Gegenwärtig stehen die Zeichen indessen mehr auf Frieden. In Nordkenia versuchen Rebellen und Regierung bei zähen Verhandlungen die letzten großen Hindernisse für ein umfassendes Friedensabkommen aus dem Weg zu räumen. In den Nuba-Bergen gilt schon seit Anfang 2002 ein Waffenstillstand. Nord und Süd schießen zur Zeit nicht aufeinander, Nord und Süd ringen um einen friedlichen Ausgleich.
Nial Diu, ein Flüchtlingslager am Gazellenfluss in der Provinz Unity State - gut 1000 Kilometer südlich der Hauptstadt Khartoum. Die Deutsche Welthungerhilfe verteilt hier Hilfsgüter. Jana Körner:
Wir verteilen Eimer, Kochsets, Kleidung für Männer, Frauen und Kinder, Decken, Moskito-Netze, Zelte - keine Plastikzelte, denn das wird zu heiß, und es schützt auch nicht vor Kälte - die Moskito-Netze sind blickgeschützt, falls Milizen vorbeikommen und die Dörfer überfallen, um junge Männer davor zu schützen, eingezogen zu werden.
In der Provinz Unity State wird noch gekämpft. Süd kämpft hier gegen Süd. Rivalisierende Fraktionen der sudanesischen Volksbefreiungsarmee - SPLA - wollen ihre Pfründe sichern, ihre Positionen festigen oder ausbauen. Wir sind sehr froh über den Friedensprozess, sagt der Clan-Chef Kwa Bol vom Stamm der Lek, und wir beten zu Gott, dass der Frieden auch wirklich kommt.
Vor dem Krieg haben hier viele Menschen vom Stamm der Lek gelebt. Wenn der Frieden kommt, dann werden sie nach Nial Diu zurückkehren. Die Menschen können ihre Schwierigkeiten gut untereinander regeln. Aber wenn sich die Milizen einmischen, dann machen sie alles sehr kompliziert. Diese Milizen müssen entwaffnet werden.
Eine Kuh wechselt die Front, läuft über vom Gebiet der Lek zum Gebiet der Bul. Die Lek wollen sie wiederhaben. Aber Hirten der Bul weigern sich, das Rindvieh zurück zu geben. Fäuste, Steine, Speere fliegen. Dann greifen schwer bewaffnete Milizionäre ein. Der Streit wird zur Schlacht, die Schlacht zum Stammeskrieg, Tausende von Lek und Bul fliehen. Nun müssen sie friedlich Seite an Seite im Flüchtlingslager leben. Die Milizionäre aber schlagen noch immer aufeinander ein. Niemand ist da, um sie zu entwaffnen. Und freiwillig werden diese jungen Männer, die nichts anderes gelernt haben, als Krieg zu spielen, ihre Waffen kaum abgeben.
Lek und Bul gehören zum Volk der Nueer. Im Sudan leben knapp 600 Völker, Stämme und Unterstämme, die mehr als 130 verschiedene Sprachen sprechen. In keinem Land Afrikas wird länger gekämpft als im Sudan - mit wenigen Jahren Unterbrechung seit der Unabhängigkeit von Großbritannien 1956. Die jüngste Runde der Gewalt zwischen Nord und Süd 1983 ausgebrochen.
Der damalige Staatschef Ja'afar al-Numeiri spricht dem Süden die zuvor blutig erkämpfte Autonomie ab, zieht neue administrative Grenzen und erklärt die Scharia - das Islamische Recht - zur alleingültigen Gesetzesgrundlage für den ganzen Sudan. Die Menschen im Süden begehren auf, Rebellen wehren sich gegen das Diktat aus dem Norden. Dieser schlägt massiv zurück. Gut zwei Millionen Menschenleben haben dieser Krieg und seine Folgen bislang gefordert, vier Millionen sind zu Flüchtlingen geworden. Mit Krieg und Tod wird bald Schluss sein, sagt Staatschef Omar Hassan el-Bashir. Beide Seiten haben sich auf die Teilung der Öleinnahmen verständigt. Der Süden wird mit Inkrafttreten des Friedensabkommens autonom. Nach sechs Übergangsjahren sollen die Südsudanesen dann über eine mögliche Unabhängigkeit abstimmen. Staatschef Baschir.
Der Süden braucht mehr Mittel für den Wiederaufbau. Der Süden ist groß, und er verfügt über keinerlei Infrastruktur, über keine fundamentalen Dienstleistungen wie Erziehung, Gesundheit, Wasser, Strom, Telefon, Straßen oder Brücken. Tatsächlich muss eine Menge im Süden getan werden und die Zeit drängt. Es ist ein Rennen gegen die Uhr. Nach sechs Jahren müssen die Bürger im Süden den Nutzen des Friedens spüren. Und sie müssen spüren, dass es sich lohnt, Bürger eines vereinten Sudan zu sein.
