergangenen sechs Jahren hat sich die Zahl der freien Kameradschaften von 80 auf 160 verdoppelt.
Eine Organisation mit Mitgliederlisten ist natürlich von der Polizei viel leichter zu verfolgen und zu kontrollieren, was machen die Leute denn anschließend, wenn wir die Organisation verboten haben, als ein lockerer Zusammenschluss, wo eigentlich noch nicht mal definitiv klar ist, welche Person gehört da eigentlich dazu, wer ist da Mitglied, wer muss beobachtet werden. Und wer muss gegebenenfalls mit Sanktionen, mit Strafen überzogen werden.
Der Bundesverfassungsschutz schätzt, dass sich etwa 2600 militante Neonazis, gewaltbereite Skinheads und Rechtsrocker in diesem selbsternannten "nationalen Widerstand" sammeln. Sie befürworten Gewalt. Immer wieder werden bei Kameradschaftsangehörigen Waffen und Sprengstoff gefunden, wie zuletzt bei der Kameradschaft Süd in München. Auch die einflussreiche Fränkische Aktionsfront FAF geriet ins Visier der Verfassungsschützer und wurde schließlich verboten. Die FAF war eine Dachorganisation von kleinen regionalen Kameradschaften mit etwa 40 bis 50 Aktivisten und Sympathisanten - und guten Kontakten zur NPD. Der bayerische Innenminister Günter Beckstein wenige Tage nach dem Verbot:
Vorwiegend sind es rechtsextremistische Skinheads, die ganz eindeutig den Nationalsozialismus verherrlichen, die damit gegen die verfassungsmäßige Ordnung sich richten, gegen Strafgesetze verstoßen – daher haben wir uns entschlossen, sie zu verbieten, und haben vor wenigen Tagen das Verbot durchgesetzt.
Die fränkische Neonazi-Szene spielt eine Sonderrolle in Westdeutschland, denn sie ist besser organisiert als die in den meisten anderen Bundesländern. Nur in Hessen, Hamburg und Schleswig-Holstein gibt es Ansätze einer ähnlichen rechtsextremen Infrastruktur, mit Infotelefonen, Aktionsbüros und regelmäßigen Treffen. Hinzu kommt: die Ideologie der rechtsextremen Kameraden stößt in Franken offenbar auf wenig Widerstand:
Ich hatte ein unangenehmes Erlebnis, als ich im Bus abends heimgefahren bin, der sammelt so die ganzen Diskos ab, wo die halt immer mal rumhängen, und da wurden halt schon die Onkelz gesungen, und dann ist man durch den Bus gegangen, Hitlergruß gezeigt, Horst Wessel-Lied gesungen, und solche Sachen. Das kommt schon mal vor.
Der 21-jährige Klaus aus Forchheim meidet daher inzwischen bestimmte Kneipen und Jugendtreffs, um keinen Ärger zu bekommen.
In der Schule war’s so: In der Klasse hat man dann auch Lieder gesungen, zwischen den Unterrichtsstunden, wie "Wir scheißen auf die Juden" und "wir wollen Judenblut trinken." Wenn man da nicht mitgesungen hat, wurde man schief angeschaut, und was das soll, usw. Und ich muss ganz ehrlich sagen, so mit 14, 15 war ich genauso Mitläufer wie die jetzigen, ich hab aber dazugelernt.
Thomas, 20 Jahre alt, lebt in einer Kleinstadt in Mittelfranken. Er fürchtet die Rache der Szene, wenn er erkannt wird – deshalb haben wir seine Aussagen nachsprechen lassen.
Es war immer die hinterste Reihe, die hat dann angefangen zu singen, und der Lehrer hat dann irgendwann gesagt: Schwätzen aufhören! Ich kann wirklich nicht sagen, hat er’s überhören wollen oder hat er’s überhört.
In seinem Landkreis dominieren die Rechtsradikalen die Jugendkultur.
In Burgbernheim hatten wir ne Zeitlang das einzige "arisch befreite" Freibad, das hieß wirklich so. Weil die Burgbernheimer einfach keine Ausländer rein gelassen haben. Und wenn sich die Möchtegern-Nazis getroffen haben, dann war das in Burgbernheim im Freibad.
Inzwischen gibt es in Burgbernheim sogar eine Dönerbude, ins Freibad dürfen auch Andersdenkende. Dennoch beobachtet Kurt Gref vom Jugendamt Nürnberg diese Region mit Sorge.
Ich sehe es nur so, dass diese Jugendlichen das Gefühl haben müssen, dass sie mit Duldung oder mit dem Einverständnis von weiten Teilen der Bevölkerung handeln. Und das ist sicherlich ermutigend für sie.
