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Supermikroskop für Datenbits

Physik. - Jahr für Jahr gelingt es den Herstellern von Computerfestplatten, immer kleinere magnetische Bits herzustellen, um immer mehr Daten speichern zu können. Das Problem für die Zukunft: Werden die winzigen Magnete zu klein, so werden sie instabil und sind nicht mehr in der Lage, dauerhaft Informationen zu speichern. Wie sich derart winzige Magnetbits im Detail verhalten, darüber ist heute noch wenig bekannt. Physiker der Universität Hamburg haben ein Mikroskop entwickelt, mit dem auch winzigste magnetische Strukturen sichtbar gemacht werden können, selbst wenn sie weniger als zehn Atome breit sind. Für ihre Erfindung werden die Forscher mit dem Philip-Morris-Forschungspreis ausgezeichnet.

    Von Frank Grotelüschen

    Jetzt schiebe ich die Spitze in die Kammer, in der unser Tieftemperatur-Rastertunnelmikroskop sitzt, und greife sie jetzt wieder mit einem mechanischen Arm.

    Hochkonzentriert hantiert Matthias Bode mit dem Manipulator; so heißt der mechanische Greifarm. Mit ihm kann der Physiker winzige Materialproben in einer luftleeren Versuchsapparatur hin und her bewegen.

    Das erfordert sehr viel Training und Fingerspitzengefühl. Vor allem: Wenn wir die Probe jetzt fallen lassen, kostet uns das zirka zwei Wochen, bis wir alles wieder in Betrieb haben, weil wir die Kammer dann aufmachen müssen.

    Fünf Module aus Edelstahl, verbunden durch Flansche und Röhren, ausgestattet mit kleinen Bullaugen. Ein wenig ähnelt die Versuchsapparatur dem Modell einer Raumstation. Das Herz des Experiments steckt in dem größten Modul.

    Das ist eine große Tonne, ungefähr 2,5 Meter hoch. Es ist im Grunde eine Thermoskanne, in deren Mitte die Probe gehalten wird.

    In der Thermoskanne steckt ein Rastertunnelmikroskop. Im Prinzip ist es eine extrem dünne Nadel, die Millionstel Millimeter über der Materialprobe schwebt. Zwischen Nadel und Probe fließt ein Strom, der Tunnelstrom. Er ist so eingestellt, dass die Nadel immer im selben Abstand über der Probe schwebt - ähnlich wie auch ein Flugzeug mit automatischer Höhenkontrolle stets in gleicher Höhe fliegt. Die Nadel fährt Zeile für Zeile über die Probe und zeichnet auf einem Monitor ein Bild, auf dem selbst feinste Details zu erkennen sind - zum Teil sogar einzelne Atome. Gemeinsam mit seinem Chef Roland Wiesendanger hat Matthias Bode das Rastertunnelmikroskop nun weiterentwickelt.

    Wir beschichten jetzt die Spitze mit einem magnetischen Material beschichten und messen über magnetischen Oberflächen. In diesem Fall hängt der Tunnelstrom nicht nur vom Abstand ab, sondern auch von der Magnetisierung in Spitze und Probe. Ganz einfach kann man sagen: Wenn Spitze und Probe parallel ausgerichtet sind, also Nord- und Südpole in die gleiche Richtung zeigen, dass dann der Tunnelstrom eher größer wird. Wenn sie antiparallel sind, wird er kleiner. Und das nutzen wir jetzt aus.

    Spinpolarisiertes Rastertunnelmikroskop, so nennen die Hamburger ihr Instrument. Es macht winzige magnetische Bereiche sichtbar, und zwar mit einer Auflösung von weniger als einem Nanometer, einem Millionstel Millimeter. Vor einiger Zeit konnten die Forscher sogar den Spin - also quasi das Magnetfeld - von einzelnen Manganatome erkennen.

    Jetzt werde ich die Probe in den Atomstrahl halten für etwa 25 Sekunden und somit hoffentlich die kleinen Eiseninseln erzeugen.

    Heute will Bode mikroskopische Eisenmagneten untersuchen. Dazu bedampft er ein kleines Molybdänplättchen behutsam mit Eisenatomen.

    Und fertig. Alles klar, das war es schon.

    Bode nimmt den Greifarm und transportiert die Probe zügig ins Mikroskop. Je schneller der Transport, umso sauberer bleibt die Probe. Dann, nach einer knappen Stunde Warten, kann die Bildaufnahme beginnen. Zeile für Zeile fährt die Nadel über die Probe, Zeile für Zeile baut sich auf dem Monitor ein Bild auf, das so ähnlich aussieht wie ein Kopfsteinpflaster.

    Wir sehen jetzt hier kleine helle und dunkle Flecken auf einer grauen Oberfläche. Und diese hellen und dunklen Flächen entsprechen Inseln, die entweder aufwärts oder abwärts magnetisiert sind.

    Superparamagnetische Inseln, so der Fachbegriff für die nanometerkleinen Eisenflecken. Wenn man so will ist das Ganze ein Modellsystem für die Computerfestplatte der Zukunft. Denn im Prinzip vermag jede der Eiseninseln ein Bit zu speichern. Das Problem: Die Inseln sind so klein, dass sie sich - angetrieben von der natürlichen Wärmebewegung - ganz von selbst ummagnetisieren.

    Was natürlich nicht wünschenswert ist, denn wir alle wollen ja, dass die Information, die wir auf unserer Festplatte speichern, auch noch morgen und in einem Jahr drauf ist.

    Mit seinem Mikroskop untersucht Matthias Bode die prinzipiellen Mechanismen dieser Ummagnetisierung. So möchte er gern verstehen, wie im Detail das Umkippen der Magnetinseln von der Temperatur abhängt. Grundlagenforschung für die Datenträger der Zukunft.

    Was wir jetzt zeigen konnten ist, dass die Schaltrate auch von der Form der Insel maßgeblich abhängt. Eher runde, die schalten eher selten. Solche, die eine sehr langgestreckte oder verzweigte Form aufweisen, da zeigen unsere Ergebnisse deutlich, dass diese Teilchen sehr häufig schalten.

    Will heißen: Die Hersteller tun gut daran, möglichst runde, kompakte Magnetkörnchen für ihre Festplatten zu verwenden. Das jedenfalls legen die Messdaten aus dem Hamburger Spezialmikroskop nahe.