Der Krieg zwischen dem afrikanischen Süden und dem arabisierten Norden hat unglaublich tiefe Wunden geschlagen. Gegenwärtig ist es schwer vorstellbar, dass sich in sechs Jahren eine Mehrheit im Süden für einen Verbleib im sudanesischen Staatsverband finden wird. Sie wollen weg von Khartoum, weg von den einstigen Sklavenhaltern im Norden, die - angeblich im Namen des Islams - einen Vernichtungskrieg gegen die afrikanischen Völker im Süden geführt haben.
"Sie sind Vampire. Sie saugen den Menschen das Blut aus", sagt der Südsudanese Alfred Taban. Der Prozess der Unabhängigkeit des Südens wird nach Meinung des Chefredakteurs der Oppositionszeitung Khartoum Monitor mit Unterzeichnung des Abkommens unwiderruflich eingeleitet. Der Norden verpflichtet sich zum Abzug aus dem Süden.
Die Armee des Nordens - jetzt 103.000 Mann stark - wird auf 12.000 verkleinert. Die SPLA wird im Süden eine überwältigende Übermacht haben. Wenn der Norden das Abkommen bricht, werden sie sagen: "Sie haben es gebrochen, wir erklären jetzt unsre Unabhängigkeit." Das war's dann. Ironischerweise wird auch das zum Nutzen des Südens sein.
Die Menschen in den vielen Flüchtlingslagern Sudans haben andere, sehr konkrete Sorgen. Es ist Winter, selbst am Gazellenfluss im Südsudan kann es nachts empfindlich kalt werden. Es mangelt an allem: Decken, Nahrung, Medikamente. Clan-Chef John Niu Quais:
Diese Übergangszeit interessiert uns nicht. Jetzt muss hier was geschehen. Viele Menschen sterben, weil sie arm sind und alles verloren haben. Wir können nicht sechs Jahre warten. Wir brauchen Frieden und Hilfe, damit unsere Kinder sicher aufwachsen können.
Der Sudan ist das größte Flächenland Afrikas. Die Wege sind weit, die Straßen schlecht, die Mehrzahl der 30 Millionen Einwohner ist bitterarm. Bentiu, die Hauptstadt der Provinz Unity State, ist eine riesige Ansammlung von Qataty genannten Rundhütten aus Lehm, Schilf- und Elefantengras. Hier in Unity State wird der Reichtum des Landes gefördert: 250.000 Fass Öl am Tag. Nichts bleibt von dem Reichtum im Süden. Per Pipeline wird das schwarze Gold ins nordsudanesische Port Sudan geschafft. Die Erlöse belaufen sich auf knapp zwei Milliarden Dollar im Jahr. In Zukunft sollen sie gerecht zwischen Nord und Süd geteilt werden. Aber eine Garantie für friedlichere Zeiten im Sudan ist das schon deswegen nicht, weil Ost und West weiterhin leer ausgehen werden. In den westlichen Darfur-Provinzen an der Grenze zum Tschad lodert ein neuer Konflikt, tobt ein neuer blutiger Krieg.
Sie kommen auf Pferden. Verwegene Burschen, bis an die Zähne bewaffnet. Bereit, zum Morden, zum Plündern, zum Brandschatzen. Die Jamjaweed, der Schrecken Westsudans, arabisierte Nomaden, Milizen im Sold der Regierung in Khartoum: ruchlos, gnadenlos, gewissenlos.
Die Jamjaweet raffen alles von Wert an sich, wenn sie ein Dorf überfallen. Und was sie nicht mitnehmen, das verbrennen sie. Danach töten sie die jungen Leute,
sagt der aus Kutum in Norddarfur stammende Sa'id Fulan,
Im Westen Sudans, in den Provinzen Nord-, West- und Süddarfur, wird heftig gekämpft - und gestorben. Die Gründe für den neuen Konflikt gleichen jenen im Süden: Vernachlässigung, Verarmung, Diskriminierung, Ausbeutung. Die Lage im Westen ist dramatisch. Knapp 700.000 der rund 2,1 Millionen Menschen in Darfur sollen sich Berichten internationaler Hilfsorganisationen zufolge auf der Flucht befinden. Felder bleiben unbestellt, Ernten fallen aus, Vieh wird gestohlen, entführt getötet. Hunger droht im Westsudan. Rebellenführer Abdel Waheed el-Nur:
Es wird keinen Frieden im Sudan geben, wenn die Regierung in Khartoum und die Sudanesische Befreiungsbewegung kein umfassendes Abkommen aushandeln.
