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Streit um eine Gen-Kartoffel

Die EU-Umweltminister befassen sich morgen mit "Amflora", einer gentechnisch veränderten Stärkekartoffel aus dem Hause BASF. Sie könnte als erste Genpflanze seit 1998 zugelassen werden. Dass die Kartoffel aber bereits in Deutschland angebaut wird, verärgert Umweltschützer.

Von Dieter Nürnberger |
    Der Hintergrund dieser Geschichte um die Gen-Kartoffel "Amflora" ist recht verwirrend - seit Jahren schon gibt es ein Hin und Her im Genehmigungsverfahren. So rechnete "BASF Plant Science", der Erfinder oder Hersteller dieser Industriekartoffel, schon für die Pflanzsaison 2007 mit einer Genehmigung. Doch hier legte die EU-Kommission das Verfahren wegen Sicherheitsbedenken erst einmal auf Eis. In Deutschland jedoch gab es im Mai dieses Jahres dann doch eine Genehmigung für den Anbau, deklariert als Freisetzung. Und dieses Hin und Her und auch diese deutsche Genehmigung ließ bei Umweltverbänden die Alarmglocken schrillen. Denn man befürchtet eine Art Präzedenzfall - Hubert Weiger, der agrarpolitische Sprecher des BUND.

    " Es wurde ja bereits schon im vergangenen Jahr von "BASF" der Antrag auf Zulassung gestellt. Dieser ist von der EU zurückgewiesen worden. Und jetzt kommt das Entscheidende: Das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit hat nun eine Freisetzungsmaßnahme akzeptiert. Wo auf einer Fläche von 155 Hektar diese Industriekartoffel angebaut werden darf. Und das alles im Vorgriff auf die erhoffte Zulassung auf europäischer Ebene. "

    Und zur Überraschung vieler Experten kam das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit zu der Sicherheitsbewertung, dass von dem Freisetzungsversuch keine schädlichen Einflüsse auf Menschen oder Tiere sowie auf die Umwelt zu erwarten seien. Allerdings wurden auch Sicherheitsabstände beim Anbau festgelegt und es soll auch eine Nachkontrolle geben, ob eventuell nicht doch Auswirkungen zu beobachten sind. Dieses Bundesamt ist die national zuständige Behörde in Deutschland für gemeinschaftliche Genehmigungsverfahren der EU zum Inverkehrbringen gentechnisch veränderter Organismen. "Amflora" - diese umstrittene Genkartoffel - ist nicht für die Nahrungsaufnahme bestimmt, sondern sie ist eine Industriekartoffel. Heike Moldenhauer, die Gentechnikexpertin des Bundes für Umwelt und Naturschutz.

    " Sie enthält nur eine Stärkeart, sie soll eingesetzt werden für die Produktion von Papier und Klebstoff. Es gibt überhaupt keine Untersuchungen auf die Umweltwirkungen dieser Kartoffel. Und es gibt vor allem gar keine Untersuchungen in Bezug auf die Auswirkungen auf Lebewesen im Boden. Das stimmt uns bedenklich, denn es bleiben stets bis zu 30.000 Knollen je Hektar nach der Ernte zurück. Es ist überhaupt nicht untersucht worden, was passiert, wenn diese Knollen auf dem Acker verrotten. Und vor allem: Was passiert, wenn sie ihre Antibiotika-Resistenz-Gene in den Boden abgeben? "

    Der BUND wollte es aufgrund der deutschen Freisetzungsgenehmigung ganz genau wissen und hatte eine gutachterliche Stellungnahme in Auftrag gegeben, ob eine solche Freisetzung auch auf einer so großen Fläche rechtlich überhaupt konform sei. Es geht immerhin um 155 Hektar in Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern. Und dieses Gutachten sorgte denn doch für Überraschung und Enttäuschung bei den Auftragsgebern. Heike Moldenhauer.

    " Wir haben untersuchen lassen, ob es unter dem Etikett Freisetzung möglich ist, eine Kommerzialisierung des Anbaus vorzubereiten. Wir haben gedacht, dass dies nicht möglich sei. Es ist aber möglich! Es gibt bei der Freisetzung überhaupt keine Flächenbeschränkung. Somit könnten noch ganz andere Freisetzungen - auch auf noch größerer Fläche - vorgenommen werden. "

    Das heißt, dass man rechtlich gegen diese Freisetzungsgenehmigung nichts unternehmen kann. Und deshalb richtet die Umweltorganisation nun das Augenmerk auf die Politik. Man fordert Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) auf, auf der morgigen Sitzung des EU-Ministerrates in Luxemburg gegen den Anbau der Gen-Kartoffel "Amflora" zu stimmen. Ein Ja des Ministerrates würde erstmals seit 1998 wieder die Zulassung einer gentechnisch veränderten Pflanze bedeuten. Damals war es die Reisesorte "MON 810" des Herstellers "Monsanto". Und auch hier, so der BUND, hätten sich nachträglich viele Befürchtungen bestätigt, denn "MON 810" gelte inzwischen als giftig für Schmetterlinge.