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Frankreich
Mehr als eine Million Menschen protestieren gegen Rentenreform

In Frankreich haben zum sechsten Mal landesweite Protestaktionen gegen die umstrittene Rentenreform stattgefunden. An den Streiks und Kundgebungen nahmen mehr als eine Million Menschen teil.

08.03.2023
    Das Foto zeigt eine Kundgebung gegen die Rentenreform in Toulouse. Viele Menschen mit Regenschirmen gehen über eine Brücke.
    Auch in Toulouse wurde gegen die Rentenreform protestiert. (AFP / LIONEL BONAVENTURE)
    Das Innenministerium gab die Zahl der Demonstrierenden mit knapp 1,3 Millionen an. Die Gewerkschaft CGT schätzte die Zahl auf mehr als 3,5 Millionen. Am Rande des Protestzuges in Paris kam es zu Ausschreitungen. Randalierende zerstörten Bushaltestellen und errichteten Barrikaden. Die Einsatzkräfte setzten Tränengas ein.
    Auch in anderen Städten gab es Massenkundgebungen, zum Beispiel in Toulouse (unser Foto) und in Bordeaux, wo ebenfalls zehntausende Menschen auf die Straßen gingen.

    Verkehr von erheblichen Einschränkungen betroffen

    Betroffen von den Protesten waren sowohl der Flug-, als auch der Bahn- und Busverkehr. In zahlreichen Schulen fiel der Unterricht aus.
    Zudem wurden laut der Gewerkschaft CGT die Ausfahrten aller Raffinerien blockiert. Das Energieunternehmen Total Energies betonte, die Depots an allen Tankstellen seien dennoch ausreichend gefüllt.

    Anhebung des Renteneintrittsalters auf 64 Jahre

    Auslöser der Proteste ist das Vorhaben der französischen Regierung, das Renteneintrittsalter von 62 auf 64 Jahre anzuheben. Außerdem soll die Zahl der nötigen Einzahlungsjahre für eine volle Rente schneller steigen. Mit der Reform soll ein Defizit in der Rentenkasse verhindert werden. Zudem soll die Mindestrente bei voller Beitragszeit auf 1.200 Euro angehoben werden.

    Gesetz wird im Senat debattiert

    Der entsprechende Gesetzesvorschlag wird derzeit im Senat debattiert. Die Beratungen des Senats sollen noch bis zum Ende der Woche dauern. Anschließend tritt eine Kommission aus Senatoren und Abgeordneten zusammen. Sollte die Reform im Parlament scheitern, könnte die Regierung ihre Umsetzung anordnen.

    Ökonom schlägt Beitragserhöhung vor

    Der französiche Ökonom Henri Sterdyniak von der Pariser Eliteuniversität Sciences Po hält die Reform für nicht unbedingt notwendig. Das Rentensystem in Frankreich sei aktuell ausgeglichen und auch die weitere Entwicklung sei unter Kontrolle, sagte er im Deutschlandfunk. Die demografische Entwicklung in Frankreich verlaufe wegen einer höheren Geburtenrate weniger dramatisch als in anderen Ländern. Ein Finanzierungsproblem für die Rente ergebe sich erst auf mittlere Sicht, sagte er.
    Sterdyniak schlug dagegen vor, die Rentenbeiträge etwas zu erhöhen, statt die Arbeitsdauer immer weiter auszuweiten. Die Franzosen hätten das Recht, selbst zu entscheiden, dass sie im Laufe ihres Berufslebens etwas mehr Rentenbeiträge zahlten statt das Renteneintrittsalter nach hinten zu verschieben.
    Diese Nachricht wurde am 07.03.2023 im Programm Deutschlandfunk gesendet.