Wir sind diejenigen, die am meisten unter dieser Regierung leiden. Wir sind diejenigen, denen historische Ungerechtigkeit widerfahren ist. Wir hätten schon vor dem Süden einen Krieg beginnen können. Es muss einen neuen Sudan geben, der alle in die Regierung einschließt. Bis jetzt sind uns alle Rechte vorenthalten worden.
Die Regierung ist taub für derlei Argumente. Mit den Rebellen im Süden setzt sie sich wegen des massiven amerikanischen und internationalen Drucks ins Benehmen. Die Aufständischen im Westen aber sind für sie Banditen und Terroristen. Keine Gespräche, keine Verhandlungen. Die Herrscher in Khartoum verfahren nach den alten falschen Rezepten. Staatschef Omar Hassan el-Baschir sagt:
Im gesamten Sudan müssen wir uns mächtig anstrengen, um ein Gefühl der Zugehörigkeit zur Nation anstelle der Zugehörigkeit zu einem Stamm oder einem bestimmten Gebiet zu schaffen. Im Westen kann davon keine Rede sein. Bomben auf Dörfer, stellt Sa'id Fulan aus dem Krisengebiet Norddarfur nüchtern fest, nehmen die Menschen sicherlich nicht für die Zentralregierung in Khartoum ein.
Im Radio hörst du, wie die Regierung behauptet, Schulen erhalten und unterstützt zu haben. In Wirklichkeit ist es nicht so. Die Kinder werden im Freien und oft ohne Lehrer unterrichtet. In einigen Gebieten haben die Lehrer seit sieben Monaten kein Geld bekommen.
Knapp zwei Milliarden Dollar nimmt der Sudan jährlich durch den Verkauf von Öl ein. Bislang ist wegen des Krieges im Süden viel Geld in Rüstung und Waffen geflossen. Nicht Ideologie oder ein großer Plan stecken hinter dem Handeln der Regierung, sagt Joshua Dau Diu von der oppositionellen Union der Sudanesisch-Afrikanischen Parteien.
Ihre Kinder sind im Ausland und leben von dem großen Geld. Ich hoffe, du kannst die mal fragen, wo all das Ölgeld hingeht. Es wird nicht für Löhne ausgegeben - viele Menschen bekommen monatelang keinen Lohn. Wovon leben die? Das Land befindet sich in einem furchtbaren Durcheinander.
Sozialismus, Kapitalismus, Islamismus - das seien Ideologien, die von den Herrschenden in den vergangenen Jahrzehnten lediglich als Staffage benutzt worden seien, um die eigenen Taschen zu füllen.
Diskoabend im deutsch-sudanesischen Verein in Khartoum. Die Schönen und die Reichen kommen hierher. Die Sprösslinge jener, die den Ölreichtum fein säuberlich untereinander aufteilen und dabei den Rest des Landes vergessen. Die Hauptstadt boomt. Es herrscht Aufbruchstimmung. Politisch schüttelt der Sudan den Paria-Status ab und findet aus der totalen Isolation zurück in die Völkergemeinschaft. Das internationale Interesse ist groß. Der Sudan ist ein reiches Land, besitzt Bodenschätze wie Öl, Gold, Kupfer in großen Mengen. Autohäuser, Computershops, Restaurants, Modegeschäfte - bis vor kurzem war all dies im Stadtbild von Khartoum noch schwer vorstellbar.
Wenn wir uns die Ressourcen anschauen, dann erkennen wir, dass der Sudan extrem wohlhabend ist. Unser Problem ist die fehlende Stabilität. Wir brauchen Stabilität. Der Krieg hat das Land verarmt, er hat viele Ressourcen aufgefressen und die Nutzung anderer verhindert. Die Menschen scheuen sich, in sudanesische Projekte zu investieren, sie werden abgeschreckt. Aber das Geld wird fließen, es kommt mit dem Frieden.
Staatschef Bashir verspricht Wohlstand und Gerechtigkeit für alle. Aber wer glaubt ihm und seiner regierenden Nationalen Islamischen Front kurz NIF? Joshua Dau Diu:
Jeder hat die Nase gestrichen voll von der NIF. Ganz gleich, ob er aus dem Norden, Osten, Westen oder Süden kommt. Die dominieren den ganzen Wirtschaftssektor, die kontrollieren die Ökonomie. Und jene, die nicht zu ihnen gehören, die müssen vom Verkauf ihres Besitzes leben.
Feilen am U-Stück aus Baustahl, feilen an der Zukunft im Don Bosco Ausbildungszentrum der italienischen Bruderschaft der Salesianer in Khartoum. Sie gehören zu den Ärmsten der Armen: junge Männer aus den Flüchtlingslagern rund um die sudanesische Hauptstadt.
