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Stratmann fordert mehr Studiengänge an Fachhochschulen

In der Diskussion, wie Niedersachsen seine Studiengänge stärker auf den Arbeitsmarkt ausrichten will, geht es nach Ansicht von Wissenschaftsminister Lutz Stratmann nicht um eine allgmeine Niveauabsenkung. Die anwendungsorientierten Ausbildungen an Fachhochschulen sollten aber einen größeren Stellenwert bekommen. Dann könnten sich die Universitäten stärker auf ihre eigentlichen Aufgaben besinnen und forschungsorientiert lehren.

Moderation: Jörg Biesler |
    Jörg Biesler: Das Land Niedersachsen will seine Hochschulen stärker auf den Arbeitsmarkt ausrichten. Wissenschaftsminister Lutz Stratmann will den Fachhochschulabschluss quasi zum Regelabschluss machen. Die Zahl der Fachhochschulabsolventen soll zukünftig weit über den der Universitäten liegen. Das Niveau der Bachelorabschlüsse soll deutlich unter dem heutiger Diplom- oder Magisterabschlüsse liegen. Ich habe Lutz Stratmann gefragt, ob eine Niveauabsenkung denn im Augenblick das richtige Rezept ist.

    Lutz Stratmann: Das wäre eine falsche Interpretation dessen, was ich gesagt habe. Deshalb erlauben Sie mir, dass ich das vielleicht noch mal korrekt wiederhole: Es geht künftig darum, dass mindestens 40 Prozent eines Altersjahrganges eine akademische Ausbildung erfahren. Das hat mit Anforderungen zu tun, die durch hohe Innovationsgeschwindigkeiten, durch veränderten Bedarf der Wirtschaft usw. zu tun haben. Das bedeutet in der Tat, dass sozusagen der anwendungsorientierten Ausbildung, und das eben vor allem an den Fachhochschulen ein höherer Stellenwert zukommt, und das wird vor allem dann der Regelabschluss des Bachelors sein, grundsätzlich nach sechs Semestern, in Ausnahmefällen dort, wo das aus qualitativen Gesichtspunkten notwendig ist, auch nach sieben bis acht Semestern, und für diesen Bereich trifft es in der Tat zu, dass man davon ausgehen darf, dass die große Mehrzahl der Hochschulabsolventen mit einer wissenschaftlichen Grundqualifikation dann in das Berufsleben eintreten kann, die etwas unterhalb des heutigen Diplom, Magister und Staatsexamens liegt, was das Qualifikationsniveau anbelangt.

    Biesler: Wenn man jetzt hört, dass die Studiengänge an Universitäten und Fachhochschulen sich schon noch unterscheiden sollen, nämlich dadurch, dass die Universitäten ein stärkeres Forschungsprofil haben als die Fachhochschulen, dann fragt man sich aber schon, worin genau denn dann im Bachelorstudium noch die Unterscheidung bestehen kann, denn die Forschungsinhalte, die dann tatsächlich an den Universitäten eine Rolle spielen, werden da ja kaum noch zu vermitteln sein, jedenfalls nicht Eins zu Eins.

    Stratmann: Nein, der Unterschied besteht ganz klar darin, dass es seitens der Fachhochschulen natürlich vielerorts, Gottlob, dafür sind wir sehr dankbar, eine sehr enge Kooperation beispielsweise mit den kleineren und mittleren Unternehmen gibt, dass man gemeinsam mit den Unternehmen in bestimmten Bereichen die Studiengänge stärker ausgestaltet, wir eine höhere Differenzierung, Ausdifferenzierung von Studiengängen haben, und das aber umgekehrt – und das ist mir ganz wichtig -, dass umgekehrt die Universitäten sich auf ihre eigentliche Aufgabe stärker besinnen, und das bedeutet, dort werde ich als Student, wenn ich mich für einen Bachelor an einer Universität entscheide, sozusagen in Kauf nehmen, ganz bewusst, das will ich, dafür entscheide ich mich, einen Bachelor vorzufinden, der erstens darauf ausgerichtet ist, dass sich sozusagen dann später mit großer Wahrscheinlichkeit ein Master anschließt, der zweitens forschungsorientiert verläuft, eher breiter ausgelegt ist, und dann sozusagen im Master die notwendige Spezialisierung erfolgt, die ich brauche, um dann in bestimmten Bereichen tatsächlich unter Umständen sogar auch noch eine Promotionsphase anzuschließen.