Kurt Gref stellt immer wieder fest, dass in manchen Familien rechtsradikale Überzeugungen von Generation zu Generation weitergegeben werden – der Großvater wählte vielleicht schon nationale Parteien, und nun tut’s der Enkel ebenso:
Es gibt eine gewisse politische Kultur, die zwar sicherlich nicht vererbt wird, die aber traditionell in Westmittelfranken sehr stark ist und die auch schon Richtung Ablehnung von allem Fremden, in die Richtung - in positivem Sinne Tradition, in negativem Sinne schon ne Fremdenfurcht und Ausländerfeindlichkeit geht. Also das sind Tendenzen, die sich, glaube ich, fortsetzen. Sie haben dort Tradition, diese Haltungen.
Jurastudent Klaus engagiert sich seit einigen Jahren gegen Extremismus. Denn in und um die kleine mittelfränkische Stadt Forchheim herum sind Rechtsradikale längst in Alltag und Brauchtum integriert. Sie besuchen beispielsweise die Dorffeste, denn dort wird auch ihre Musik gespielt, beispielsweise die der Musikgruppe Böhse Onkelz:
Und die Onkelz sind halt immer noch so das zentrale Einstiegselement, wo halt Feindbilder konstruiert werden, wo ein Gruppengefühl konstruiert wird, wo man sich abgrenzt, anders ist, und die Gesellschaft Scheiße ist und man muss dagegen was machen. Es wird auf jeder Kirchweih gespielt. Die werden alle gespielt, die Onkelz-Lieder. Es gibt keine Cover-Rock-Band, die das nicht spielt, und die wissen ganz genau, wenn die Onkelz-Lieder spielen, ist das Zelt voll, und die gehen alle mit, und es ist richtig Partymucke. Und der Weg von Onkelz zu anderer Nazimusik ist meiner Meinung nach nicht weit.
Vor allem auf dem Land, in den Dörfern fühlen sich die Rechtsradikalen stark. Ihre Aufkleber, Graffitis und Flugblätter mit antisemitischen Parolen und Verherrlichung von NS-Größen tauchen an den Gymnasien in Forchheim und Herzogenaurach auf. Dort werden die Skinheads stillschweigend akzeptiert, erzählt Klaus:
Es ist einfach eine Frage der Zeit, sie erobern sich Stück für Stück einen Freiraum. Auf den Kirchweihen haben sie ihn schon, in den Dörfern größtenteils auch, es gibt keine Opposition, niemanden, den es stört, und wenn es auf dem Dorf nur zwei sind, aber auf dem Dorf fünf Nazis wohnen, dann ist klar, wie das Kräfteverhältnis ist, und dann sagen die zwei, die machen dann auch nicht mehr das Maul auf.
Die zwanzigjährige Schülerin Michi engagiert sich ebenfalls gegen Intoleranz und Fremdenhass – und empört sich über das Verhalten ihrer Nachbarn:
Ich hab noch nie gehört, dass jemand gesagt hat: Ja die Scheiß-Nazis, jetzt kommen die wieder und stressen uns jetzt, machen die Kirchweih kaputt. Es ist eher Konsens, das sind doch nette Jungens, die haben doch eigentlich gar nichts am Hut damit, die sind bloß ein wenig verwirrt, und eigentlich meinen sie’s nicht so. Das ist Konsens, den es hier gibt.
Die ältere Generation kritisiert allenfalls das Auftreten der Skinheads, meint Kurt Gref vom Jugendamt Nürnberg, aber viele akzeptieren ihre Ideologie:
Diese Tendenzen gibt es sicherlich, dass das Verhalten dieser Jugendlichen gesund geredet wird und gesagt wird, das ist jugendliches Verhalten, dass sich von selbst wieder gibt. Da wird vielfach der politische Aspekt ein bisschen vernachlässigt. Das wird teilweise auch verharmlost.
Der richtige Nährboden also für Kameradschaften wie die jetzt verbotene Fränkische Aktionsfront. Weil sie so erfolgreich und professionell ihre Netzwerke aufbaute, nahmen sich Kameradschaften in ganz Deutschland die FAF zum Vorbild.