Drehen, bohren, schweißen, hobeln. Rund 500 Südsudanesen werden zwei Jahre lang zum Automechaniker, Schreiner, Drucker, Elektriker oder Schlosser ausgebildet. Der deutsche Kfz-Meister Reiko Borrmann gehört zu den Lehrkräften.
Es gab Probleme bei den ersten Biegungen hier. Da ist das Rohr angeschnitten worden, weil die Phase zu scharf war. Das haben wir noch mal auf die Drehbank genommen und poliert und eine kleine Phase drangemacht, jetzt arbeitet es anscheinend besser, die Biegungen werden jetzt sauber und wunderbar.
Rohre für Schulmöbel. Ein Großauftrag, mit dem der klamme Haushalt aufgebessert werden kann. Pro Lehrling wendet das Ausbildungszentrum knapp 1000 Euro auf - finanziert im wesentlichen durch Zuwendungen und Spenden aus Italien und Deutschland. Die Selbstbedienung der Mächtigen und der Krieg im Süden haben die Mittel und Gelder Sudans aufgezehrt. Für Bildung und Ausbildung ist kaum etwas übrig geblieben. Der Unterricht an Schulen und Universitäten ist mangelhaft. Eine Berufsausbildung an Werkbank und Maschine unter Anleitung von Lehrern und Meistern findet schon seit vielen Jahren kaum noch statt. Deshalb sind die Don Bosco-Ausbildungsplätze auch so begehrt. Auf eine Lehrstelle kommen zehn Bewerber.
Übungsstunde der Don Bosco Boys. Unter den jungen Männern herrscht Aufbruchstimmung. Zum ersten Mal seit undenklichen Zeiten bestehen echte Aussichten auf Frieden. "Wir brauchen Frieden wie die Luft zum Atmen" sagt Bruder Giacomo. Doch der Salesianer warnt seine Schützlinge vor Übereifer.
Wir müssen bedenken, dass diese Leute hier seit mehr als zehn, fünfzehn Jahren leben. Sie kennen die Situation im Süden nicht. Sie haben vielleicht einen florierenden, viel versprechenden Süden verlassen, aber die Lage heute ist anders. Eines der größten Probleme sind die Landminen, die manche Gebiete unzugänglich gemacht haben.
Trommeln in der Nacht. Trommeln im Flüchtlingslager von Rubkona am Gazellenfluss in der Provinz Unity State. In dieser Provinz entscheidet sich das Schicksal der staatlichen Einheit Sudans. Von hier kommen das Öl und der Reichtum. Politisch wird die Provinz zum Süden gehören, aber der Norden wird das schwarze Gold fördern und - so ist es vertraglich vereinbart worden - zum Nutzen von Nord und Süd gleichermaßen verkaufen.
Ob das Ölgeld auch tatsächlich da ankommt, wo es am dringendsten gebraucht wird - bei den einfachen Menschen, den Flüchtlingen, den Schulkindern - das ist noch lange nicht ausgemacht. Die Lebensumstände in den von der SPLA kontrollierten Gebieten sind nicht besser als in den von der Regierung beherrschten Landstrichen. Auch hier fehlt es an Schulen, Straßen, Arbeitsplätzen und Sicherheit. Auch hier gibt es eine selbstherrliche Herrscherriege, die sich bestens darauf versteht, den eigenen Vorteil zu suchen. Die Befreiungsbewegung steht keineswegs in geschlossener Nibelungentreue hinter ihrem Führer John Garang. Garang ist Dinka und gehört zum Stamm der Bor. Zu offensichtlich, sagen seine Kritiker aus dem SPLA-Lager, versuche er Leute seines Stammes und Clans, in einflussreiche Positionen zu hieven. Andere Dinka-Stämme kommen zu kurz. Ganze Regionen - wie die im äußersten Südosten gelegene Provinz Äquatoria - fühlen sich übergangen. Demokratische Strukturen wird es nach Einschätzung von Chefredakteur Alfred Taban weder im Norden mit Bashir noch im Süden mit Garang geben.
Er hat ein großes Interesse an Demokratie im Norden. Ich glaube nicht, dass er an Demokratie im Süden interessiert ist, weil das seine Pfründe gefährden würde, und wegen der Menschenrechtsverletzungen, die seine Truppen gegen große Teile der Bevölkerung verübt haben. Demokratie im nationalen Sinne ja! Das ist sehr verlockend. Aber im Süden? Ich glaube nicht, dass du das Word Demokratie überhaupt murmeln würdest, wenn du nach Juba gingest.
Ista'idu steht auf den Koppeln der Soldaten in Dilling in den Nuba-Bergen - seid bereit. Das Abkommen wird kommen. Aber auch der Frieden? Viele Waffen, Eigeninteressen, offene Rechnungen und ungesühnte Verbrechen hat das blutige Wüten in den vergangenen zwei Jahrzehnten hervorgebracht. Der Weg zur Aussöhnung im Sudan ist steinig, der Weg zu friedlicher Entwicklung miteinander bislang nur eine Hoffnung.