    Wir werden künftig sehr viel mehr Studiengänge an den Fachhochschulen anbieten müssen, als das zur Zeit der Fall ist. Das Verhältnis zwischen Fachhochschulstudiengängen und universitären Studiengängen wird sich zugunsten der Fachhochschulen dramatisch verändern müssen, und das wird nach meinem Dafürhalten der einzige Weg sein, auf dem wir es hinbekommen, auch den Anteil sozusagen des Altersjahrgangs dann tatsächlich konstant auf 40 oder sogar über 40 Prozent zu halten.

    Biesler: Man könnte sich ja bei diesem Konzept zum einen fragen, ist denn der Bachelor dann eigentlich an den Universitäten richtig untergebracht, oder sollte man da das Studium nicht sowieso anders strukturieren, dann wäre man sozusagen wieder bei der alten Unterscheidung zwischen Fachhochschule und Universität, und wird es denn dann in Zukunft viel weniger Universitäten geben?

    Stratmann: Also erstens könnte ich jetzt mich natürlich sozusagen ganz einfach aus der Affäre hier winden, indem ich sage, Bologna ist beschlossen, und da haben wir den Bachelor und den Master nun mal als Struktur vorgegeben, aber das wäre zu einfach. Nein, die Wahrheit ist doch, dass die neue Struktur Bachelor und Master den großen Vorteil bietet, dass ich, auch wenn ich an einer Universität meinen Bachelor gemacht habe, immer noch frei bin in der Entscheidung zu sagen, nach diesem Abschluss habe ich einen berufsqualifizierenden akademischen Abschluss in der Tasche, und damit verlasse ich die Universität wieder und gehe zunächst in den Beruf, vielleicht auch mit der Absicht, später wieder in die Universität zu gehen, um meinen Master zu machen oder um ihn berufsbegleitend zu erwerben. Auch das wird ja künftig sehr viel häufiger möglich sein müssen, genauso wie es auch einem Fachhochschüler nach dem Bachelor möglich sein muss, die Entscheidung zu treffen, vielleicht doch eher sich weiter wissenschaftsorientiert ausbilden zu lassen und an eine Universität zu wechseln.

    Biesler: Und es wird Universitäten geben, die in Zukunft keine Universitäten mehr sind in Niedersachsen?

    Stratmann: Also es wird universitäre Studiengänge geben, bei denen vielleicht dann die Ergebnisse der Evaluation zutage bringen, dass es sich nicht um einen Studiengang handelt, der von sich in Anspruch nehmen darf, universitären Charakter zu haben. Das wird so sein, und dann wird man mit der Universität in Gespräche eintreten müssen, wie man mit diesem Studiengang umgeht, ob man ihn etwa so umstrukturiert, dass universitärer Charakter entsteht, oder ob man dann ehrlicherweise sagt, hier besteht eher der Raum für eine starke Anwendungsorientierung, dann machen wir es auch, und dann habe ich dort einen Bachelor erworben, der dann eher ein Fachhochschulbachelor ist, wobei wir ja auch diese Differenzierung nicht mehr vornehmen, ich meine, das ist eben doch sehr komplex, das Thema, ich spreche deshalb eben ungern von den Institutionen, sondern ich spreche deshalb lieber von den Studiengängen, also von den anwendungsorientierten oder von den wissenschafts- und forschungsorientierten Studiengängen.

    Biesler: Vielen Dank für das Gespräch.