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Studenten kippen die Rasterfahndung in Berlin

Student, Ausländer, Muslim - das waren drei Kriterien, die nach den Terroranschlägen im September für die Rasterfahndung in Berlin angelegt wurden. Studenten liefen Sturm gegen diese Entscheidung, und das zu Recht, wie das Landgericht Berlin mit Beschluss vom 15. Januar 2002 entschieden hat. Die Berliner Rasterfahndung ist unzulässig, so das Gericht, erhobene Daten müssen gelöscht werden. Geklagt hatten drei ausländische Studierende - und die Berliner Humboldt-Universität. Vier Monate lang hatte auch der ReferentInnen-Rat der Uni gegen die Rasterfahndung an seiner Hochschule mobil gemacht. Jetzt hat er die schriftliche Bestätigung über die Rechtswidrigkeit der Fahndung. Aktivist Oliver Stoll sieht es mit Erleichterung: "Für die ausländischen Studierenden bedeutet es ein formales Ende der Stigmatisierung, der öffentlichen Anschuldigungen." Die Richter urteilten, dass eine großflächige Erhebung personenbezogener Daten nicht erlaubt ist, solange keine unmittelbare Gefahr eines Terroranschlages droht. Die Studentenschaft erwartet nun Konsequenzen, so Stoll: "Alle Daten, die erhoben worden sind, müssen vernichtet werden. Die entsprechenden Behörden haben die Vernichtung der Daten, die unrechtmäßig und illegal gesammelt worden sind, mitzuteilen, wenn man diese Entscheidung ernst nimmt." Zwar war eine Beschwerde des ReferentInnen-Rats vom Landgericht zurückgewiesen worden, weil der Rat von der Rasterfahndung nicht direkt betroffen sei, doch hat der ReferentInnen-Rat die Klage der drei betroffenen Studenten tatkräftig, auch finanziell unterstützt.

    Die Hochschule selbst hatte im November 2001 Beschwerde gegen den "Rasterfahndungsbeschluss" des Amtsgerichts Tiergarten vom 24. Oktober 2001 eingelegt. Darin war sie dazu verpflichtet worden, Daten wie Herkunftsland, Studienfächer oder Abschlüsse ihrer Studenten zur Verfügung zu stellen. Uni-Präsident Professor Jürgen Mlynek, erfüllte zwar die Anforderung, legte aber Beschwerde ein: "Wir wollten Rechtsicherheit für die Zukunft in dem Sinne, dass klar sein musste, ob weitere Maßnahmen zur Rasterfahndung möglich sind oder nicht. Wir hatten da unsere Zweifel. Das Gericht gibt uns jetzt in der Sache recht: So wird es nicht noch mal gehen.

    Der Gerichtsbeschluss gilt erst einmal nur für die Humboldt-Universität und für die drei Kläger-Studenten, doch in der Urteilsbegründung verneinen die Richter die Rechtmäßigkeit der Rasterfahndung für ganz Berlin. Berlins Innensenator Ehrhart Körting hält dennoch an ihr fest und will das Urteil anfechten: "Es gilt nicht in Bezug auf alle anderen Erkundungen, die wir eingezogen haben. Insbesondere werden wir alle rechtlichen Möglichkeiten prüfen, diese Entscheidung des Landgerichts Berlin noch einmal einer höheren Instanz zuzuführen." Der Rechtsanwalt der drei Studenten, Sönke Hilbrans, interpretiert das Urteil jedoch anders: als wichtige Entscheidung, möglicherweise mit Präzedenz-Charakter: "Der Rechtsbefehl richtet sich natürlich nur an die Behörden des Landes Berlin. Behörden in anderen Bundesländern sind davon nicht direkt betroffen, aber es existiert jetzt doch ein sehr sorgfältiges Präjudiz im Land Berlin, sodass andere Bundesländer gut beraten sind, auch in ihrem Bereich noch einmal zu überdenken, ob sie eine Rasterfahndung weiterhin durchführen können und dürfen."

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    Ausführliche Informationen zum Urteil und über den Weg dahin hält der ReferentInnen-Rat der Humboldt-Universität zu Berlin auf seinen Internetseiten bereit.