Nial Diu, ein Flüchtlingslager am Gazellenfluss in der Provinz Unity State - gut 1000 Kilometer südlich der Hauptstadt Khartoum. Die Deutsche Welthungerhilfe verteilt hier Hilfsgüter. Jana Körner:
Wir verteilen Eimer, Kochsets, Kleidung für Männer, Frauen und Kinder, Decken, Moskito-Netze, Zelte - keine Plastikzelte, denn das wird zu heiß, und es schützt auch nicht vor Kälte - die Moskito-Netze sind blickgeschützt, falls Milizen vorbeikommen und die Dörfer überfallen, um junge Männer davor zu schützen, eingezogen zu werden.
In der Provinz Unity State wird noch gekämpft. Süd kämpft hier gegen Süd. Rivalisierende Fraktionen der sudanesischen Volksbefreiungsarmee - SPLA - wollen ihre Pfründe sichern, ihre Positionen festigen oder ausbauen. Wir sind sehr froh über den Friedensprozess, sagt der Clan-Chef Kwa Bol vom Stamm der Lek, und wir beten zu Gott, dass der Frieden auch wirklich kommt.
Vor dem Krieg haben hier viele Menschen vom Stamm der Lek gelebt. Wenn der Frieden kommt, dann werden sie nach Nial Diu zurückkehren. Die Menschen können ihre Schwierigkeiten gut untereinander regeln. Aber wenn sich die Milizen einmischen, dann machen sie alles sehr kompliziert. Diese Milizen müssen entwaffnet werden.
Eine Kuh wechselt die Front, läuft über vom Gebiet der Lek zum Gebiet der Bul. Die Lek wollen sie wiederhaben. Aber Hirten der Bul weigern sich, das Rindvieh zurück zu geben. Fäuste, Steine, Speere fliegen. Dann greifen schwer bewaffnete Milizionäre ein. Der Streit wird zur Schlacht, die Schlacht zum Stammeskrieg, Tausende von Lek und Bul fliehen. Nun müssen sie friedlich Seite an Seite im Flüchtlingslager leben. Die Milizionäre aber schlagen noch immer aufeinander ein. Niemand ist da, um sie zu entwaffnen. Und freiwillig werden diese jungen Männer, die nichts anderes gelernt haben, als Krieg zu spielen, ihre Waffen kaum abgeben.
Lek und Bul gehören zum Volk der Nueer. Im Sudan leben knapp 600 Völker, Stämme und Unterstämme, die mehr als 130 verschiedene Sprachen sprechen. In keinem Land Afrikas wird länger gekämpft als im Sudan - mit wenigen Jahren Unterbrechung seit der Unabhängigkeit von Großbritannien 1956. Die jüngste Runde der Gewalt zwischen Nord und Süd 1983 ausgebrochen.
Der damalige Staatschef Ja'afar al-Numeiri spricht dem Süden die zuvor blutig erkämpfte Autonomie ab, zieht neue administrative Grenzen und erklärt die Scharia - das Islamische Recht - zur alleingültigen Gesetzesgrundlage für den ganzen Sudan. Die Menschen im Süden begehren auf, Rebellen wehren sich gegen das Diktat aus dem Norden. Dieser schlägt massiv zurück. Gut zwei Millionen Menschenleben haben dieser Krieg und seine Folgen bislang gefordert, vier Millionen sind zu Flüchtlingen geworden. Mit Krieg und Tod wird bald Schluss sein, sagt Staatschef Omar Hassan el-Bashir. Beide Seiten haben sich auf die Teilung der Öleinnahmen verständigt. Der Süden wird mit Inkrafttreten des Friedensabkommens autonom. Nach sechs Übergangsjahren sollen die Südsudanesen dann über eine mögliche Unabhängigkeit abstimmen. Staatschef Baschir.
Der Süden braucht mehr Mittel für den Wiederaufbau. Der Süden ist groß, und er verfügt über keinerlei Infrastruktur, über keine fundamentalen Dienstleistungen wie Erziehung, Gesundheit, Wasser, Strom, Telefon, Straßen oder Brücken. Tatsächlich muss eine Menge im Süden getan werden und die Zeit drängt. Es ist ein Rennen gegen die Uhr. Nach sechs Jahren müssen die Bürger im Süden den Nutzen des Friedens spüren. Und sie müssen spüren, dass es sich lohnt, Bürger eines vereinten Sudan zu sein.
