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Studium ausprobieren

In Deutschland brechen jährlich zirka 60.000 Studenten ihr Universitäts- oder Fachhochschulstudium ab. Um Schülern bei der Wahl des richtigen Studienfachs zu helfen, hat die Universität Hannover das Juniorstudium eingeführt. Schüler der gymnasialen Oberstufen sollen dadurch schon frühzeitig Einblicke gewinnen.

Von Hans-Peter Ehmke | 17.04.2008
    Rund 4000 Erstsemester starten an der Universität Hannover in ihr Studium. Gleichzeitig melden sich knapp 250 Schüler und Schülerinnen aus den Oberstufen der Gymnasien zum Juniorstudium an. Das sind recht wenige im Vergleich zu den Erstsemestern. Doch Mathematikstudent Oliver Janke, ein ehemaliger Teilnehmer des Juniorstudiums, meint, dass es sich lohnt schon vor dem Studienbeginn den Unibetrieb kennen zu lernen:

    "Die Vorlesung, die ich während des Juniorstudiums besucht habe, war offiziell auch im zweiten Semester für mich als Mathematikstudent vorgeschrieben. Und da ich das im Juniorstudium gemacht habe, auch die Prüfung gemacht habe, und die auch bestanden habe, wurde mir der Schein auch anerkannt im Studium. Das heißt, im zweiten Semester konnte ich mir das sparen. Und das war natürlich ein großer Vorteil."

    Seit 1999 bietet die Universität Hannover Schülern und Schülerinnen die Chance das Studium an verschiedenen Fakultäten auszuprobieren. Zunächst galt das Angebot nur für die mathematisch-naturwissenschaftlichen und die ingenieurwissenschaftlichen Fächer. Seit zwei Jahren sind auch die Geistes- und Sozialwissenschaften dabei. Der besondere Clou des Juniorstudiums ist, dass man nicht nur Veranstaltungen besuchen kann, sondern auch an Prüfungen teilnehmen darf. Laut Projektleiterin Ina Fedrich gehören in erster Linie die Einführungsveranstaltungen der einzelnen Fächer zu den Lehrangeboten des Juniorstudiums.

    "Das besondere an dem Juniorstudium ist, dass das Grundlagenvorlesungen sind, die für Einsteiger gedacht sind, für Studienanfänger, und Schülerinnen und Schüler authentisch einen Einblick geben soll was auf sie zukommt, wenn sie das entsprechende Fach studieren. Man muss sich anmelden, man muss die Unterlagen vollständig hier einreichen und man kann an der Prüfung teilnehmen. Diese Prüfung wenn man die erfolgreich besteht, kann anerkannt werden, wenn man hier sein Studium aufnimmt. Wenn Schüler und Schülerinnen merken, das ist nichts für mich, die Prüfungen sind so schwierig, so hatte ich mir das gar nicht vorgestellt, ich hatte mir unter Bauingenieurwesen etwas ganz Anderes vorgestellt, dass man das Abbruchproblem vor das Studium verlegt. Gerade im Zuge der Studiengebühren ist das sehr sinnvoll."

    Das Juniorstudium ist dagegen kostenlos und steht allen offen, die sich in der Oberstufe auf das Abitur vorbereiten. Zugelassen werden auch Auszubildende und Zivil- und Wehrdienstleistende, die das Abitur schon in der Tasche haben. Für Oliver Janke hat das Juniorstudium wesentlich zur Entscheidung für sein Studienfach Mathematik beigetragen:

    "Dafür war das Juniorstudium ganz gut, um zu gucken, passt das wirklich zu mir, möchte ich mich die nächsten fünf Jahre damit beschäftigen. Und als das dann ganz gut geklappt hat im Juniorstudium habe ich dann auch gesagt: O.k., du schreibst dich jetzt wirklich als Student für Mathematik ein und fängst dann auch wirklich damit an."

    Denn oft herrschen bei Studienanfängern falsche Vorstellungen von dem Fach, das sie studieren wollen. Viele Fächer existieren gar nicht an der Schule, während schulische Fächer an der Universität ganz anders strukturiert sind. Mathedozent Florian Leydecker sieht dabei eine große Diskrepanz zwischen der Erwartungshaltung der Erstsemester und der Realität des Studiums.

    "Viele Studenten kommen an die Universität. Denken sie studieren Wirtschaftswissenschaften. Da studiert man Marketing und verdient später sehr sehr viel Geld. Und dann sind sie sehr überrascht, dass man auch Mathematik braucht. Das kennen die meisten nicht. Und wir haben viele Studenten, die nicht besonders gut in Mathematik sind. Und die Leute sind dann sehr überrascht. Dadurch dass wir auf Veranstaltungen im Juniorstudium zum Beispiel Finanzmathematik anbieten, sind die Schüler dann besser vorbereitet."

    Der Unterschied zwischen Schulunterricht und Studium ist in der Anfangsphase für viele noch ein großes Problem. Hier der Zwang an allem teilzunehmen und den Wünschen der Lehrer zu folgen, dort die freie Wahl des Faches und das selbst regulierte Lernen. Für viele eine ungewohnte Situation. Eine falsche Entscheidung kann kostspielige Folgen haben. Für Oliver Janke war das Juniorstudium deshalb eine wertvolle Orientierungshilfe.

    "Wenn man vielleicht eine Ahnung hat, was man machen möchte, aber sich noch nicht ganz sicher ist, dann sollte man das auf jeden Fall in Anspruch nehmen um einmal für sich zu überprüfen, passt das zu mir, ist das das Richtige, möchte ich das wirklich eine Zeit lang machen und dann auch später als Beruf. Die Zeit die man da investiert bekommt man ja wahrscheinlich auch später wieder heraus. Dadurch dass man eben weiß, was man macht und sich auch sicher ist, dass es zu einem passt. Und dann sind die Abbrecherquoten wahrscheinlich auch viel niedriger sind."