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Streit über die umweltfreundliche Energiegewinnung aus Kohle

Die Klimabelastung ist - neben der Landschaftsverschandelung - die Achillesferse der Kohleverstromung. Mit der CCS-Technologie soll das schädliche Kohlendioxid abgetrennt und unter der Erde gelagert werden. Doch es bleiben viele Fragezeichen.

Von Dieter Nürnberger |
    Das derzeit wichtigste Fragezeichen hinter der CCS-Technologie, nämlich der künftige rechtliche Rahmen in Deutschland, wurde sicherlich nicht ausgeräumt. Das ist eine politische Entscheidung, die nach dem Scheitern eines entsprechenden Kabinettsentwurfes der Bundesregierung vor zwei Monaten ja immer noch aussteht.

    Auf der heutigen Veranstaltung in Berlin geht es auch gar nicht so sehr um die Argumente Pro und Kontra - sondern es ist eher eine Bestandsaufnahme der gegenwärtigen Situation, wobei Umweltverbände, die zu den Hauptkritikern dieser Zukunftstechnologie gehören, auch nicht groß vertreten waren.

    Michael Donnermeyer, der Geschäftsführer des Informationszentrums Klimafreundliches Kohlekraftwerk, fasste die Argumente der Befürworter zu Beginn der Tagung noch einmal zusammen. Es ist vor allem der globale Blick auf den künftigen Energiehunger der Welt, der zu den Hauptargumenten der Befürworter gehört.

    "Der Grund dafür ist ganz einfach der Anstieg der Weltbevölkerung. Das kann man kaum stoppen. Und dass die großen Länder, China und Indien beispielsweise, sich auf den Weg machen, denn wir schon seit 150 Jahren gehen. Niemand wird diese Länder aufhalten. Wir haben keine Macht zu tun, und auch nicht das Recht. Das bedeutet für die Stromerzeugung, es betrifft also den relevanten Teil der CO2-Emissionen weltweit, dass wir bis 2030 sogar eine Verdopplung des Strombedarfs haben werden."

    Weil der Energiehunger auf jeden Fall zunehme, so Donnermeyer, brauche man künftig sämtliche Optionen, um den Ausstoß von Kohlendioxid zu begrenzen. Dazu gehört aus seiner Sicht der Ausbau der Erneuerbaren Energien, Maßnahmen zur Energieeffizienz ebenso, aber auch eine Reduktion durch CCS bei Kohlekraftwerken. Denn ohne Kohle werde es künftig nicht gehen. Vielleicht einmal in Deutschland, aber eben nicht weltweit..

    Im Vorfeld der Konferenz bekräftigten Umweltverbände noch einmal ihre Ablehnung. So sagt Tina Löffelsend, sie ist Klimaexpertin beim Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland, dass es ja noch nicht feststehe, ob die Technik einmal verwirklicht werden könne.

    "Selbst, wenn man davon ausgeht, dass CCS einmal einsatzfähig sein wird, werden damit die Kohle und somit auch die Kohlekraftwerke nicht sauber. De facto sogar dreckiger, denn der Einsatz der Kohle ist hier notwenig und der Wirkungsgrad der Kraftwerke sinkt um bis zu zehn Prozent. Das heißt, die Emissionen nehmen zu. Der Sockel wird somit immer größer. Wenn CCS wirklich einsatzfähig würde, könnten wir die Klimaschutzziele in Zukunft nicht erreichen."

    Die meisten Umweltverbände plädieren deshalb sofort für emissionsarme Technologien wie den Ausbau der Erneuerbaren Energien, statt eine schmutzige Energieerzeugung nachträglich sauberer machen zu wollen. Auch die Kosten dafür seien sehr hoch.

    Interessant deshalb heute einen Vortrag von Michal Schlesinger, er ist Direktor der Prognos AG in Basel. Die Beratungsgesellschaft hat nämlich nachgerechnet, welche gesamtwirtschaftlichen Folgen die Nutzung der CCS-Technologie bringen würde. Hierfür wurden verschiedene Szenarien entwickelt, aber die Hauptaussage der Studie ist, dass allein aus wirtschaftlicher Sicht positive Effekte zu erwarten seien. Michael Schlesinger.

    "Wenn CCS zur Verfügung steht, dann heißt dies, dass weniger Gaskraftwerke gebaut würden. Dafür natürlich neue Stein- und Braunkohlekraftwerke. Man wird daher auch weniger Ausgaben für importierte Brennstoffe haben. Zudem wird die CO2-Reduktion im Kraftwerkspark günstiger. Wenn wir CCS nicht zur Verfügung haben, liegt der CO2-Preis für eine Tonne im Jahr 2030 bei rund 70 Euro. Mit der CCS-Technologie rechnen wir mit einem Preis von rund 55 Euro. Der Strompreis wird zwischen 17 und 20 Prozent niedriger liegen. Es führt auch zu Beschäftigungseffekten - mit CCS wären diese deutlich höher als ohne."

    Die gesamtwirtschaftliche Kalkulation der Prognos AG war sicherlich ein neuer Aspekt in der Debatte um die Abscheidung von Kohlendioxid in Kohlekraftwerken und die damit verbundene spätere Speicherung des Klimagases.

    Politisch rechnet man derzeit nicht mehr mit einem neuen Rechtsrahmen innerhalb dieser Legislaturperiode, es sind ja nur noch wenige Wochen. Aber je nach Wahlausgang könnte ein Rahmengesetz schon bald danach kommen. Bundeskanzlerin Angela Merkel und auch der Bundeswirtschaftsminister gehören - nach eigenen Bekundungen - zu den Unterstützern einer künftigen Nutzung der CCS-Technologie.