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Strom von morgen

Die Bundesnetzagentur befürchtet Stromausfälle, weil die Netze auf den schnellen Ausbau erneuerbarer Energien nicht eingestellt sind. Trockenperioden und Windflauten könnten zusätzlich das Angebot verknappen. Wie Kraftwerke und Stromnetze in Zukunft aussehen müssen, um eine sichere Versorgung zu gewährleisten, war Thema einer internationalen Pressekonferenz in Berlin.

Von Dieter Nürnberger | 03.04.2008
    Die Frage, ob es künftig in Deutschland eine Lücke bei der Stromversorgung geben wird, ist unter Experten recht umstritten. Aber klar ist auch, dass es erheblicher Anstrengungen bedarf, um auch künftig eine lückenlose Energieversorgung zu gewährleisten. Ein Anlass für die Debatte war ja eine Studie der Deutschen Energieagentur, vor zwei Wochen bereits veröffentlicht, und der Chef der Dena, stellte soeben hier in Berlin klar, dass er nicht vor Stromausfällen gewarnt habe, sondern lediglich dafür sensibilisieren wollte, sich des Themas verstärkt anzunehmen. Untersucht wurden die Kapazitäten des gegenwärtigen Kraftwerkparks in Deutschland und auch die Folgen des Klimaschutzprogramms der Bundesregierung bis zum Jahr 2020. Stephan Kohler, der Geschäftsführer der Energieagentur:

    "Wenn man dies unterstellt, und dann die heute im Bau befindlichen Kraftwerke dagegen setzt, dann kommen wir zu der Annahme, dass im Jahr 2020 ungefähr eine Kraftwerksleistung von 11.000 Megawatt fehlen wird. Was aber nicht heißt, dass die Lichter ausgehen, sondern es ist die klare Aussage, dass alte, bestehende Kraftwerke wohl länger laufen müssen - mit höheren CO2-Emissionen und mit höheren Kosten. Das ist unsere Analyse."

    Aber bis dahin sollte eben auch noch Einiges in Deutschland in die Netze investiert werden, damit diese analysierte, theoretische Situation erst gar nicht eintritt. Technische Innovationen seien dazu ein entscheidender Hebel, um dem Klimawandel auch auf der Versorgungsebene zu begegnen. Und dazu dient ja auch die heutige Pressekonferenz hier in Berlin, es soll ein Welt-Energie-Dialog angeschoben werden. Gegenwärtig sei die Situation so, dass allein in Deutschland 40.000 Megawatt fossile und nukleare Kraftwerkskapazität ersetzt werden müssen. Nur, sagt Stephan Kohler, sei da derzeit eine Art Blockade spürbar. Es gehe nicht so recht voran, weil folgende Situation herrsche:

    "Wir haben hohe Anlagenpreise, weil derzeit weltweit eine enorme Nachfrage nach neuen Kraftwerken besteht. Deshalb sind die Anlagenpreise extrem gestiegen. Zweiter Punkt: Wir haben teilweise einen massiven Widerstand der Öffentlichkeit gegen den Bau neuer Kraftwerke. Das führt dazu, dass manche Kraftwerksprojekte abgesagt werden. Und: Wir haben zudem aufgrund des Emissionshandels Probleme. Denn ab 2012 sollen ja 100 Prozent der CO2-Zertifikate versteigert werden. Deswegen gibt es eine Unsicherheit im Markt, die einzelnen Investoren können nicht abschätzen, wohin der CO2-Preis geht. Sie wissen. ob es sinnvoller ist, ein Kohlekraftwerk zu bauen oder auch ein Erdgaskraftwerk."

    Weltweit gäbe es zudem einen steigenden Energiehunger, auch durch die Boom-Entwicklung in China oder Indien. So könnte sich der Energiebedarf global - von heute aus betrachtet - bis 2030 verdoppeln. Klaus Töpfer, der ehemalige Bundesumweltminister, ist Vorsitzender dieses "World Energy Dialogue". Er sieht auch eine andere, künftige Struktur in der Energieversorgung, allerdings gäbe es keine Patentrezepte, die für jedes Land Gültigkeit hätten:

    "Wir werden dazu kommen müssen, auch viele dezentrale Energiequellen zu nutzen. Das ist schon jetzt klar absehbar. Wie nutzen wir Abfälle, wie nutzen wir Abwässer, wie nutzen wir die Erdwärme? - und vieles mehr. Da gibt es aber in China oder auch Indien wieder andere Strukturen. Da brauchen wir wohl auch noch viele zentrale Lösungen. Die dann allerdings auch mit technologisch besten Lösungen verbunden sein müssen, etwa mit höchster Effizienz."

    Und um diese verbesserte Effizienz wird derzeit schon gerungen. Technologische Lösungen gäbe es bereits, beispielsweise um den Leistungsverlusten in Netzen Herr zu werden. Sieben Prozent der Energie gehen ja immer noch europaweit bei der Durchleitung verloren. Wolfgang Dehen ist Mitglied des Vorstands der Siemens AG:

    "Stichwort ist hier 'smart grid'. Hier kommt Hochleistungselektronik mit in das Spiel. Wir haben hier einen Technologieschub, der sicherlich auch zum Umdenken führen muss, in Bezug auf die Netzverlegung, auf eine zentrale oder dezentrale Struktur. Dies ist dann im Einzelfall zu entscheiden, am jeweiligen Land orientiert."

    Aber immerhin könnten mit modernsten Hochspannungs-Gleitstrom-Übertragungsnetzen rund 50 Prozent dieser gegenwärtigen Leistungsverluste in den Netzen vermieden werden.

    Diese notwendige Diskussion über eine effizientere Nutzung der Netze soll nun verstärkt geführt werden. Die Hauptveranstaltung des "World Energy Dialogue" findet am 22. und 23. April mit internationalen Vertretern auf dem Messegelände in Hannover statt.