Freitag, 19. April 2024

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Streit um Bratwurstmuseum
Ignoranz und Geschichtsvergessenheit?

Ein Bratwurstmuseum an der Stelle eines KZ-Außenlagers? Diese Pläne im nordthüringischen Mühlhausen haben für Kritik gesorgt, nun prüft die Stadt alternative Standortmöglichkeiten. Doch wie kam es überhaupt zu den Plänen - und ist Mühlhausen eine geschichtsvergessene Stadt?

Henry Bernhard im Gespräch mit Claudia Hennen | 01.02.2019
    Stacheldrahtzäune des ehemaligen KZ Buchenwald in Weimar im Winter.
    Das KZ Buchenwald unterhielt viele sogenannte Außenlager - in dem Außenlager bei Mühlhausen wurden rund 700 jüdische Frauen gefangen gehalten (picture alliance / Jan Woitas)
    Claudia Hennen: Wie kam die Stadt eigentlich auf diesen Standort?
    Henry Bernhard: Mühlhausen ist eine kleine Stadt mit 36.000 Einwohnern. Da gibt es drei ehemalige Militärstandorte und es stellt sich die Frage, wie soll die Stadt damit umgehen. Das Gelände steht leer, ist verwildert, liegt am Stadtrand, es gäbe ausreichend Parkkapazitäten für das Museum. Und: Es geht ja auch um Tourismus und um eine Millionen-Investition. Ich kenne das Gelände aus NVA-Zeit, als ich dort Soldat sein musste. Interessanterweise hieß es in der DDR "B-Lager"– das war – wie ich heute erfahre – auch die Bezeichnung für das KZ.
    Das Außenlager war übrigens in der DDR kein Thema. Es wäre aber günstig gelegen: Man stört niemand in der Nachbarschaft. Das Bratwurstmuseum sagt, das jetzige Gelände sei zu klein, es gebe zu wenig Parkmöglichkeiten, denn im Sommer kämen dort Gäste busladungsweise, und deshalb möchte man nach Mühlhausen ausweichen.
    "Sensibilität im Umgang mit Vergangenheit ist nicht immer da"
    Hennen: Die Kritik an dieser Entscheidung reißt nicht ab. Lässt die Stadt das kalt?
    Bernard: Ich glaube nicht, dass die Stadt das kalt lässt. Mühlhausen stellt sich ja Geschichte, auch seiner jüdischen Geschichte. Es gibt dort die einzige geweihte Synagoge in Thüringen außerhalb von Erfurt, allerdings keine Gemeinde, aber eine Begegnungsstätte.
    Johannes Bruns, Bürgermeister ist im MDR mit folgenden Worten vor die Kamera getreten: "Die Stadt Mühlhausen ist da wirklich auch sehr feinfühlig, auch in der ganzen Thematik der Erinnerungskultur. Wir gedenken dem 27. Januar, dem 9. November, wir haben Stolpersteine verlegt."
    Es gibt nun auch eine Stele am Waldrand zum Gedenken an das KZ Buchenwald. Aber die Sensibilität im Umgang mit Vergangenheit ist nicht immer da.
    So wurde bei einer Pressekonferenz gesagt, die Frauen hätten dort nur geschlafen. Außerdem steht Bratwurstwurstmuseum - das steht für Schweinefleisch – das Nahrungstabu im Judentum.
    Aber das Außenlager ist nun auch kein Einzelfall. Es gab 136 Außenlager des KZs Buchenwald, das hat sich wie eine Krake ausgebreitet. Der Trägerverein sagt: "Wir wussten nichts von dem Ganzen". Es ist also eine Mischung aus Unwissenheit, Ignoranz und auch ein bisschen Geschichtsvergessenheit.
    Hennen: Will denn die Stadt das nun weiter aufarbeiten - das Schicksal der Frauen, die dort inhaftiert waren?
