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Studie
Jeder dritte Leistungssportler erlebt sexualisierte Gewalt

Der deutsche Sport ist von sexualisierter Gewalt genauso betroffen wie alle anderen Bereiche der Gesellschaft. Das ist das Ergebnis einer Studie, die in Zusammenarbeit der Universität Ulm mit der Sporthochschule Köln und der deutschen Sportjugend entstanden ist.

Von Andrea Schültke | 17.11.2016
    Mit der Studie "Safe Sport" gibt es zum ersten Mal Zahlen über sexualisierte Gewalt im Sport.
    "Safe Sport" - das ist der Titel der Studie. (Deutschlandradio / Andrea Schültke)
    Unter anderem haben rund 1.800 Leistungssportlerinnen und Sportler an einer Befragung teilgenommen. Federführend für diesen Teil war die Uniklinik Ulm, Abteilung Kinder- und Jugendpsychiatrie. Das Team um Marc Allroggen hat sowohl nach sexualisierter Gewalt mit Körperkontakt gefragt als auch nach sexueller Belästigung und Grenzverletzungen.
    "Wenn wir diese weite Definition zu Grunde legen, haben wir gezeigt, dass ungefähr ein gutes Drittel aller Sportlerinnen und Sportler von sexualisierter Gewalt im Sportverein betroffen gewesen sind bislang. Schauen wir uns nur den Bereich von sexueller Gewalt mit Körperkontakt an, so kann man sagen, dass etwa für Prozent der Sportlerinnen und etwa ein Prozent der Sportler betroffen gewesen sind."
    Sexistische Sprüche, Grapschen bis hin zu körperlicher sexueller Gewalt – jede dritte Athletin oder Athlet hat im Sport hat eine Form davon erlebt.
    Klare Aufforderung an Vereine und Verbände
    Jede Neunte sogar schwere oder länger andauernde sexualisierte Gewalt. Für Bettina Rulofs, Projektleiterin von der Sporthochschule Köln, eine klare Aufforderung an Vereine und Sportverbände:
    "Wenn sie junge Menschen in ihrer sportlichen Entwicklung begleiten, sind sie auch für deren Sicherheit und Unversehrtheit verantwortlich."
    Bettina Rulofs, Voice-Projektkoordinatorin aus Deutschland bei einer Rede
    Bettina Rulofs, Voice-Projektkoordinatorin aus Deutschland (Andrea Schültke, DLF)
    Das ist aber dort noch nicht so ganz angekommen: Nur für die Hälfte der Vereine ist Schutz seiner Sportler vor sexualisierter Gewalt ein wichtiges Thema. Und nur die Hälfte der Sportverbände setzen sich aktiv gegen sexualisierte Gewalt im Sport ein.
    DOSB will nachbessern
    Alarmierende Zahlen. Vor allem vor dem Hintergrund der gerade heftig diskutierten Leistungssportreform. Kinderschutz fehlt im bisherigen Konzept vollkommen. Das wurde gestern auf der DLF Sportkonferenz deutlich. Dirk Schimmelpfenning, Leistungssportdirektor des Deutschen Olympischen Sportbundes will nun nachbessern und sagte wortreich wenig:
    "Eltern und Kinder werden sich für den Leistungssport nur entscheiden können wenn ich auch in diesem Bereich da sicher bin und da müssen wir die Maßnahmen auch aufgrund dieser Studie sicherlich intensivieren und ich hab’s beschrieben das ist ne Möglichkeit, Qualität bei den Spitzenverbänden in dem Bereich zu steigern."
    Ehrlicher dagegen die Aussage von Gerhard Böhm, Abteilungsleiter Sport im Bundesinnenministerium. Bei finanziellen Zuwendungen für den Spitzensport gebe es Auflagen und Anforderungen bezüglich Anti-Doping und Anti-Korruption, so Böhm. Was Maßnahmen gegen sexualisierte Gewalt betrifft, sein Eingeständnis:
    "Wir haben das tatsächlich noch nicht drin."
    Bisher gibt der Staat also auch Geld an die Verbände, die keinen oder nur wenig Einsatz zeigen im Kampf gegen sexualisierte Gewalt im Sport. Aber:
    "Wir werden uns des Themas auch annehmen und müssen dann möglicherweise in solchen Bereichen zu Auflagen kommen, das kann ich mir vorstellen, aber soweit sind wir in der Diskussion noch nicht."
    Für diese Diskussion liefert die Studie "Safe Sport" jetzt die perfekte Grundlage.