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Studie
Der Satanismus und die Rockmusik

Black Sabbath, Motörhead, Slayer - vielen Metal-Bands wird ein Hang zum Satanismus nachgesagt. Doch dahinter stecke eigentlich eine altbekannte theologische Frage: Warum lässt Gott das Leid in der Welt zu? Das hat der katholische Theologe Manuel Raabe herausgefunden. Er schreibt eine Doktorarbeit über das Gottesbild von Rockbands.

Von Christian Röther | 26.07.2016
    Black Sabbath-Sänger Ozzy Osbourne bei einem Konzert der Band in Budapest.
    "Black Sabbath" um Sänger Ozzy Osbourne gelten nicht nur als Väter des Heavy Metal: Sie sind auch ein Kern der Debatte um Satanismus und Rockmusik. (picture alliance / dpa / EPA / Balazs Mohai)
    Wo ist Gott? Warum lässt der Allmächtige das Leid in der Welt zu? Ist Gott gar böse? Diese theologischen Fragen sind so alt wie die menschliche Idee von Gott. Sie werden auch in der Rock- und Metal-Musik gestellt.
    "Where are you father? / Why don't you save us?"
    "Wo bist du Vater, warum rettest Du uns nicht?", singt Kult-Rocker Ozzy Osbourne. "Wie kannst Du einen weiteren Völkermord ignorieren?" Osbourne klagt Gott an – und ist damit offenbar ein typischer Vertreter seiner Zunft. Mit dem Gottesbild in der Rock- und Metal-Musik befasst sich der katholische Theologe Manuel Raabe in seiner Doktorarbeit an der Uni Kassel. Im Mittelpunkt steht dabei die Theodizee-Frage:
    "Lemmy" Kilmister
    "Lemmy" Kilmister während eines Konzerts seiner Band Motörhead im Juli 2015 in Ungarn. (picture alliance / dpa / Foto: Peter Nyikos)
    "Die Frage des Bösen und die Frage, wo ist Gott, also angesichts des Leides in der Welt. Und Anstoß gab dann der Motörhead-Song "God was never on your side" und dann die Frage, gibt es eine Theodizee-Frage in der Rock- und Metal-Musik. So banal war es im Prinzip am Anfang."
    "God was never on your side"
    "Gott war nie auf Deiner Seite", singt Lemmy Kilmister von der Band Motörhead. Nur ein Beispiel von vielen für die Theodizee-Frage in Rock und Metal. Wie kommt das Leid in die Welt, wenn Gott doch gut ist? Theologen haben über die Jahrtausende viele Antworten darauf gefunden. Das Leid als Strafe Gottes. Oder: Der Mensch ist von Natur aus sündig. Oder: Gott hat dem Menschen die Freiheit gegeben – auch die Freiheit, Böses zu tun. Böses, wie es Motörhead thematisieren, unter anderem in dem Song "Don't let daddy kiss me".
    Gott hat ein Herz aus Stein
    "Little girl sleeping in dreams of peace / Mommy has been gone a log time"
    Lemmy Kilmister ist im Dezember 2015 verstorben. Hier singt er von einem Mädchen, das immer wieder von ihrem Vater sexuell missbraucht wird.
    "Daddy comes home and she still sleeps / waiting for the worlds worst crime"
    Tom Araya, Sänger und Bassist der amerikanischen Metal-Band Slayer
    Tom Araya, Sänger und Bassist der amerikanischen Metal-Band Slayer (dpa / picture alliance / Friso Gentsch)
    Das Mädchen betet zu Gott, er möge ihr helfen. Doch Gott hört sie nicht, denn Gott, sagt Kilmister, hat ein Herz aus Stein.
    "Praying to her God with his heart of stone"
    Für Metal-Fan und Metal-Forscher Manuel Raabe ist dieser Song zentral für das Gottesbild von Lemmy Kilmister.
    "Außerhalb dieses Songs hat er sich mal in einem Interview geäußert dazu, dass er gesagt hat, solange, wie solche Dinge passieren, kann es für ihn keinen Gott geben. Und wenn da doch einer ist im Prinzip, dann muss er Mittagspause haben, weil ihn das Leid Unschuldiger einfach nicht zu interessieren scheint und er dort einfach nicht eingreift. Und da sind wir natürlich mittendrin in der Theodizee-Frage. Da sind wir bei Dostojewski, bei auch den ganz großen literarischen Theodizee-Figuren, die da durchgespielt werden und wo immer am Ende rauskommt, Gott hat sich eigentlich moralisch diskreditiert, wenn er da nicht eingreift."