So pflegte die Führungsriege der FAF beispielsweise Kontakte zur Münchner Kameradschaft Süd um Martin Wiese, der mit einer Bombe im vergangenen November die Grundsteinlegung des jüdischen Gemeindezentrums in München vereiteln wollte. Außerdem führte Wiese mit seiner Gruppe regelmäßig militärische Wehrsportübungen durch. Die Generalbundesanwaltschaft hat gerade Anklage gegen einige Mitglieder dieser Gruppe erhoben: wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung. Die Münchner Neonazis sind keine Einzeltäter, sondern - ebenso wie die inzwischen verbotene Fränkische Aktionsfront - Teil eines straff organisierten, gewaltbereiten Neonazi-Netzwerkes. Dieses Netzwerk rekrutiert Anhänger gezielt in Schulen und Freizeittreffs. Ihr wichtigster Köder ist dabei die Musik:
Volksverhetzende Texte wie die der inzwischen verbotenen Gruppe Landser – damit werben die Kameradschaften um Nachwuchs. Und zwar in allen Schichten. Kameradschaftsabende, Fahrten zu Konzerten rechtsradikaler Musiker – so steigen Jugendliche langsam in die Szene ein. Marco Kuhn, Autor einer Studie über die rechtsradikale Szene in Mittelfranken, die im vergangenen Jahr erschienen ist:
Wir haben in fast allen Schulen, das geht von Hauptschule über Realschule bis zum Gymnasium, die Beobachtung gemacht, dass die Klassenräume auch als Umschlagplätze für Neonazi-CDs, sonstige Accessoires dienen. Sprich, in den Klassen gehen die Kataloge rum, die werden vorgezeigt, es werden Sammelbestellungen gemacht, um Porto zu sparen, und insofern besteht dort ein großes Potential, die zu rekrutieren und sie für die "nationale Sache zu gewinnen.
In fast allen Jugendszenen werben Rechtsradikale für ihre Sache. Wann immer zum Beispiel die globalisierungskritische Organisation Attac zu Demonstrationen aufruft, mischen sich Rechtsradikale in die Menge. Sie demonstrieren mit Palästinenserfahnen gegen Israel. Sie sind fester Bestandteil der Grufti-, der Black-Metall- und der Rockerszene. Und die Berührungsängste scheinen tatsächlich zu schwinden.
Hinzu kommt: Viele Radikale sind nicht länger als Neonazis zu erkennen, kleiden sich nicht mehr als typische Skinheads mit Glatze, Bomberjacke und Springerstiefeln. Im Gegenteil: Sie tragen linke Mode. Palästinensertücher und Che-Guevara-T-Shirts, Piercings und lange Haare. Die Kameradinnen schick im nabelfreien Girlie-Look. Der Berliner Rechtsextremismus-Experte Michael Weiss:
Wenn man sich die Aufmarschbilder gerade in den neuen Ländern anschaut, würde man sagen, 80 Prozent würde man nicht als Neonazis erkennen, es sei denn, man hat jetzt da den Gefahrensucherblick, der sofort versteckte Symbolik als Halskettchen erkennt. Aber wer macht das schon. Man geht ja nicht durch die Straße und schaut, was sie so als Ringe tragen.
Auch im Berufsleben bauen die Rechtsradikalen untereinander Kontakte auf – das hat Kurt Gref vom Jugendamt Nürnberg von Aussteigern erfahren:
Es gibt verlässliche Aussagen aus dem rechten Raum, dass verschiedene Arbeitsstellen, Firmenadressen, da auch gehandelt werden von ganz normalen Baufirmen auf dem Land, wo auch Nürnberger rechtsextremistische Jugendliche durchaus gelegentlich jobben, bis hin zu bestimmten anderen Adressen. Es scheint tatsächlich so zu sein, dass es auch Firmen in der High-Tech-Branche gibt, die durchaus gewillt sind, rechtsextremistische Jugendliche und junge Erwachsene einzustellen.
Szene-Versandhäuser, aber auch Bekleidungsmarken und Musik-Produktionen sind längst in der Hand von Rechtsradikalen. Problemlos können Fans beispielsweise per Katalog oder Internet Unterstützer-T-Shirts der als kriminelle Vereinigung verurteilten Band "Landser" bestellen. Michael Weiss warnt vor diesen wirtschaftlichen Netzwerken in Ost- wie in Westdeutschland:
Das hat sich eh in so einer Halbwelt schon eingenistet und professionalisiert, und das geht dann auch weiter zu Tätowierstudios, bis hin zu Security-Unternehmen, Türsteher klassischerweise in Diskotheken und in einigen Regionen in den neuen Bundesländern, vor allem in Mecklenburg-Vorpommern, da haben die Neonazis den direkten Weg in die organisierte Kriminalität genommen, mit Schutzgelderpressung, Prostitution, im Drogenhandel und so weiter.
