Mario Dobovisek: Vorläufig ausgesetzt ist er seit gestern, der unbefristete Streik in den Kitas, zumindest bis zum Ende der Schlichtung. Dafür hat Deutschland ebenfalls seit gestern einen neuen Streik auszuhalten. Auch dieser ist unbefristet, und zwar bei der Post.
64 Millionen Briefe trägt sie an einem normalen Werktag bundesweit aus im Schnitt. Hinzu kommen etwa 3,4 Millionen Pakete. Am Telefon begrüße ich Julian Graf von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen. Guten Morgen, Herr Graf.
64 Millionen Briefe trägt sie an einem normalen Werktag bundesweit aus im Schnitt. Hinzu kommen etwa 3,4 Millionen Pakete. Am Telefon begrüße ich Julian Graf von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen. Guten Morgen, Herr Graf.
Julian Graf: Schönen guten Morgen!
Dobovisek: Wie viele dieser Briefe und Pakete werden in den kommenden Tagen und vielleicht Wochen liegen bleiben?
Graf: Das ist so im Allgemeinen natürlich schwierig zu sagen. Das sind ja immer Prognose-Entscheidungen. In der Vergangenheit war es in der Regel so, dass Zahlen zwischen 15 bis 20 Prozent die Runde machten. Inwiefern das jetzt bei so einem groß angelegten Streik auch wieder der Fall sein wird, oder ob nicht höhere Anzahlen betroffen sind, ist schlecht zu sagen. Ich rechne aber, denke ich, eher mit mehr.
Dobovisek: Was bedeutet das für jene Menschen und zum Beispiel Unternehmen, die auf die Post angewiesen sind und vor allem darauf, dass die Post pünktlich ankommt?
Graf: Das bedeutet für die Personen natürlich in erster Linie jetzt erst mal, dass es quasi in ihrem Risiko liegt, ob die Post ankommt oder nicht. Das heißt, es ist quasi mein Verantwortungsbereich, ob meine Post pünktlich ankommt und die entsprechenden Erklärungen daher auch den Empfänger erreichen. Das heißt, ich trage letztendlich die Auswirkungen dieses Streiks. Die Post selbst wird sich da nicht für in der Verantwortung sehen.
Dobovisek: Warum kann sich die Post da so leicht rausziehen?
Graf: Das ist relativ einfach. Es ist nämlich so, dass bei Standardbriefen und auch Standardpaketversand die Post mir kein Lieferdatum garantiert, und daraus resultiert natürlich dann auch, dass ich die Post dementsprechend nicht in Haftung nehmen kann. Das ist allenfalls bei Expresslieferungen so. Da hat die Post aber legitimer Weise in ihren AGB bei Streik die Haftung ebenfalls ausgeschlossen.
Dobovisek: Welche Möglichkeiten bleiben Postkunden denn, um dennoch wichtige Fristen einhalten zu können?
Graf: Zu allererst einmal allgemein gesehen natürlich am besten solche Erklärungen, die wirklich fristgebunden sind, nicht immer erst auf den letzten Tag wegschicken, sondern immer in einer entsprechenden Vorlaufzeit, weil es ist nie garantiert, dass ein Brief innerhalb eines Tages ankommt. Und im Moment sieht es dann wohl so aus, dass es eigentlich nur zwei Möglichkeiten gibt: Entweder ich suche mir einen alternativen Postdienstleister, zum Beispiel Postcon als Nachfolger von TNT. Oder, wenn ich eine Erklärung habe, die nicht schriftformgebunden ist, die also keine Unterschrift benötigt, dann kann ich auch auf ein Fax zurückgreifen mit entsprechendem Übermittlungsprotokoll. Das hat vor Gericht dann auch entsprechend Bestand.
"Von E-Mail würde ich abraten"
Dobovisek: Sie sind ja Jurist, Herr Graf. Wenn ich zum Beispiel meine Versicherung kündigen möchte, meinen Fitness-Studio-Vertrag, derlei gleichen alltäglicher Dinge, reicht dafür ein Fax oder reicht dafür sogar eine E-Mail aus?
Graf: Das hängt natürlich davon ab, was jetzt im Vertrag konkret geregelt ist. Das wird ja in der Regel immer individual vereinbart. Das heißt, ich muss in meinen entsprechenden Fitness-Studio-Vertrag reingucken. Da wird in den AGB in der Regel drinstehen, welches Erfordernis die Kündigung hat. Da wird dann stehen, bedarf der Textform oder bedarf der Schriftform. Wenn das Ganze der Schriftform bedarf, dann scheidet ein Fax und eine E-Mail von vornherein aus. Das geht nämlich nur mit Original-Unterschrift. Die muss dann dem Empfänger auch so zugehen. Habe ich nur eine Textform, kann ich wie gesagt auf ein Fax zurückgreifen, aber dann auch nur mit Übermittlungsprotokoll. Von einer E-Mail würde ich derzeit abraten. Da gibt es zwar die Möglichkeit der Lese- und Empfangsbestätigung. Da ist aber die Rechtsprechung sich noch nicht ganz einig, ob man das auch als Zugangsbeweis anerkennt.
Dobovisek: Wäre eine Frist gewahrt, wenn ich ein Fax senden würde mit Unterschrift drauf und ankündige, dass ein Brief nachfolgt?
Graf: Wenn ich ein Schriftform-Erfordernis habe nicht.
Dobovisek: Verstehe. Also ist es sehr, sehr schwierig für all jene, die von diesem Streik betroffen sein werden. Was, wenn sich die Post jetzt nicht einigt und das wirklich lange, lange anhält? Wie soll dieser Riesenberg an Postsendungen wie Paketen und Briefen jemals wieder abgetragen werden?
Graf: Das ist eine gute Frage. Da kann man nur darauf hoffen, dass die Post intern über ihre logistischen Vorgänge das dann entsprechend aufholt.
Dobovisek: Julian Graf, Jurist bei der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen und dort zuständig für die Postdienstleistungen. Vielen Dank.
Graf: Ja, bitte!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.