    Dieses Gottesbild findet sich nicht nur bei Lemmy Kilmister oder Ozzy Osbourne, sondern auch bei anderen Größen aus Rock und Metal. Bei der Thrash-Metal Band Slayer kulminiert es in den zornigen Zeilen: "Gott hasst uns alle."
    "God hates us all"
    Von der Gottes- zur Religionskritik
    Neben der Kritik an Gott ist die Religionskritik zentral für Bands wie Slayer und Motörhead, sagt Theologe Manuel Raabe.
    "Also Gottesbild und Religionsbild korrespondieren und bedingen sich einander. Das, was man letztendlich vorfindet, so verhält sich Religion in der Gesellschaft, also muss das mit Gott korrespondieren. Und deswegen ist Metal letztendlich auch immer Religionskritik."
    Die Bands klagen die Religionen und ihr Personal an. Die Vorwürfe: Missbrauch durch religiöse Würdenträger, persönliche Bereicherungen, religiös begründeter Terror. Manuel Raabe sieht in Lemmy Kilmister vor allem einen Kritiker der evangelikalen Fernsehprediger in den USA. Aber auch die katholische Kirche hat der Rockstar ins Visier genommen.
    Bruce Dickinson, Sänger der Band Iron Maiden, bei einem Konzert 2013 in Singapur
    Bruce Dickinson, Sänger von Iron Maiden. Die Band veröffentlichte 1982 das Lied: 666 - The Number of the beast. (picture alliance/ANN / The Straits Time)
    "Er hat immer gesagt, der Papst wird in seinem Sessel umher getragen und das kostet Millionen und so. Und es ist das größte Kaufhaus der Welt, weil man sich da halt Absolution kaufen kann. Und da merkt man schon diese Archetypen, die man eigentlich theologisch dachte, die sind überwunden, die tauchen immer wieder auf und da sieht man ja, das ist das Bild von Religion, was die eben noch haben. Das ist halt überholt, aber es ist noch da und es ist noch wirkmächtig."
    "Religion is hate / Religion is fear / Religion is war"
    Religion bedeutet Hass, Angst, Krieg und Vergewaltigung, heißt es bei Slayer. Religionen sind also böse und auch Gott verhindert das Leid der Menschen nicht. Deshalb wenden sich Slayer und andere dem Gegenspieler Gottes zu: dem Teufel.
    "Die Referenzsysteme drehen sich um. Deshalb wird auch klar, warum der Teufel auf einmal der Gute ist. Er wird tatsächlich mit diesen Attributen ausgestattet, die Gott eigentlich hat. Er ist für die Menschen da. Und deswegen ist Metal immer auch Religionskritik und gar nicht so sehr dieser Satanismus oder die Teufelsmusik, die man ihm immer nachsagt."
    Impulse für die Theologie?
    "Is god alive or is god dead?"
    "Lebt Gott, oder ist er tot", fragt Ozzy Osbourne mit seiner Band Black Sabbath. Die Kritik der Bands an Gott und Religion ist eingängig, aber sie hat kein besonders hohes theologisches Niveau. Es ist der alte Kampf, Gut gegen Böse, der hier immer wieder neu erzählt wird. Neuere und komplexere theologische Diskussionen finden sich bei den Musikern nicht, erklärt der katholische Theologe Manuel Raabe.
    "Das geht natürlich an der Theologie vorbei, weil: Also, es ist ja sehr, sehr viel mehr. Aber das ist ja erst mal nicht die Frage und das kann sie auch nicht sein, denn dann würde ich ja schon wertend im Prinzip an die Sache herangehen. Man muss das auch, glaube ich, erst mal nur ernst nehmen, weil die Gottesbilder, die sich im populären Bereich eben durchsetzen oder die da durchbrechen, zeigen ja auch viel, was man letztendlich auch nur von der Theologie wahrnimmt. Das gefällt mir nicht, das kann mir auch nicht gefallen als Theologe, aber ich mache nicht den Schnellschuss und werte erst und gucke es mir dann an. Sondern ich gucke es mir erst an, analysiere es und dann werte ich."
    So können von Motörhead, Black Sabbath oder Slayer vielleicht unerwartete theologische Impulse ausgehen. Denkanstöße für Theologen, die ihr Publikum mit ihrer Botschaft weniger gut erreichen als die Rockstars.
    "God is dead."