Der Krieg zwischen dem afrikanischen Süden und dem arabisierten Norden hat unglaublich tiefe Wunden geschlagen. Gegenwärtig ist es schwer vorstellbar, dass sich in sechs Jahren eine Mehrheit im Süden für einen Verbleib im sudanesischen Staatsverband finden wird. Sie wollen weg von Khartoum, weg von den einstigen Sklavenhaltern im Norden, die - angeblich im Namen des Islams - einen Vernichtungskrieg gegen die afrikanischen Völker im Süden geführt haben.
"Sie sind Vampire. Sie saugen den Menschen das Blut aus", sagt der Südsudanese Alfred Taban. Der Prozess der Unabhängigkeit des Südens wird nach Meinung des Chefredakteurs der Oppositionszeitung Khartoum Monitor mit Unterzeichnung des Abkommens unwiderruflich eingeleitet. Der Norden verpflichtet sich zum Abzug aus dem Süden.
Die Armee des Nordens - jetzt 103.000 Mann stark - wird auf 12.000 verkleinert. Die SPLA wird im Süden eine überwältigende Übermacht haben. Wenn der Norden das Abkommen bricht, werden sie sagen: "Sie haben es gebrochen, wir erklären jetzt unsre Unabhängigkeit." Das war's dann. Ironischerweise wird auch das zum Nutzen des Südens sein.
Die Menschen in den vielen Flüchtlingslagern Sudans haben andere, sehr konkrete Sorgen. Es ist Winter, selbst am Gazellenfluss im Südsudan kann es nachts empfindlich kalt werden. Es mangelt an allem: Decken, Nahrung, Medikamente. Clan-Chef John Niu Quais:
Diese Übergangszeit interessiert uns nicht. Jetzt muss hier was geschehen. Viele Menschen sterben, weil sie arm sind und alles verloren haben. Wir können nicht sechs Jahre warten. Wir brauchen Frieden und Hilfe, damit unsere Kinder sicher aufwachsen können.
Der Sudan ist das größte Flächenland Afrikas. Die Wege sind weit, die Straßen schlecht, die Mehrzahl der 30 Millionen Einwohner ist bitterarm. Bentiu, die Hauptstadt der Provinz Unity State, ist eine riesige Ansammlung von Qataty genannten Rundhütten aus Lehm, Schilf- und Elefantengras. Hier in Unity State wird der Reichtum des Landes gefördert: 250.000 Fass Öl am Tag. Nichts bleibt von dem Reichtum im Süden. Per Pipeline wird das schwarze Gold ins nordsudanesische Port Sudan geschafft. Die Erlöse belaufen sich auf knapp zwei Milliarden Dollar im Jahr. In Zukunft sollen sie gerecht zwischen Nord und Süd geteilt werden. Aber eine Garantie für friedlichere Zeiten im Sudan ist das schon deswegen nicht, weil Ost und West weiterhin leer ausgehen werden. In den westlichen Darfur-Provinzen an der Grenze zum Tschad lodert ein neuer Konflikt, tobt ein neuer blutiger Krieg.
Sie kommen auf Pferden. Verwegene Burschen, bis an die Zähne bewaffnet. Bereit, zum Morden, zum Plündern, zum Brandschatzen. Die Jamjaweed, der Schrecken Westsudans, arabisierte Nomaden, Milizen im Sold der Regierung in Khartoum: ruchlos, gnadenlos, gewissenlos.
Die Jamjaweet raffen alles von Wert an sich, wenn sie ein Dorf überfallen. Und was sie nicht mitnehmen, das verbrennen sie. Danach töten sie die jungen Leute,
sagt der aus Kutum in Norddarfur stammende Sa'id Fulan,
Im Westen Sudans, in den Provinzen Nord-, West- und Süddarfur, wird heftig gekämpft - und gestorben. Die Gründe für den neuen Konflikt gleichen jenen im Süden: Vernachlässigung, Verarmung, Diskriminierung, Ausbeutung. Die Lage im Westen ist dramatisch. Knapp 700.000 der rund 2,1 Millionen Menschen in Darfur sollen sich Berichten internationaler Hilfsorganisationen zufolge auf der Flucht befinden. Felder bleiben unbestellt, Ernten fallen aus, Vieh wird gestohlen, entführt getötet. Hunger droht im Westsudan. Rebellenführer Abdel Waheed el-Nur:
Es wird keinen Frieden im Sudan geben, wenn die Regierung in Khartoum und die Sudanesische Befreiungsbewegung kein umfassendes Abkommen aushandeln.
Wir sind diejenigen, die am meisten unter dieser Regierung leiden. Wir sind diejenigen, denen historische Ungerechtigkeit widerfahren ist. Wir hätten schon vor dem Süden einen Krieg beginnen können. Es muss einen neuen Sudan geben, der alle in die Regierung einschließt. Bis jetzt sind uns alle Rechte vorenthalten worden.
