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Streik bei Amazon
Verdi kämpft für einen Tarifvertrag

Alle Jahre wieder nutzt Verdi die Vorweihnachtszeit, um Amazon-Beschäftigte zum Streik aufzurufen. Bisher wurden die Weihnachtspakete trotzdem pünktlich ausgeliefert, denn der Anteil der Gewerkschaftsmitglieder ist beim Online-Händler nicht besonders hoch. Diesmal wird in Leipzig und Werne gestreikt.

Von Mischa Ehrhardt | 17.12.2018
    Amazon-Vertriebszentrum in Deutschland
    Amazon-Vertriebszentrum in Deutschland (dpa / Katerina Sulova)
    Wer den beteiligten Parteien zuhört, ist geneigt, so etwas wie eine für alle handhabbare Situation zu sehen. Der Streik habe keinen Einfluss auf Amazons Lieferversprechen. Er wirkt sich also aus Sicht des Online-Händlers nicht negativ aus. Christian Schulze, Marketing- und Online-Handelsexperte der Frankfurt School of Finance and Management, hält das für glaubhaft.
    "Amazon ist sicherlich ein Unternehmen, die so etwas sehr genau managen. Die haben einen sehr eng getakteten Logistik-Zeitplan, damit sie ihre Kunden schnell beliefern können. Und da wird das Unternehmen sicherlich auch Leute dafür haben, die speziell sich darauf vorbereiten, zum Beispiel bei Black Friday oder kurz vor Weihnachten, wenn das Volumen hoch ist, die Kunden schnell beliefern zu können."
    Streikerfolge
    Denn Erfahrung mit derlei Streiks auch in ungünstigen Zeiten für Amazon kann man dem Online-Giganten schlecht absprechen: Erst vor wenigen Wochen, am Black Friday, hatten Gewerkschaftsmitglieder bei Amazon den Konzern an einigen deutschen Standorten ebenso bestreikt. Die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi ihrerseits aber sieht durchaus Sinn in den immer wiederkehrenden Arbeitsmaßnahmen, es gilt sozusagen das Motto: Der stete Tropfen höhlt den Stein.
    "Die Streiks haben auch dazu geführt, das ist ja das Gute, dass wir inzwischen Lohnerhöhungen haben, dass wir Weihnachtsgeld haben und dass es auch sonstige Vergünstigungen gibt. All das gibt es inzwischen. Aber es ist natürlich Geld, das jederzeit wieder geändert werden kann. Das heißt, morgen kann das wieder ganz anders aussehen, und das wollen wir verhindern."
    … sagt Verdi-Sprecher Günter Isemeyer. Die Gewerkschaft will erreichen, dass Amazon einen Tarifvertrag für seine Beschäftigten abschließt, in dem die Entlohnung verbindlich und verlässlich geregelt ist. Amazon dagegen verweist darauf, dass man auch ohne Tarifvertrag ein fairer Arbeitgeber sein könne. In seinen Logistikzentren würden die Mitarbeiter am oberen Ende dessen bezahlt, was für vergleichbare Tätigkeiten üblich sei.
    Kein Tarifvertrag in Sicht
    Der Konflikt zwischen Amazon und der Gewerkschaft besteht nun mittlerweile seit rund fünf Jahren. Immer wieder kommt es zu Streiks, einen Tarifvertrag lehnt das Unternehmen aber ebenso beharrlich ab. Dass Amazon einen Tarifvertrag weiter ablehne, sei aus Sicht der Gewerkschaft eine Provokation. Zwar hat Amazon in den Jahren gelernt, auf Arbeitsniederlegungen flexibel zu reagieren. Dennoch meint Isemeyer, dass die Streiks Wirkung zeigen können und werden.
    "Sie sind flexibel, aber wir sind auch flexibel. Wir werden dafür sorgen, dass es einen Tarifvertrag bei Amazon gibt. Und wenn das noch ein paar Jahre dauert, dann wird das so sein. Aber es wird immer wieder Streiks geben bei Amazon, auch zu Zeiten, die Amazon sehr unlieb sind."
    Pünktliche Geschenkelieferung?
    Druck erhofft sich die Gewerkschaft vor allem auch dadurch, dass Amazon etwa mit Doppelbesetzungen agieren muss, um etwaige Streiks zu konterkarieren. Das allerdings ist teuer. Kunden jedenfalls müssen sich wohl nicht sonderlich beunruhigen, dass ihre Weihnachtsgeschenke auf der Strecke bleiben, meint Christian Schulze.
    "Ich glaube, wenn die Aktion der Gewerkschaften dabei bleibt, dass es nur in zwei Lagern ist, dann wird davon der normale Kunde wenig mitbekommen. Ich glaube, das ist eher noch einmal trommeln und Pressearbeit. Aber dass am Ende wirklich spürbare Verzögerungen durch Teilbestreikung von zwei Standorten auftreten, halte ich persönlich für eher unwahrscheinlich."