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Stromintensive Betriebe könnten Befreiung verlieren

Nachdem ein Gericht und die EU-Kommission Anstoß an den Netzentgeltbefreiungen für Stromfresser genommen haben, erwägt das Bundeskabinett nun offenbar, die Privilegien zurückzunehmen. Robert Busch, Geschäftsführer beim Bundesverband Neuer Energieanbieter, hält das für den falschen Anreiz.

Robert Busch im Interview mit Christian Bremkamp | 30.05.2013
    Christian Bremkamp: Neben den höchst umstrittenen Kampfdrohnen für die Bundeswehr ging es gestern im Bundeskabinett auch um Änderungen am Energie-Wirtschafts-Recht. Die sind nötig geworden, nachdem nicht nur ein Gericht, sondern inzwischen auch die EU-Kommission Anstoß an der Netzentgeltbefreiung auch für stromintensive Betriebe genommen hat. Damit könnte es nun bald vorbei sein. In dem jetzt beschlossenen Entwurf heißt es nämlich, Zitat: "Für die energieintensive Industrie wird ein reduziertes Netzentgelt wieder eingeführt."

    Robert Busch, Geschäftsführer des Bundesverbandes Neuer Energieanbieter, ist das jetzt die komplette Rolle rückwärts?

    Robert Busch: Das muss man sehen, wie man es nimmt. Das Gericht hatte ja die vollständige Befreiung untersagt und nun hat die Politik sich gezwungen gesehen, jetzt eine Alternativregelung zu machen und hat eine Regelung gefunden, wo man eben dann zehn Prozent zahlt statt gar nichts, also eine weitgehende Befreiung hat. Das Problem an der Geschichte ist, dass das natürlich nach wie vor die falschen Anreize setzt. Das ist ein rein industriepolitischer Ansatz, der der Industrie das Leben in Deutschland leichter machen soll in Zeiten der Energiewende. Was wir aber eigentlich brauchen, ist ein Anreiz, dann die Energie zu verbrauchen, wenn sie von den fluktuierenden Erneuerbaren bereitgestellt wird. Also, wenn viel Windstrom im Netz ist, dass man dann die Produktion fährt und nicht, wenn wenig Windstrom im Netz ist. Das leistet diese Verordnung überhaupt nicht, sondern sie reizt die Unternehmen an, möglichst hohe Benutzungsstunden-Dauer und damit viel Verbrauch zu machen, um wenig Netzentgelte zu zahlen.

    Bremkamp: Den betroffenen Unternehmen dürfte die Neuregelung trotzdem nicht schmecken. Sie müssen ja bezahlen, wenn auch verhältnismäßig wenig. Haben Sie in dem an vielen Stellen ziemlich verklausulierten Text andere Bonbons entdeckt? Stichwort Renditen?

    Busch: Ja, in der Tat. Da ist nicht nur ein Bonbon, da ist sogar eine dicke Praline drin, denn bei der Gelegenheit hat man gleich mal die Netzentgelte angehoben, in dem man nämlich die Eigenkapitalverzinsung angehoben hat. Früher gab es da eine Unterscheidung zwischen Alt- und Neuanlagen bei den Netzen. Die ist jetzt rausgenommen worden und sozusagen zugunsten der höheren Verzinsung angeglichen worden. Die Netzbetreiber freut das natürlich sehr, für die Verbraucher ist das natürlich schlecht und für uns Händler auch, weil wir müssen natürlich höhere Netzentgelte zahlen.

    Bremkamp: Für den Verbraucher warum schlecht?

    Busch: Ja, grundsätzlich sind alle Kosten, die im Rahmen der Energiewende – ob im Netz oder im Vertrieb oder im EEG oder sonst wo anfallen – Kosten, die irgendwann im Preis der Energie beim Verbraucher aufschlagen. Es gibt ja keine Kosten, die irgendwo unterwegs versickern, sondern alle Kosten, die irgendwo verursacht werden, landen hinterher im Gesamtpreis beim Verbraucher und das heißt, wir zahlen das alle zusammen.

    Bremkamp: Noch muss der Bundesrat zustimmen. Glauben Sie, dass diese Verordnung so durchkommen wird, dass das quasi jetzt schon Gesetz ist?

    Busch: Na ich will hoffen, dass das nicht so ist. Wir werden da auch unsere Kräfte dransetzen. Wir brauchen bei den Netzen zwar Investitionen, das heißt, die Netze müssen sicherlich Geld ausgeben. Aber es muss sinnvoll sein. Der Effizienzgedanke, wie ist ein effizientes Netz? Muss das in der jetzigen Struktur sein? Wo kann man auch mal Kosten sparen? – Der ist überhaupt nicht enthalten. Das heißt, es geht nur in die eine Richtung, die andere Richtung ist vollständig vergessen und wir werden natürlich die entsprechenden Personen darauf aufmerksam machen und hoffen, dass sie da das Schlimmste verhindern und am besten, was Vernünftiges reinschreiben, sodass die Energiewende nicht nur ein Kostensteigerungs-Programm ist.

    Bremkamp:Was wäre denn aus Ihrer Sicht vernünftig?

    Busch: Ja, vernünftig ist zu fragen: wenn wir in die Netze investieren müssen, was unbestritten ist, weil die Netze Aufnehmernetze für erneuerbare Energien sind. Das waren sie früher nicht, da waren Verteil-Netze für konventionellen Strom. Das heißt, da muss Technik rein. Technik ist teuer. Die Frage ist, muss die Technik in tausend kleine Netzchen rein oder kann man da nicht effizientere Strukturen einfordern? Es gibt ja Untersuchungen vom WIK-Institut in Bonn, die gesagt haben: Fünf Milliarden Euro pro Jahr kostet uns diese ineffiziente Struktur in Deutschland. Und das ist ja ein Betrag – selbst wenn er nicht ganz richtig ist – aber die Tendenz ist ja richtig, dass man da mal überlegen muss: Kann man da nicht was tun? Da kann man ja sicherlich Zusammenschlüsse oder eine gemeinsame Systemführung oder Ähnliches einfordern, dass wir einfach alle mal merken, da ist Modernität drin. Ich meine, das sind die Strukturen der Kaiserzeit, mit denen wir diese Energiewende machen. Da muss ja mal irgendwann eine Modernität und eine höhere Effizienz rein.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.