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Studie des Umweltbundesamtes
"Jährlich fallen etwa 2,8 Milliarden Einwegbecher für Coffee to go an"

Jeder Deutsche verbraucht jährlich 34 Einwegbecher, geht aus einer Studie des Umweltbundesamtes hervor. Diese Einwegbecher seien problematisch für die Umwelt, erklärte Gerhard Kotschik, Verpackungsexperte vom Umweltbundesamt, im Dlf. Er plädierte für die Verwendung von Mehrwegbecher-Systemen.

Gerhard Kotschik im Gespräch mit Britta Fecke | 21.05.2019
Coffee-to-go-Becher auf dem Boden
"Wir haben 18,2 Millionen Verpackungsabfälle insgesamt und 28.000 Tonnen sind To-go-Einwegbecher für Heißgetränke", so Kotschik vom Umweltbundesamt (picture alliance/dpa - chromorange/Christian Ohde)
Britta Fecke: Eingeschweißte Tomaten, Kaffeekapseln, Joghurt in Hartplastik und der Coffee to go – bei der Produktion von Verpackungsmüll nimmt Deutschland im EU-weiten Vergleich eine wenig ruhmreiche Spitzenposition ein. Einen kleinen Anteil an diesem Müllberg haben die Einwegbecher für Heißgetränke. Wie groß dieser Anteil ist, welche Maßnahmen gegen Einwegbecher ökologisch sinnvoll sind, wurde im Auftrag des Umweltbundesamtes untersucht. In diesen Minuten werden die Ergebnisse der Studie vorgestellt und ich bin nun verbunden mit Gerhard Kotschik. Er ist Verpackungsexperte beim Umweltbundesamt. – Herr Kotschik, wie viele Einwegbecher für den schnellen Kaffee auf dem Weg fallen denn in Deutschland in diesem Jahr an, oder sind im letzten Jahr angefallen?
Gerhard Kotschik: Guten Tag, Frau Fecke. – In Deutschland fallen jährlich etwa 2,8 Milliarden Einwegbecher für Coffee-to-go an. Das sind etwa 34 Stück pro Einwohner.
Blauer Engel für erstes Mehrwegbecher-System
Fecke: Wenn wir die jetzt ersetzen wollten durch Mehrwegbecher, wie müssen denn diese Mehrwegbecher aussehen, damit die ökologisch sinnvoll sind?
Kotschik: Das kann ganz unterschiedlich sein. Man kann den eigenen Becher mitnehmen und sich den befüllen lassen. Man kann aber inzwischen auch auf Mehrwegbecher-Systeme zurückgreifen. Heute gibt es in Berlin die Verleihung des Blauen Engels für das erste Mehrwegbecher-System, für den Faircup – das erste, das ausgezeichnet wird mit dem Blauen Engel. Das kann ganz unterschiedlich sein.
Aus Umweltsicht und auch aus ökobilanzieller Sicht schneiden sie gut ab, wenn die Mehrwegbecher-Systeme mehr als 25 Umläufe haben, und wenn sie mit Ökostrom gespült werden, reichen sogar zehn Umläufe, um auch aus ökobilanzieller Sicht gut abzuschneiden.
Fecke: Nun sind die ja selten aus Porzellan oder Glas. Wenn die jetzt aus bestimmten Kunststoff-Sorten hergestellt werden, fällt die Ökobilanz dann wieder schlechter aus?
Kotschik: Wir haben mit Coffee-to-go-Bechern, mit Einwegbechern insbesondere ein Problem mit Abfällen in der Umwelt, mit Kunststoffen in der Umwelt, und nicht so sehr ein ökobilanzielles Problem. Von dem her: Die Mehrwegbecher-Systeme, die sind auch bepfandet. Um den Blauen Engel zu erhalten, müssen sie mindestens 50 Cent Pfand haben. Ein höherer Pfandbetrag sorgt natürlich für einen höheren Rücklauf. Von dem her haben wir da weniger Probleme mit Abfällen in der Umwelt. Die Ökobilanz selber der Mehrwegbecher-Systeme schneidet auch besser ab ab 25 Umläufen.
"Diese Becher können nicht recycelt werden"
Fecke: Nun denken ja viele, wenn sie so einen Coffee-to-go in einem Pappbecher nehmen, dass sie ja den Pappbecher eigentlich ins Altpapier schmeißen könnten und diese Plastikhaube noch nebenan in den Verpackungsmüll geben könnten. Aber die Pappe ist nicht nur Pappe?
Kotschik: Genau. Die Papierbecher oder Pappbecher, die sind immer kunststoffbeschichtet. Die sind nassfest ausgerüstet. Die würden sich noch nicht einmal auflösen, wenn man sie zum Papier-Recycling rein gibt. Auch in der Papiersammlung oder auch im gelben Sack oder so, diese Becher können nicht recycelt werden und werden immer verbrannt.
Fecke: Lassen Sie uns ganz kurz auf die Zahlen und die Verhältnismäßigkeiten gucken. Wie viele Millionen Tonnen Verpackungsmüll und wie viele Millionen Tonnen Haushalts- beziehungsweise Siedlungsabfälle sind denn im letzten Jahr in Deutschland angefallen?
Kotschik: Wir haben 18,2 Millionen Verpackungsabfälle insgesamt und 28.000 Tonnen sind To-go-Einwegbecher für Heißgetränke. Das ist insgesamt auf den gesamten Verpackungsberg gesehen nur ein kleiner Teil, aber wir haben hier auch eine besondere Problematik, und zwar, dass die Abfälle unterwegs anfallen und dadurch häufig gelittert werden. Das heißt, die Abfälle sind häufig in der Umwelt und bekommen dadurch auch einen Eintrag von Kunststoffen in die Umwelt, und das ist hier das Hauptproblem.
Fecke: Dennoch könnte es doch dem Verbraucher so erscheinen, auch mit Blick auf diese EU-weite Gesetzgebung, wenn man sich jetzt nur um Strohhalme kümmert oder diese Plastikgabel oder auch nur um den Coffee-to-go-Becher, der ja doch einen sehr geringen Anteil einnimmt. Verrennt man sich da ein bisschen ins Detail und vergisst das große Ganze?
Kotschik: Nein. Das große Ganze sollte man trotzdem berücksichtigen, und das bedeutet Abfallvermeidung, Verpackungsvermeidung. Dafür sind Mehrwegsysteme gut. Die Single-Use-Plastics-Richtlinie, nimmt die Einwegbecher und Strohhalme und Wattestäbchen und so weiter ins Visier, weil das die zehn häufigsten Kunststoffabfälle an europäischen Stränden sind. Das heißt, diese Produkte führen zu besonders hohen Einträgen von Abfällen in die Umwelt, und da gibt es auch Alternativen und die sollte man verwenden. Die Becher werden vor Ort gefüllt. Da kann genauso gut ein Mehrwegbecher gefüllt werden, der dann als nächstes wieder zurückgegeben wird, oder man hat natürlich seinen eigenen Mehrwegbecher, dann muss man den auch nicht zurückgeben.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.