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Studieren in Deutschland und China

Über 25.000 chinesische Studenten sind an deutschen Hochschulen immatrikuliert, doch nur 1200 Deutsche studieren in China. Das Verhältnis könnte sich bald ändern: China-Kompetenz ist gefragt. Auf dem zweiten Deutsch-Chinesischen Bildungsforum in Hamburg konnte man erfahren, dass es bereits 411 Kooperationen zwischen deutschen und chinesischen Hochschulen gibt, von denen viele auch deutschen Studenten die Möglichkeit bieten, in Fernost zu lernen.

Von Dirk Schneider | 26.09.2007
    Eine große Altbauwohnung im schicken Hamburger Stadtteil Eppendorf. Carin von Blanquet sitzt auf einem weißen Sofa und bietet Tee an. Zu ihren Füßen liegt ein weiß-blauer Chinateppich. Was die Schriftzeichen darauf bedeuten, weiß Carin von Blanquet nicht, aber die blauen Fledermäuse darauf stehen für Glück. Vor zwei Jahren war sie im Rahmen einer Kooperation der Universität Hamburg mit der renommierten Fudan-Universität in Shanghai das erste Mal in China. Zum Glück hatte die gebürtige Schwedin da schon sechs Monate Chinesisch-Unterricht hinter sich:

    " Und es ist wirklich so, wenn man ganz ohne Sprachkenntnisse ankommt, würde man sofort scheitern. Also es geht los mit dem Wohnheim, man kommt an und denkt: Ja, ja, die werden schon Englisch sprechen. Tun sie nicht. Man muss sich also selber einschreiben auf Chinesisch im Wohnheim. Oder man muss ein Taxi nehmen, man muss ja vom Flughafen erst mal zum Wohnheim kommen. "

    Der Postgraduiertenstudiengang MIBE, Master of International Business and Economics with China Focus, gab von Blanquet die Möglichkeit, innerhalb eines Jahres zwei Abschlüsse zu erwerben, einen in Hamburg und einen in Shanghai. Die Menschen und die Kultur Chinas kennen zu lernen, war für Carin von Blanquet ein Abenteuer und persönliche Bereicherung. Die vier Monate in Shanghai bezeichnet sie heute als die spannendste Zeit ihres Lebens. Aber die Kenntnis der chinesischen Kultur ist auch unabdingbar, um geschäftlich mit China zu tun zu haben.

    Auf dem zweiten Deutsch-Chinesischen Bildungsforum in Hamburg war "Interkulturelle Kompetenz" einer der Schlüsselbegriffe. Xu Yandong, der für eine internationale Consultingfirma deutsche Führungskräfte auf China vorbereitet, hat dort einen Vortrag über Unternehmensführung in China gehalten. Es gibt viel zu lernen, denn die kulturellen Unterschiede erschöpfen sich nicht in Sprache, Ernährung und einigen Höflichkeitsritualen:

    " Die chinesische Führungskräfte muss eine Vaterrolle spielen, aber deutsche Manager wird erwartet als eine Mentor. Das ist eine große Unterschied. Eine Vaterrolle muss nicht nur um private Dinge kümmern, sondern auch muss um Business kümmern. Aber in Deutschland geht mehr um Business zu kümmern. Das ist ein große Unterschied in diese Rolle. Wenn man diese Rolle auf den falschen Platz spielt, dann kann das Geschäft schief laufen. "

    In China wird nicht nur anders gehandelt, sondern auch anders gedacht als bei uns. Der Sinologe Rainer Landmann von der Hamburger China-Gesellschaft zieht dafür beispielhaft den Straßenverkehr heran: Während man bei uns vor allem auf Hindernisse, auf potentielle Gefahren achte, konzentriere sich im scheinbar chaotischen chinesischen Stadtverkehr alles auf die Verkehrslücken, die einem ein Vorankommen erlauben. So gibt es in China auch keine geordneten Warteschlangen, sehr vieles folgt einer völlig anderen Denkweise als bei uns. Doch man sollte sich von China nicht abschrecken lassen. Für die große Zahl chinesischer Studenten in Deutschland ist unser Land genauso fremd: Als still, kalt und leer empfinden es viele. Und doch als aufregend.

    Es ist keineswegs so, dass in China nur deutsche Ingenieure oder Naturwissenschaftler gefragt sind. Xu Yandong spricht von einem "war of talents", einem Kampf um die Führungskräfte. Die sind durchaus auch in Bereichen wie Design oder Medien gefragt. Und in der Ausbildung von China profitieren können beispielsweise Architekten, wie Susanne Otte vom Deutschen Akademischen Austauschdienst, DAAD, weiß:

    " Inzwischen passiert in China in Architektur wesentlich mehr als es in Deutschland passiert. Und wer in China, möglichst in einem Double-Degree-Studiengang mit Deutschland, Architektur studiert, kann dort wunderbar arbeiten. Ein anderes Beispiel ist die Autoindustrie, auch da interessieren sich immer mehr deutsche Studenten zumindest für ein Teilstudium in China. "
    Carin von Blanquet arbeitet heute bei einer großen deutschen Bank. Sie macht Geschäfte mit skandinavischen Ländern, mit China hat sie beruflich nichts zu tun.

    " Da kann man nun sagen: Ja, und warum hast Du nun dieses Programm gemacht mit China-Ausrichtung. Jedes große Unternehmen wird irgendwann mal auch drüber nachdenken, nach China zu gehen. Es ist gut, wenn man sich da auskennt und das auch mal gesehen hat. "