    Bernard: Von solchen Plänen habe ich bislang noch nichts gehört, dass es weitere Aufarbeitung geben soll. Aber da kann sich natürlich einiges entwickeln. Es gibt jetzt Gespräche zwischen Stadt und Staatskanzlei, der Staatskanzlei-Minister ist gleichzeitig auch Antisemitismus-Beauftragter des Landes. Da kann sich durchaus noch etwas bewegen in diese Richtung.
    "Ein Event, das zum Fremdschämen einlädt"
    Hennen: Was sagt denn die Gedenkstätte Buchenwald dazu?
    Bernard: Die Gedenkstätte Buchenwald sieht das Ganze natürlich kritisch. Die sagt: "Wie kann man an so einem Ort ein Museum ansiedeln?"
    So ist die allgemeine Reaktion darauf: So kann es nicht gehen. Reinhard Schramm, Jüdische Gemeinde, sagte dazu: "Da hat jemand nicht verstanden, was es bedeutet, in einem KZ eingesperrt zu sein".
    Und zum Thema Schlaflager sagte er: "Natürlich gehört auch die Schlafstätte, egal wie sie war, zu einem Konzentrationslager. Wenn ich daran denke, dass mein Onkel oder meine Schwester oder meine Großmutter umgebracht worden sind, da haben die auch vorher auf Schlafstätten geschlafen. Was soll denn das heißen?"
    Problematisch ist vor allem, dass Bratwurstmuseum ist so eine Art Erlebniswelt Bratwurst, betrieben von Verein – so etwas ähnliches wie Autostadt von VW, also Werbung mit Eintritt. Der Vorsitzende ist der Cheflobbyist der Thüringer Fleischwirtschaft. Dort soll es eine begehbare Bratwurst geben, einen begehbaren Grill, ein goldenes Schwein, eine Bratwurstkanone, einen Bratwurst-Song-Contest, ein Event, das ohnehin schon zum Fremdschämen einlädt - und das auf diesem Gelände zu etablieren zu wollen, ist schon bedenklich.
    Hennen: Also ein richtiges Event, das Museum?
    Bernard: Es ist ein richtiges Event. Das Museum steht nur am Rand. Es geht darum, auf diesem Gelände Geld zu verdienen und Werbung für die Thüringer Fleischwirtschaft und für die Bratwurst zu machen.
    Hennen: Noch gibt es ja keinen Bebauungsplan. Wie wahrscheinlich ist es, dass die Stadt oder der Museumsbetreiber noch zurückrudern?
    Das ist ziemlich wahrscheinlich. Denn es gibt jetzt Gespräche, auch Reinhard Schramm, Vorsitzender jüdische Gemeinde, sagte, sie hätten sich gestern getroffen, er und der Oberbürgermeister und auch die Leute vom Bratwurstmuseum. Es wird jetzt darüber nachgedacht, und es gibt ja auch die Gespräche zwischen Stadt und Staatskanzlei, dass man nach einem Ausweichort sucht. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das Bratwurstmuseum auf diesem Gelände gebaut werden wird.
    Nach der Kritik an den Plänen für ein Bratwurstmuseum auf dem Gelände eines ehemaligen KZ-Außenlagers im nordthüringischen Mühlhausen prüft die Stadt nun alternative Standortmöglichkeiten.

    Das Bratwurstmuseum ist bislang in Holzhausen bei Arnstadt und soll von dort nach Mühlhausen umziehen. Die am Mittwoch (30.01.2018) bekanntgewordenen Standortpläne hatten für Diskussionen gesorgt. Seit 2008 besitzt nach Angaben der Stadt ein privater Investor das Gelände am nordöstlichen Rand des Stadtwalds in Mühlhausen. Zuvor war das Gelände im Besitz des Bundes. In dem ehemaligen Außenlager des Konzentrationslagers Buchenwald wurden von September 1944 bis Februar 1945 rund 700 jüdische Frauen hauptsächlich aus Ungarn und Polen gefangen gehalten. Sie mussten Zwangsarbeit für einen Rüstungsbetrieb leisten. (dpa)