Die Regierung ist taub für derlei Argumente. Mit den Rebellen im Süden setzt sie sich wegen des massiven amerikanischen und internationalen Drucks ins Benehmen. Die Aufständischen im Westen aber sind für sie Banditen und Terroristen. Keine Gespräche, keine Verhandlungen. Die Herrscher in Khartoum verfahren nach den alten falschen Rezepten. Staatschef Omar Hassan el-Baschir sagt:
Im gesamten Sudan müssen wir uns mächtig anstrengen, um ein Gefühl der Zugehörigkeit zur Nation anstelle der Zugehörigkeit zu einem Stamm oder einem bestimmten Gebiet zu schaffen. Im Westen kann davon keine Rede sein. Bomben auf Dörfer, stellt Sa'id Fulan aus dem Krisengebiet Norddarfur nüchtern fest, nehmen die Menschen sicherlich nicht für die Zentralregierung in Khartoum ein.
Im Radio hörst du, wie die Regierung behauptet, Schulen erhalten und unterstützt zu haben. In Wirklichkeit ist es nicht so. Die Kinder werden im Freien und oft ohne Lehrer unterrichtet. In einigen Gebieten haben die Lehrer seit sieben Monaten kein Geld bekommen.
Knapp zwei Milliarden Dollar nimmt der Sudan jährlich durch den Verkauf von Öl ein. Bislang ist wegen des Krieges im Süden viel Geld in Rüstung und Waffen geflossen. Nicht Ideologie oder ein großer Plan stecken hinter dem Handeln der Regierung, sagt Joshua Dau Diu von der oppositionellen Union der Sudanesisch-Afrikanischen Parteien.
Ihre Kinder sind im Ausland und leben von dem großen Geld. Ich hoffe, du kannst die mal fragen, wo all das Ölgeld hingeht. Es wird nicht für Löhne ausgegeben - viele Menschen bekommen monatelang keinen Lohn. Wovon leben die? Das Land befindet sich in einem furchtbaren Durcheinander.
Sozialismus, Kapitalismus, Islamismus - das seien Ideologien, die von den Herrschenden in den vergangenen Jahrzehnten lediglich als Staffage benutzt worden seien, um die eigenen Taschen zu füllen.
Diskoabend im deutsch-sudanesischen Verein in Khartoum. Die Schönen und die Reichen kommen hierher. Die Sprösslinge jener, die den Ölreichtum fein säuberlich untereinander aufteilen und dabei den Rest des Landes vergessen. Die Hauptstadt boomt. Es herrscht Aufbruchstimmung. Politisch schüttelt der Sudan den Paria-Status ab und findet aus der totalen Isolation zurück in die Völkergemeinschaft. Das internationale Interesse ist groß. Der Sudan ist ein reiches Land, besitzt Bodenschätze wie Öl, Gold, Kupfer in großen Mengen. Autohäuser, Computershops, Restaurants, Modegeschäfte - bis vor kurzem war all dies im Stadtbild von Khartoum noch schwer vorstellbar.
Wenn wir uns die Ressourcen anschauen, dann erkennen wir, dass der Sudan extrem wohlhabend ist. Unser Problem ist die fehlende Stabilität. Wir brauchen Stabilität. Der Krieg hat das Land verarmt, er hat viele Ressourcen aufgefressen und die Nutzung anderer verhindert. Die Menschen scheuen sich, in sudanesische Projekte zu investieren, sie werden abgeschreckt. Aber das Geld wird fließen, es kommt mit dem Frieden.
Staatschef Bashir verspricht Wohlstand und Gerechtigkeit für alle. Aber wer glaubt ihm und seiner regierenden Nationalen Islamischen Front kurz NIF? Joshua Dau Diu:
Jeder hat die Nase gestrichen voll von der NIF. Ganz gleich, ob er aus dem Norden, Osten, Westen oder Süden kommt. Die dominieren den ganzen Wirtschaftssektor, die kontrollieren die Ökonomie. Und jene, die nicht zu ihnen gehören, die müssen vom Verkauf ihres Besitzes leben.
Feilen am U-Stück aus Baustahl, feilen an der Zukunft im Don Bosco Ausbildungszentrum der italienischen Bruderschaft der Salesianer in Khartoum. Sie gehören zu den Ärmsten der Armen: junge Männer aus den Flüchtlingslagern rund um die sudanesische Hauptstadt.
Drehen, bohren, schweißen, hobeln. Rund 500 Südsudanesen werden zwei Jahre lang zum Automechaniker, Schreiner, Drucker, Elektriker oder Schlosser ausgebildet. Der deutsche Kfz-Meister Reiko Borrmann gehört zu den Lehrkräften.
