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Streit um den Fisch im Netz

Eine neue EU-Richtlinie zum Fischfang macht den Fischern im Mittelmeerraum das Leben schwer. Großmaschigere Netze bedeuten weniger Fang. Also gilt es, Alternativen zur Einkommenssicherung zu finden.

Von Stephanie Eichler |
    Es ist noch stockdunkel, als das Fischerboot der Familie Mas aus dem Hafen Palma de Mallorca ausläuft. Die Motoren dröhnen so laut, dass sich die Besatzung nur noch über Handzeichen verständigen kann. Eine gute Stunde vom Hafen entfernt, wirft die kleine Mannschaft das Netz aus.

    Als es schon längst hell ist, ziehen der 24-jährige Daniel Mas und zwei Hilfsarbeiter ein paar zappelnde Fische hoch. Eine magere Ausbeute, meint Daniels älterer Bruder Manuel Mas, der seit kurzem der Kapitän des Schiffs ist:

    "Das sind Dinge, die dich ärgern. Aber es lässt sich nicht ändern. Es gibt eben nur das, was es gibt!"

    Viel verdient Familie Mas nicht am Fischfang. Der Wochengewinn pro Familienmitglied schwankt zwischen 50 und 400 Euro. Doch die weggeworfenen Plastiktüten und -becher, Getränkeflaschen und Dosen, die im Mittelmeer treiben, könnten ab kommendem Jahr für zusätzliche Einnahmen sorgen: Die Fischer Mallorcas beraten gerade mit dem mallorquinischen Umweltministerium.

    Sie haben angeboten, den Müll in den Küstengebieten abzufischen, um so die Strände sauber zu halten. Zusätzlich könnte dadurch der Fischbestand geschützt werden, der durch den Müll bedroht ist. Ölfässer, Eimer mit Lacken und Farben und Benzinkanister würden achtlos im Meer versenkt, erzählt Rafael Mas, der Vater:

    "Du kannst dir nicht vorstellen, wie es ist, wenn du den ganzen Tag gearbeitet hast und dann alles wegschmeißen musst, weil der Fisch voller Farbe ist! Und das, weil irgendein feiner Herr nur die Hälfte seines Farbeimers gebraucht hat und dann nicht wusste, wohin mit dem Rest. Da schmeißt er ihn halt ins Meer."

    Zum frühen Mittagessen an Bord gibt es fangfrischen Fisch. Dann wird das Netz wieder ausgeworfen. Nach dem Willen der EU soll es künftig großmaschiger sein, damit junge, kleine Fische durch die Maschen fallen, im Meer bleiben und sich fortpflanzen. Außerdem darf der Faden, aus dem das letzte Teilstück des Netzes besteht, höchstens drei Millimeter dick sein. Darüber ärgert sich Vater Rafael Mas:

    "Hör mal, ich will ja gar keine kleinen Fische fangen! Die kann ich überhaupt nicht verkaufen. Aber je feiner der Faden, desto eher entkommen auch große Fische, denn sie verheddern sich im Netz und machen es kaputt."

    Ein Gremium, das innerhalb der EU die Fischer aller europäischen Mittelmeerländer vertritt, ist gerade im Entstehungsprozess. Es soll sich für die Beibehaltung der jetzigen Fadenstärke einsetzen. Für Rafael Mas steht jetzt schon fest: auch nach dem Stichtag am 1. Juni wird er mit seinem alten Netz weiterfischen, auch wenn ihm das eine Strafe einbringen kann. Netze die den neuen Richtlinien entsprechen, hält er für Únsinn:

    "Wir Fischer werfen unsere Netze aus, um Fisch zu fangen und nicht, damit der Fisch wieder durch die Löcher entkommt. Da könnten wir uns die Arbeit ja sparen. Sollen sie uns doch gleich sagen: Hört auf mit der Fischerei!"

    In der Jugend von Rafael Mas gab es noch wesentlich mehr Fische im Mittelmeer. Anders als die Brüsseler Kommission denkt Mas, dass sich der Fischbestand zumindest rund um die Küste Mallorcas von selbst wieder erholen wird, denn es gebe nur noch wenige Fischer. Nur das Wasser, das sollte sauberer sein, findet sein Sohn Manuel:

    "Die Leute haben zu wenig Respekt vor dem Meer. Ich verstehe nicht, warum man Farbeimer im Meer versenken muss!"

    Zurück an Land bringt Kapitän Manuel den Müll von heute, Plastikfetzen und -tüten, Dosen und Flaschen zu den großen Containern, neben denen noch das verrostete Ölfass von gestern steht.