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Südafrikanische Männer emanzipieren sich langsam vom Patriarchat

Das schwere Erbe der Apartheid wirkt sich noch immer aus. Das tief verwurzelte Rollenverständnis zwischen Mann und Frau ändert sich nur langsam. Doch einige Südafrikaner machen sich daran, ihr Verhalten zu überdenken und zu verändern.

Von Kerstin Poppendieck | 24.03.2012
    Eine Strasse in Khayelitsha. Das Township am Rande von Kapstadt ist eines der größten in Südafrika. Über eine Million Menschen leben hier. Die meisten von Ihnen sind schwarz, ihre Muttersprache ist isoXhosa. Manche wohnen in einfachen Steinhäusern aber die meisten Menschen haben sich Hütten aus Wellblech, Brettern und Planen gezimmert. Männer schlendern die Strassen hinauf und hinunter. Nicht mal jeder Zweite hier hat einen Job. Aus einer Steinbaracke tönt Hip Hop Musik. Es ist Samstag Mittag und drinnen wird bereits getrunken. Nebenan wohnt Dumile. Der 64jährige trägt den Spitznamen "Grauer Elefant", weil er so alt, gutmütig und gleichzeitig stark ist.

    "Ich bin Dumile, der graue Elefant. Es ist ein schöner Tag, um euch alle zu treffen, meine Brüder. Ich bin Fraser Jacob. Ich bin sehr nervös und gleichzeitig freue ich mich, denn es ist lange her, dass ich mich mit Männern getroffen habe, so wie jetzt. Ich bin Sipho und ich bin glücklich. Ich hoffe, dass ich heute noch mehr Informationen bekomme, die ich brauche."

    Sechs Männer sitzen in dem kleinen Wohnzimmer von Dumile. Auf 10 Quadratmetern stehen zwei alte, abgewetzte Sofas, daneben zwei braune Sessel. Die gesamte Einrichtung ist alt und abgenutzt. In der dunkelbraunen Anbauwand steht eingerahmt eine Urkunde. Darauf ist Dumile besonders stolz. Auf der Urkunde steht, dass Dumile erfolgreich am Mankind-Project-Training teilgenommen hat. Jeder der Männer hier hat so eine Urkunde. Das Mankind-Project ist eine Art Selbsthilfegruppe für Männer. Es geht dabei um ihr Verhalten als Männer und um ihre Rolle in der Gesellschaft. Einmal pro Woche treffen sie sich um über ganz spezielle Fragen und Probleme zu diskutieren. Sie alle möchten sich, wollen ihr Verhalten als Männer ändern.

    "Ich war früher anders. Ich habe meine Freundin misshandelt. Auch mein Vater hat meine Mutter verprügelt. Das hat mich geprägt. Ich habe mich ständig geprügelt, ich habe viele negative Dinge gemacht. Seitdem ich beim Mankind-Projekt bin hab ich mich geändert. Hier habe ich die Unterstützung bekommen, die ich brauchte, um ein besserer Mensch zu sein. Heute bin ich aufrichtig, man kann mir vertrauen, ich bin mitfühlend und energisch."

    "Die meisten Männer hier sind arm. Sie misshandeln ihre Kinder, ihre Frauen. Aber das Mankind-Projekt ändert ihre Mentalität. Wir denken jetzt über unsere Mitmenschen nach und schlagen sie nicht. Wir denken nach – so fangen wir an."

    Es fällt den Männern schwer sich zu öffnen und über ihre Gefühle zu reden. Ein echter Mann ist stark, er bringt Geld und Essen nach Hause und hat das Sagen in der Familie – nach diesen Maßstäben sind sie erzogen worden. Und wenn Männer ihre Frauen schlagen, dann um zu zeigen, wer der Herr ist. Was viele Frauen als Vergewaltigung bezeichnen, ist für die Männer ehelicher Geschlechtsverkehr, denn mit der Hochzeit haben sie ihrer Meinung nach gleichzeitig das Recht erhalten, Sex zu haben, wann immer sie wollen, ohne das ihre Frauen zustimmen müssen.

    Sikhangele Mabulu kennt diese Probleme genau. Er arbeitet als Projektleiter bei Brothers for Life, einer Initiative, die sich ähnlich dem Mankind-Project um das Rollenverständnis und Verhalten von Männern kümmert. Sogar die südafrikanische Regierung hat mittlerweile die Notwendigkeit dieser Projekten erkannt, und fördert Brothers for Life.

    "In Südafrika hatten wir schon immer ein patriarchalisches Gesellschaftssystem. Weil dieses System aber unser Land zerstört, ändert sich das jetzt langsam. Uns Männern wurde immer gesagt, dass wir nicht weinen dürfen, dass wir uns verteidigen müssen, wenn wir geschlagen werden, dass ein echter Mann Kinder zeugen muss und dass wir nichts mit Frauen gemeinsam machen dürfen. Aber wenn jemand keine Kinder zeugen kann oder will, ist er deshalb doch nicht weniger männlich. Niemand darf jemanden zu etwas zwingen, jeder darf für sich allein entscheiden. Das wollen wir den Menschen vermitteln."

    Doch die meisten Männer tun sich schwer damit, ihr Verhalten zu ändern. Für sie sind Begriffe wie Gleichberechtigung Nonsens, den ihnen die westlichen Länder einreden wollen. Mandla Mandela etwa, einer der Enkel des ehemaligen südafrikanischen Präsidenten und Nationalhelden Nelson Mandela, findet es auch heute richtig, das minderjährige Mädchen an Männer zwangsverheiratet werden. Sein Argument: Das sei Teil seiner Kultur, und Kultur kenne kein Alter. Durch Männer wie ihn, die große Anerkennung unter den schwarzen Südafrikanern genießen, werden Projekte wie Brothers For Life immer wieder zurückgeworfen. Sikhangele Mabulu hat am eigenen Leibe erfahren, wie schwer es sein kann sich ändern zu wollen. Denn sowohl der eigene Kopf als auch die Menschen in der Nachbarschaft, haben es ihm schwer gemacht.

    "Ich hätte nie gedacht, dass ich heute nichts dabei finde abzuwaschen. Das war wirklich eine Herausforderung für mich. Die anderen Männer haben mich gefragt: Was ist denn mit dir los? Sie haben gesagt, ich würde unsere Kultur verraten, ich sei eine Schwuchtel, kein echter Mann. Für viele Männer ist so etwas wie Abwaschen einfach unvorstellbar. Deshalb wasche ich jetzt immer ganz früh am Morgen ab, damit mich keiner sieht."

    Die sechs Männer sitzen immer noch um den Wohnzimmertisch in Khayelitsha und diskutieren. Nebenan in der illegalen Kneipe sind die ersten Männer betrunken. Die Meisten in Khayelisha wissen zwar vom Mankind-Project, aber sie würden nie zu einem der Treffen gehen. Auch Projektleiter Jerome Jacobs hat festgestellt, wie schwer es ist, Männer zu motivieren, mitzumachen. Dabei ist Jacobs sich sicher, dass Südafrikas Männer mit einer weiterentwickelten Einstellung, dem Land endlich den notwendigen Aufschwung bringen würden.

    "Ich liebe es, ein Mann in Südafrika zu sein. Das war aber nicht immer so. Es gab eine Zeit, da war es eher etwas, wofür ich mich geschämt habe. Das ist unsere eigentliche Herausforderung: selbstbewusst zu sagen, wir sind etwas Wert."