Es gab Probleme bei den ersten Biegungen hier. Da ist das Rohr angeschnitten worden, weil die Phase zu scharf war. Das haben wir noch mal auf die Drehbank genommen und poliert und eine kleine Phase drangemacht, jetzt arbeitet es anscheinend besser, die Biegungen werden jetzt sauber und wunderbar.
Rohre für Schulmöbel. Ein Großauftrag, mit dem der klamme Haushalt aufgebessert werden kann. Pro Lehrling wendet das Ausbildungszentrum knapp 1000 Euro auf - finanziert im wesentlichen durch Zuwendungen und Spenden aus Italien und Deutschland. Die Selbstbedienung der Mächtigen und der Krieg im Süden haben die Mittel und Gelder Sudans aufgezehrt. Für Bildung und Ausbildung ist kaum etwas übrig geblieben. Der Unterricht an Schulen und Universitäten ist mangelhaft. Eine Berufsausbildung an Werkbank und Maschine unter Anleitung von Lehrern und Meistern findet schon seit vielen Jahren kaum noch statt. Deshalb sind die Don Bosco-Ausbildungsplätze auch so begehrt. Auf eine Lehrstelle kommen zehn Bewerber.
Übungsstunde der Don Bosco Boys. Unter den jungen Männern herrscht Aufbruchstimmung. Zum ersten Mal seit undenklichen Zeiten bestehen echte Aussichten auf Frieden. "Wir brauchen Frieden wie die Luft zum Atmen" sagt Bruder Giacomo. Doch der Salesianer warnt seine Schützlinge vor Übereifer.
Wir müssen bedenken, dass diese Leute hier seit mehr als zehn, fünfzehn Jahren leben. Sie kennen die Situation im Süden nicht. Sie haben vielleicht einen florierenden, viel versprechenden Süden verlassen, aber die Lage heute ist anders. Eines der größten Probleme sind die Landminen, die manche Gebiete unzugänglich gemacht haben.
Trommeln in der Nacht. Trommeln im Flüchtlingslager von Rubkona am Gazellenfluss in der Provinz Unity State. In dieser Provinz entscheidet sich das Schicksal der staatlichen Einheit Sudans. Von hier kommen das Öl und der Reichtum. Politisch wird die Provinz zum Süden gehören, aber der Norden wird das schwarze Gold fördern und - so ist es vertraglich vereinbart worden - zum Nutzen von Nord und Süd gleichermaßen verkaufen.
Ob das Ölgeld auch tatsächlich da ankommt, wo es am dringendsten gebraucht wird - bei den einfachen Menschen, den Flüchtlingen, den Schulkindern - das ist noch lange nicht ausgemacht. Die Lebensumstände in den von der SPLA kontrollierten Gebieten sind nicht besser als in den von der Regierung beherrschten Landstrichen. Auch hier fehlt es an Schulen, Straßen, Arbeitsplätzen und Sicherheit. Auch hier gibt es eine selbstherrliche Herrscherriege, die sich bestens darauf versteht, den eigenen Vorteil zu suchen. Die Befreiungsbewegung steht keineswegs in geschlossener Nibelungentreue hinter ihrem Führer John Garang. Garang ist Dinka und gehört zum Stamm der Bor. Zu offensichtlich, sagen seine Kritiker aus dem SPLA-Lager, versuche er Leute seines Stammes und Clans, in einflussreiche Positionen zu hieven. Andere Dinka-Stämme kommen zu kurz. Ganze Regionen - wie die im äußersten Südosten gelegene Provinz Äquatoria - fühlen sich übergangen. Demokratische Strukturen wird es nach Einschätzung von Chefredakteur Alfred Taban weder im Norden mit Bashir noch im Süden mit Garang geben.
Er hat ein großes Interesse an Demokratie im Norden. Ich glaube nicht, dass er an Demokratie im Süden interessiert ist, weil das seine Pfründe gefährden würde, und wegen der Menschenrechtsverletzungen, die seine Truppen gegen große Teile der Bevölkerung verübt haben. Demokratie im nationalen Sinne ja! Das ist sehr verlockend. Aber im Süden? Ich glaube nicht, dass du das Word Demokratie überhaupt murmeln würdest, wenn du nach Juba gingest.
Ista'idu steht auf den Koppeln der Soldaten in Dilling in den Nuba-Bergen - seid bereit. Das Abkommen wird kommen. Aber auch der Frieden? Viele Waffen, Eigeninteressen, offene Rechnungen und ungesühnte Verbrechen hat das blutige Wüten in den vergangenen zwei Jahrzehnten hervorgebracht. Der Weg zur Aussöhnung im Sudan ist steinig, der Weg zu friedlicher Entwicklung miteinander bislang nur eine Hoffnung.