Archiv


Süßer die Glocken nie klingen

Technik. - Dass an katholischen Universitäten die akademischen Feinheiten der Theologie gelehrt werden, darf als Selbstverständlichkeit gelten. Womit aber befasst sich ein Ingenieur, der an einer christlichen Hochschule lehrt? Hier die Antwort: Christian Eugene, Elektrotechniker an der Katholischen Universität im belgischen Louvain, entwickelt einen Sensor, der auf verblüffend einfache Weise den Klang eines höchst sakralen Instruments überwacht - den einer Kirchenglocke.

    Von Frank Grotelüschen

    Die Qualität des Glockenklangs hängt davon ab, wie stark sich die Glocke bewegt, wie weit sie beim Schwingen ausschlägt. Schwingt sie zu wenig, so klingt sie dünn und irgendwie gequetscht. Schwingt sie zu stark, schlägt der Klöppel doppelt an und unterbricht den Klang. Zwischen diesen beiden Extremen gibt es einen Winkel, bei dem die Glocke am besten klingt. Dieser optimale Winkel ist für jede Glocke anders, und er hängt auch ab von Größen wie Temperatur und Luftfeuchtigkeit. Es macht also Sinn, die Bewegung der Glocke mit einem Sensor zu überwachen, damit sie auch nach Jahren noch optimal klingt.

    Christian Eugene ist Elektrotechnik-Professor an der Katholischen Universität in Louvain, gelegen im französischsprachigen Teil von Belgien. Für das Problem, das er beschreibt, gibt's eigentlich eine naheliegende Lösung - und zwar eine Lichtschranke, die durchbrochen wird, wenn die Glocke über ihren optimalen Winkel hinausschwingt. Der Haken. Eugene:

    In den meisten Kirchtürmen ist einfach kein Platz für so einen Sensor. Deshalb haben wir uns gefragt, ob man das Problem nicht auch ohne einen zusätzlichen Sensor lösen könnte.

    Die Antwort darauf hängt mit dem Fakt zusammen, dass die tonnenschweren Glocken heute gewöhnlich nicht per Hand geläutet, sondern von einem kräftigen Motor in Schwung gebracht werden. Eben diesen Motor wollen die Belgier als Sensor nutzen. Klingt verblüffend und soll wie folgt funktionieren:

    Mit der Glockenbewegung verhält es sich wie mit dem Kind auf der Schaukel. Wenn man dem Kind Anschwung gibt, macht man das nur in dem Augenblick, wenn das Kind ganz oben ist. Genauso macht es der Motor mit der Kirchenglocke. Er gibt ihr nur dann für einen kurzen Moment Schwung, wenn die Glocke ganz oben ist. Die restliche Zeit ist der Motor nicht aktiv. Und in dieser Zeit können wir ihn als Sensor verwenden.

    Vereinfacht gesagt legen die Forscher mehrere Kabel an die Windungen des Elektromotors an und greifen damit allerlei elektrische Signale ab. Ein Computer ermittelt daraus die Amplitude, mit der die Glocke gerade bimmelt. Weicht diese Amplitude vom optimalen Wert ab, etwa weil sich der Antrieb bei einem Wetterumschwung ein wenig verstellt, greift der Computer korrigierend ein - und regelt den Motor entweder rauf oder runter. Eugene:

    Der erste Schritt ist, die optimale Amplitude für eine Glocke herauszufinden. Das geschieht rein nach Gehör. Durch Zuhören findet man heraus, bei welcher Amplitude die Glocke am besten klingt. Diese Amplitude gibt man dann als Referenz in den Computer ein. Der regelt die Glocke dann immer auf diesen Wert ein.

    Bislang allerdings hat der Belgier das Prinzip nur an einer Laborglocke erprobt. Der Test im Kirchturm steht noch aus. Immerhin: Christian Eugene hat bereits einen Industriepartner gefunden. Und der könnte binnen eines Jahres ein Produkt auf den Markt bringen - den Sensor, der das fromme Geläut stets angenehm in den Ohren tönen lässt und nicht etwa schrill, dröhnend oder gar peinigend.