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Strukturwandel und zu wenig Beitragszahler

Die bäuerliche Alterskasse steckt in argen Schwierigkeiten. Die Finanznot in diesem Zweig der landwirtschaftlichen Sozialversicherung ist - relativ gesehen - sogar noch gravierender als in der allgemeinen Rentenkasse. Ohne milliardenschwere Zuschüsse aus Berlin kommt das landwirtschaftliche Rentensystem schon längst nicht mehr über die Runden.

Von Frank Politz |
    Auf der betrieblichen Ausgabenseiten von Jürgen Hirschfeld, einem Vollerwerbslandwirt ist die Summe allmonatlich ein fester Posten, seit langem schon.

    "Ich zahle jetzt seit 22 Jahren ein muss also auch noch 20 Jahre einzahlen. Das ist der wesentliche Bestandteil meiner Alterssicherung. "

    Die Rede ist vom Rentenpflichtbeitrag, den jeder deutsche Bauer entrichten muss, jeweils an seinen regional zuständigen landwirtschaftlichen Sozialversicherungsträger. Dabei handelt es sich um ein eigenständiges System, bestehend aus bundesweit gegenwärtig neun Häusern. Egal, wo sie angesiedelt sind - überall heißt deren Aufgabe: Organisation und Verwaltung der bäuerlichen Zahlungen zur Krankenkasse, zur Berufsgenossenschaft, zur Pflegekasse und eben zur Alterssicherung. Für die sind per Gesetz Einheitsbeiträge festgesetzt worden. Demnach muss ein ostdeutscher Landwirt derzeit pro Monat 168 Euro aufbringen, ein westdeutscher 199 Euro, so wie der anfangs gehörte Jürgen Hirschfeld. Dessen Vorsorgeaufwendungen für den späteren Ruhestand gehen an die landwirtschaftliche Sozialversicherung Niedersachsen-Bremen. Leitender Verwaltungsdirektor dort ist Hans Georg Seibert. Der, ebenso wie seine Kollegen, bei den anderen Trägern eine negative Tendenz zu verzeichnen hat.

    "Wir haben derzeit bei unserer Alterskasse einen Rückgang der Betriebe, der zwischen vier und fünf Prozent pro Jahr liegt. Und es ist nicht zu sehen, dass sich diese Entwicklung in nächster Zeit nachhaltig ändern oder verbessern könnte. "

    Das heißt für den Bereich Niedersachsen-Bremen auf ziemlich genau 50.000 Beitragszahler kommen inzwischen doppelt so viele, nämlich 100.000 Altersgeldempfänger. Ein kritisches Verhältnis also von 1:2 und bei allen anderen landwirtschaftlichen Sozialträgern in Deutschland sieht es nahezu ebenso aus. Im Vergleich zur gesetzlichen Rentenversicherung der Angestellten oder Arbeiter ist somit die Situation der bäuerlichen Alterskasse noch schlimmer und sie droht sich weiter zu verschärfen. Die beiden Hauptgründe: Erstens: der fortdauernde Strukturwandel führt absehbar zu weiteren Betriebsaufgaben, was wiederum zur Folge hat, dass es noch weniger Beitragszahler geben wird. Zweitens: die demographische Entwicklung: auch Bauern werden im Schnitt immer älter, beziehen mithin länger Pensionen. Dass vor diesem Hintergrund das System der landwirtschaftlichen Altersrente nicht schon kollabiert ist, liegt allein an Bundesmitteln. Sie machen auf der Einnahmeseite bereits seit längerem den Hauptteil aus. Berlin, konkret das Verbraucherschutzministerium ist nach der Agrarsozialreform von 1995 allerdings auch dazu verpflichtet, Zuschüsse zu leisten, derzeit gut 2 Milliarden. Obwohl es der größte Einzelposten im Agraretat ist, hieß es dazu auf DLF-Anfrage aus dem Haus von Renate Künast, Zitat, es sei:

    "…keine Belastung. Und weiter: Das BMVEL, also das Bundesministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft teilt nicht die Befürchtung, dass die Finanzierung der Alterssicherung der Landwirte auf Grund der sich weiter verschlechternden Relation zwischen Beitragszahlern und Rentenempfängern aus dem Ruder laufen könnte. "

    Und so erklärte Berlin denn auch weiter, in Punkto Alterskasse seien aktuell keine Reformen geplant. Einschränkend wurde jedoch darauf hingewiesen, das hänge immer von der Entwicklung in der Rentenpolitik insgesamt ab. Komme es da zu Änderungen, dann müsse man reagieren.