Der bayerische Innenminister Günter Beckstein wird daher die rechtsradikale Szene auch nach dem Verbot der Fränkischen Aktionsfront genau beobachten:
Ein Vereinsverbot beseitigt natürlich den Extremismus in den Köpfen nicht. Wir haben die Gefährdung durch Rechtsextreme, die sich wieder neue Szenerien suchen, manche sind ja alte Bekannte, die wir ja aus anderen Zusammenhängen kennen, aber durch eine solche Verbotsmaßnahme werden die Strukturen zerschlagen und damit wird’s schwieriger für Rechtsextremisten, sich zu organisieren.
Genau das bezweifeln Kenner der Szene. Denn nur die Dachorganisation FAF wurde zerschlagen – nicht aber die kleinen, zwei- bis fünfköpfigen Kameradschaften auf dem Land. Viele Jugendliche sind sogar stolz auf ihre Kontakte mit den Mitgliedern einer verbotenen Kameradschaft. Marco Kuhn geht davon aus, dass sich die fränkischen Neonazis in spätestens einem halben Jahr wieder organisiert haben werden:
Die einzelnen Angehörigen der Kameradschaften werden weiterhin in ihren Kneipen zusammen feiern und Bier trinken und gemeinsam auf Demos und Konzerte fahren. Insofern trifft dieses Verbot ausschließlich eine Organisations-Struktur, die einzelnen Aktivisten die involviert waren trifft es allerdings nicht.
Der Berliner Politologe Richard Stöss rechnet ebenfalls damit, dass sich die Mitglieder der verbotenen Fränkischen Aktionsfront in anderen Gruppen zusammenfinden.
Das Verbot, denke ich, ist vor allem eine Drohung gegenüber der Szene insgesamt. Wenn ihr militante, möglicherweise sogar terrorismusverdächtige Organisationen gründet, dann müsst ihr damit rechnen, dass der polizeiliche Staatsschutz zuschlägt. Für die jeweils Betroffenen, denke ich, sind die Folgen nicht so gravierend, es sei denn, sie geraten in Gerichtsverfahren.
Ob das Verbot der Kameradschaft tatsächlich erfolgreich ist, muss sich also erst noch zeigen. Gegen die breite Akzeptanz rechtsradikaler Überzeugungen in manchen Regionen hilft allerdings nur eines: die gesellschaftliche Auseinandersetzung damit. Denn wenn sich eine rechtsradikale Szene oder sogar eine gewaltbereite Kameradschaft erst einmal etabliert hat, ist es schwierig, sie zu stoppen.
Die Gefahr ist einfach, dass sie es schaffen, sich ihre Freiräume zu erobern, dass sie zum Alltag werden, dass Leute nicht wahrnehmen, dass es niemanden stört, die Gefahr ist einfach, dass sie ne Jugendkultur aufbauen. Neonazis sind nicht irgendwelche Jugendlichen, es ist nicht irgendeine Meinung, die nicht akzeptiert wird neben vielen anderen, sondern Neonazismus ist ein Verbrechen, und das ist vielleicht eine ziemlich platte Parole, aber sie ist immer noch richtig so.
Buchtipp:
Andrea Röpke, Andreas Speit (Hrsg.)
Braune Kameradschaften. Die neuen Netzwerke der militanten Neonazis
Ch. Links Verlag, 14,90 €.
Hier läuft gerade das Transparent vorbei, das wird von Frauen aus der FAF getragen, dahinter laufen der NPD-Landesvorsitzende von Bayern, Ralf Ollert, dahinter kommt dann die fränkische Aktionsfront mit dem bekannten Kübelwagen, mit dem sie gerne auf Kundgebungen auftauchen, dahinter kommt die Kameradschaft Nürnberg, das ist die Kameradschaft aus dem Nürnberger Land, ja genau, wir haben hier den Hitlergruß – hatten wir auch vorher schon mal zu sehen.
Die FAF wurde im Januar verboten. Doch nach wie vor sammeln sich in solchen Kameradschaften junge Neonazis, vor allem zwischen 18 und 35 Jahren. Diese Verbünde zählen in der Regel fünf bis 20 meist männliche Mitglieder. Der Berliner Politologe Richard Stöss erklärt, wieso Kameradschaften für den rechtsradikalen Nachwuchs attraktiver sind als Parteien:
Es ist natürlich schon ne Mentalitätsfrage, wer Mitglied einer Partei wird, geht Verpflichtungen ein, sie müssen da verbindlich Parteiarbeit leisten. In Kameradschaften geht das alles viel lockerer und spontaner zu, da sind diese Verpflichtungen, diese Verbindlichkeit ist nicht da, und ich denke, Kameradschaften sind für die jungen Leute eher attraktiv, die zum Spontitum neigen, die weniger bereit sind, verbindliche Parteiarbeit zu leisten, zum Beispiel Informationsstände zu machen, Flugblätter zu verteilen, an Schulungskursen teilzunehmen und so weiter.
Der Politologe warnt davor, die Kameradschaften zu unterschätzen. Rund 160 solcher Gruppen hat der Bundesverfassungsschutz im vergangenen Jahr gezählt – nicht nur in Ostdeutschland, sondern genauso in Westdeutschland. Mehrere Aktionsbüros und -bündnisse koordinieren die überregionale Zusammenarbeit. Seit Mitte der 90er Jahre haben die so genannten "freien Kameradschaften" stark an Einfluss gewonnen. Der Grund: Allein von 1992 bis 1996 wurden zwölf neonazistische Vereine verboten. Neonazis und Rechtsradikale mussten daher eine neue Strategie entwickeln – und lernten von den Linken, so Richard Stöss:
In der Folge der Organisationsverbote haben solche strategischen Diskussionen stattgefunden, und man ist eigentlich zu dem Prinzip übergegangen, was ja eine lange Zeit auch in der Linken vorgeherrscht hat, so nach dem Motto: Organisation durch Desorganisation, oder durch Unorganisation, weil man will ja dem Staat keine Angriffsfläche bieten.
Neonazis begannen daher seit Mitte der 90er Jahre, im Schatten der rechtsradikalen Parteien ein geheimes Netzwerk aus selbständigen Kameradschaften aufzubauen, um sich vor weiteren Verboten zu schützen. Allein in den vergangenen sechs Jahren hat sich die Zahl der freien Kameradschaften von 80 auf 160 verdoppelt.
Eine Organisation mit Mitgliederlisten ist natürlich von der Polizei viel leichter zu verfolgen und zu kontrollieren, was machen die Leute denn anschließend, wenn wir die Organisation verboten haben, als ein lockerer Zusammenschluss, wo eigentlich noch nicht mal definitiv klar ist, welche Person gehört da eigentlich dazu, wer ist da Mitglied, wer muss beobachtet werden. Und wer muss gegebenenfalls mit Sanktionen, mit Strafen überzogen werden.
Der Bundesverfassungsschutz schätzt, dass sich etwa 2600 militante Neonazis, gewaltbereite Skinheads und Rechtsrocker in diesem selbsternannten "nationalen Widerstand" sammeln. Sie befürworten Gewalt. Immer wieder werden bei Kameradschaftsangehörigen Waffen und Sprengstoff gefunden, wie zuletzt bei der Kameradschaft Süd in München. Auch die einflussreiche Fränkische Aktionsfront FAF geriet ins Visier der Verfassungsschützer und wurde schließlich verboten. Die FAF war eine Dachorganisation von kleinen regionalen Kameradschaften mit etwa 40 bis 50 Aktivisten und Sympathisanten - und guten Kontakten zur NPD. Der bayerische Innenminister Günter Beckstein wenige Tage nach dem Verbot:
Vorwiegend sind es rechtsextremistische Skinheads, die ganz eindeutig den Nationalsozialismus verherrlichen, die damit gegen die verfassungsmäßige Ordnung sich richten, gegen Strafgesetze verstoßen – daher haben wir uns entschlossen, sie zu verbieten, und haben vor wenigen Tagen das Verbot durchgesetzt.
Die fränkische Neonazi-Szene spielt eine Sonderrolle in Westdeutschland, denn sie ist besser organisiert als die in den meisten anderen Bundesländern. Nur in Hessen, Hamburg und Schleswig-Holstein gibt es Ansätze einer ähnlichen rechtsextremen Infrastruktur, mit Infotelefonen, Aktionsbüros und regelmäßigen Treffen. Hinzu kommt: die Ideologie der rechtsextremen Kameraden stößt in Franken offenbar auf wenig Widerstand:
Ich hatte ein unangenehmes Erlebnis, als ich im Bus abends heimgefahren bin, der sammelt so die ganzen Diskos ab, wo die halt immer mal rumhängen, und da wurden halt schon die Onkelz gesungen, und dann ist man durch den Bus gegangen, Hitlergruß gezeigt, Horst Wessel-Lied gesungen, und solche Sachen. Das kommt schon mal vor.
Der 21-jährige Klaus aus Forchheim meidet daher inzwischen bestimmte Kneipen und Jugendtreffs, um keinen Ärger zu bekommen.
In der Schule war’s so: In der Klasse hat man dann auch Lieder gesungen, zwischen den Unterrichtsstunden, wie "Wir scheißen auf die Juden" und "wir wollen Judenblut trinken." Wenn man da nicht mitgesungen hat, wurde man schief angeschaut, und was das soll, usw. Und ich muss ganz ehrlich sagen, so mit 14, 15 war ich genauso Mitläufer wie die jetzigen, ich hab aber dazugelernt.
Thomas, 20 Jahre alt, lebt in einer Kleinstadt in Mittelfranken. Er fürchtet die Rache der Szene, wenn er erkannt wird – deshalb haben wir seine Aussagen nachsprechen lassen.
Es war immer die hinterste Reihe, die hat dann angefangen zu singen, und der Lehrer hat dann irgendwann gesagt: Schwätzen aufhören! Ich kann wirklich nicht sagen, hat er’s überhören wollen oder hat er’s überhört.
In seinem Landkreis dominieren die Rechtsradikalen die Jugendkultur.
In Burgbernheim hatten wir ne Zeitlang das einzige "arisch befreite" Freibad, das hieß wirklich so. Weil die Burgbernheimer einfach keine Ausländer rein gelassen haben. Und wenn sich die Möchtegern-Nazis getroffen haben, dann war das in Burgbernheim im Freibad.
Inzwischen gibt es in Burgbernheim sogar eine Dönerbude, ins Freibad dürfen auch Andersdenkende. Dennoch beobachtet Kurt Gref vom Jugendamt Nürnberg diese Region mit Sorge.
Ich sehe es nur so, dass diese Jugendlichen das Gefühl haben müssen, dass sie mit Duldung oder mit dem Einverständnis von weiten Teilen der Bevölkerung handeln. Und das ist sicherlich ermutigend für sie.
Kurt Gref stellt immer wieder fest, dass in manchen Familien rechtsradikale Überzeugungen von Generation zu Generation weitergegeben werden – der Großvater wählte vielleicht schon nationale Parteien, und nun tut’s der Enkel ebenso:
Es gibt eine gewisse politische Kultur, die zwar sicherlich nicht vererbt wird, die aber traditionell in Westmittelfranken sehr stark ist und die auch schon Richtung Ablehnung von allem Fremden, in die Richtung - in positivem Sinne Tradition, in negativem Sinne schon ne Fremdenfurcht und Ausländerfeindlichkeit geht. Also das sind Tendenzen, die sich, glaube ich, fortsetzen. Sie haben dort Tradition, diese Haltungen.
Jurastudent Klaus engagiert sich seit einigen Jahren gegen Extremismus. Denn in und um die kleine mittelfränkische Stadt Forchheim herum sind Rechtsradikale längst in Alltag und Brauchtum integriert. Sie besuchen beispielsweise die Dorffeste, denn dort wird auch ihre Musik gespielt, beispielsweise die der Musikgruppe Böhse Onkelz:
Und die Onkelz sind halt immer noch so das zentrale Einstiegselement, wo halt Feindbilder konstruiert werden, wo ein Gruppengefühl konstruiert wird, wo man sich abgrenzt, anders ist, und die Gesellschaft Scheiße ist und man muss dagegen was machen. Es wird auf jeder Kirchweih gespielt. Die werden alle gespielt, die Onkelz-Lieder. Es gibt keine Cover-Rock-Band, die das nicht spielt, und die wissen ganz genau, wenn die Onkelz-Lieder spielen, ist das Zelt voll, und die gehen alle mit, und es ist richtig Partymucke. Und der Weg von Onkelz zu anderer Nazimusik ist meiner Meinung nach nicht weit.
Vor allem auf dem Land, in den Dörfern fühlen sich die Rechtsradikalen stark. Ihre Aufkleber, Graffitis und Flugblätter mit antisemitischen Parolen und Verherrlichung von NS-Größen tauchen an den Gymnasien in Forchheim und Herzogenaurach auf. Dort werden die Skinheads stillschweigend akzeptiert, erzählt Klaus:
Es ist einfach eine Frage der Zeit, sie erobern sich Stück für Stück einen Freiraum. Auf den Kirchweihen haben sie ihn schon, in den Dörfern größtenteils auch, es gibt keine Opposition, niemanden, den es stört, und wenn es auf dem Dorf nur zwei sind, aber auf dem Dorf fünf Nazis wohnen, dann ist klar, wie das Kräfteverhältnis ist, und dann sagen die zwei, die machen dann auch nicht mehr das Maul auf.
Die zwanzigjährige Schülerin Michi engagiert sich ebenfalls gegen Intoleranz und Fremdenhass – und empört sich über das Verhalten ihrer Nachbarn:
Ich hab noch nie gehört, dass jemand gesagt hat: Ja die Scheiß-Nazis, jetzt kommen die wieder und stressen uns jetzt, machen die Kirchweih kaputt. Es ist eher Konsens, das sind doch nette Jungens, die haben doch eigentlich gar nichts am Hut damit, die sind bloß ein wenig verwirrt, und eigentlich meinen sie’s nicht so. Das ist Konsens, den es hier gibt.
Die ältere Generation kritisiert allenfalls das Auftreten der Skinheads, meint Kurt Gref vom Jugendamt Nürnberg, aber viele akzeptieren ihre Ideologie:
Diese Tendenzen gibt es sicherlich, dass das Verhalten dieser Jugendlichen gesund geredet wird und gesagt wird, das ist jugendliches Verhalten, dass sich von selbst wieder gibt. Da wird vielfach der politische Aspekt ein bisschen vernachlässigt. Das wird teilweise auch verharmlost.
Der richtige Nährboden also für Kameradschaften wie die jetzt verbotene Fränkische Aktionsfront. Weil sie so erfolgreich und professionell ihre Netzwerke aufbaute, nahmen sich Kameradschaften in ganz Deutschland die FAF zum Vorbild.
So pflegte die Führungsriege der FAF beispielsweise Kontakte zur Münchner Kameradschaft Süd um Martin Wiese, der mit einer Bombe im vergangenen November die Grundsteinlegung des jüdischen Gemeindezentrums in München vereiteln wollte. Außerdem führte Wiese mit seiner Gruppe regelmäßig militärische Wehrsportübungen durch. Die Generalbundesanwaltschaft hat gerade Anklage gegen einige Mitglieder dieser Gruppe erhoben: wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung. Die Münchner Neonazis sind keine Einzeltäter, sondern - ebenso wie die inzwischen verbotene Fränkische Aktionsfront - Teil eines straff organisierten, gewaltbereiten Neonazi-Netzwerkes. Dieses Netzwerk rekrutiert Anhänger gezielt in Schulen und Freizeittreffs. Ihr wichtigster Köder ist dabei die Musik:
Volksverhetzende Texte wie die der inzwischen verbotenen Gruppe Landser – damit werben die Kameradschaften um Nachwuchs. Und zwar in allen Schichten. Kameradschaftsabende, Fahrten zu Konzerten rechtsradikaler Musiker – so steigen Jugendliche langsam in die Szene ein. Marco Kuhn, Autor einer Studie über die rechtsradikale Szene in Mittelfranken, die im vergangenen Jahr erschienen ist:
Wir haben in fast allen Schulen, das geht von Hauptschule über Realschule bis zum Gymnasium, die Beobachtung gemacht, dass die Klassenräume auch als Umschlagplätze für Neonazi-CDs, sonstige Accessoires dienen. Sprich, in den Klassen gehen die Kataloge rum, die werden vorgezeigt, es werden Sammelbestellungen gemacht, um Porto zu sparen, und insofern besteht dort ein großes Potential, die zu rekrutieren und sie für die "nationale Sache zu gewinnen.
In fast allen Jugendszenen werben Rechtsradikale für ihre Sache. Wann immer zum Beispiel die globalisierungskritische Organisation Attac zu Demonstrationen aufruft, mischen sich Rechtsradikale in die Menge. Sie demonstrieren mit Palästinenserfahnen gegen Israel. Sie sind fester Bestandteil der Grufti-, der Black-Metall- und der Rockerszene. Und die Berührungsängste scheinen tatsächlich zu schwinden.
Hinzu kommt: Viele Radikale sind nicht länger als Neonazis zu erkennen, kleiden sich nicht mehr als typische Skinheads mit Glatze, Bomberjacke und Springerstiefeln. Im Gegenteil: Sie tragen linke Mode. Palästinensertücher und Che-Guevara-T-Shirts, Piercings und lange Haare. Die Kameradinnen schick im nabelfreien Girlie-Look. Der Berliner Rechtsextremismus-Experte Michael Weiss:
Wenn man sich die Aufmarschbilder gerade in den neuen Ländern anschaut, würde man sagen, 80 Prozent würde man nicht als Neonazis erkennen, es sei denn, man hat jetzt da den Gefahrensucherblick, der sofort versteckte Symbolik als Halskettchen erkennt. Aber wer macht das schon. Man geht ja nicht durch die Straße und schaut, was sie so als Ringe tragen.
Auch im Berufsleben bauen die Rechtsradikalen untereinander Kontakte auf – das hat Kurt Gref vom Jugendamt Nürnberg von Aussteigern erfahren:
Es gibt verlässliche Aussagen aus dem rechten Raum, dass verschiedene Arbeitsstellen, Firmenadressen, da auch gehandelt werden von ganz normalen Baufirmen auf dem Land, wo auch Nürnberger rechtsextremistische Jugendliche durchaus gelegentlich jobben, bis hin zu bestimmten anderen Adressen. Es scheint tatsächlich so zu sein, dass es auch Firmen in der High-Tech-Branche gibt, die durchaus gewillt sind, rechtsextremistische Jugendliche und junge Erwachsene einzustellen.
Szene-Versandhäuser, aber auch Bekleidungsmarken und Musik-Produktionen sind längst in der Hand von Rechtsradikalen. Problemlos können Fans beispielsweise per Katalog oder Internet Unterstützer-T-Shirts der als kriminelle Vereinigung verurteilten Band "Landser" bestellen. Michael Weiss warnt vor diesen wirtschaftlichen Netzwerken in Ost- wie in Westdeutschland:
Das hat sich eh in so einer Halbwelt schon eingenistet und professionalisiert, und das geht dann auch weiter zu Tätowierstudios, bis hin zu Security-Unternehmen, Türsteher klassischerweise in Diskotheken und in einigen Regionen in den neuen Bundesländern, vor allem in Mecklenburg-Vorpommern, da haben die Neonazis den direkten Weg in die organisierte Kriminalität genommen, mit Schutzgelderpressung, Prostitution, im Drogenhandel und so weiter.
Der bayerische Innenminister Günter Beckstein wird daher die rechtsradikale Szene auch nach dem Verbot der Fränkischen Aktionsfront genau beobachten:
Ein Vereinsverbot beseitigt natürlich den Extremismus in den Köpfen nicht. Wir haben die Gefährdung durch Rechtsextreme, die sich wieder neue Szenerien suchen, manche sind ja alte Bekannte, die wir ja aus anderen Zusammenhängen kennen, aber durch eine solche Verbotsmaßnahme werden die Strukturen zerschlagen und damit wird’s schwieriger für Rechtsextremisten, sich zu organisieren.
Genau das bezweifeln Kenner der Szene. Denn nur die Dachorganisation FAF wurde zerschlagen – nicht aber die kleinen, zwei- bis fünfköpfigen Kameradschaften auf dem Land. Viele Jugendliche sind sogar stolz auf ihre Kontakte mit den Mitgliedern einer verbotenen Kameradschaft. Marco Kuhn geht davon aus, dass sich die fränkischen Neonazis in spätestens einem halben Jahr wieder organisiert haben werden:
Die einzelnen Angehörigen der Kameradschaften werden weiterhin in ihren Kneipen zusammen feiern und Bier trinken und gemeinsam auf Demos und Konzerte fahren. Insofern trifft dieses Verbot ausschließlich eine Organisations-Struktur, die einzelnen Aktivisten die involviert waren trifft es allerdings nicht.
Der Berliner Politologe Richard Stöss rechnet ebenfalls damit, dass sich die Mitglieder der verbotenen Fränkischen Aktionsfront in anderen Gruppen zusammenfinden.
Das Verbot, denke ich, ist vor allem eine Drohung gegenüber der Szene insgesamt. Wenn ihr militante, möglicherweise sogar terrorismusverdächtige Organisationen gründet, dann müsst ihr damit rechnen, dass der polizeiliche Staatsschutz zuschlägt. Für die jeweils Betroffenen, denke ich, sind die Folgen nicht so gravierend, es sei denn, sie geraten in Gerichtsverfahren.
Ob das Verbot der Kameradschaft tatsächlich erfolgreich ist, muss sich also erst noch zeigen. Gegen die breite Akzeptanz rechtsradikaler Überzeugungen in manchen Regionen hilft allerdings nur eines: die gesellschaftliche Auseinandersetzung damit. Denn wenn sich eine rechtsradikale Szene oder sogar eine gewaltbereite Kameradschaft erst einmal etabliert hat, ist es schwierig, sie zu stoppen.
Die Gefahr ist einfach, dass sie es schaffen, sich ihre Freiräume zu erobern, dass sie zum Alltag werden, dass Leute nicht wahrnehmen, dass es niemanden stört, die Gefahr ist einfach, dass sie ne Jugendkultur aufbauen. Neonazis sind nicht irgendwelche Jugendlichen, es ist nicht irgendeine Meinung, die nicht akzeptiert wird neben vielen anderen, sondern Neonazismus ist ein Verbrechen, und das ist vielleicht eine ziemlich platte Parole, aber sie ist immer noch richtig so.
Buchtipp:
Andrea Röpke, Andreas Speit (Hrsg.)
Braune Kameradschaften. Die neuen Netzwerke der militanten Neonazis
Ch. Links Verlag, 14,90 €.