"Ich glaube, sie wäre eine gute Präsidentin. Ich glaube, sie würde es besser machen als ein Mann, weil sie vielleicht ordentlicher wäre. Wenn ich wählen dürfte, würde ich sie wählen."
"Ich halte sie für keine sehr verlässliche Person. Als Ministerin hat sie mich nicht überzeugt."
"Ich bin für Michelle Bachelet, ja. Ich finde sie gut, hoffentlich schafft sie es. In allen Umfragen liegt sie vorn. Hoffentlich gewinnt sie."
Eine Schülerin, ein junger Mann und eine ältere Dame – befragt vor dem Regierungspalast Moneda im Herzen von Santiago de Chile über die Präsidentschaftskandidatin Michelle Bachelet. In dieses Gebäude will die Sozialistin Bachelet als erste Präsidentin Chiles einziehen. Und glaubt man den Meinungsforschungsinstituten, will eine deutliche Mehrheit der Wähler die 54-Jährige dort sehen.
Seit Monaten führt die Kandidatin des regierenden Mitte-Links-Bündnisses "Concertación" die Umfragen an, zuletzt lag sie bei 44 Prozent. Sollte Michelle Bachelet die Wahl gewinnen, würde, fünfzehn Jahre nach dem Ende der Militärdiktatur, erstmals eine Politikerin regieren, die selbst direkt von der Repression betroffen war. Ihr Vater, ein General, der dem sozialistischen Präsidenten Salvador Allende Nahe stand, wurde nach dem Putsch 1973 gefoltert und starb wenige Monate später. Michelle Bachelet wurde 1975 festgenommen, für kurze Zeit im berüchtigten Folterzentrum Villa Grimaldi festgehalten, dann ging sie ins Exil in die DDR. Vier Jahre später, lange vor dem Ende der Pinochet-Diktatur, kehrte sie nach Chile zurück
"Die Chilenen kennen meine Geschichte. Sie wissen, dass es mir ergangen ist wie vielen anderen. Und sie wissen, dass ich trotz meiner Biographie von einem konstruktiven, positiven Geist beseelt bin, um, an welcher Stelle auch immer, beständig dafür zu arbeiten, dass wir in unserem Land die Lehren aus der Vergangenheit ziehen. Damit wir nie wieder, im Interesse einer bestimmten Gruppe, die Demokratie aufs Spiel setzen. Ich will dafür arbeiten, dass wir stets demokratische Mechanismen und Methoden vorziehen, um unsere Gegensätze zu überbrücken und Interessenkonflikte zu lösen."
Nicht wenige Chilenen sehen in der Kandidatur Michelle Bachelets ein Symbol für Versöhnung, für eine mögliche Überwindung der Spaltung der chilenischen Gesellschaft. Die Sozialistin selber tut sich schwer mit dem Wort Versöhnung. Sie weiß, dass für die Opfer der Diktatur keine Rede davon sein kann, solange nicht die Verbrechen vollständig aufgeklärt und die Täter zur Rechenschaft gezogen worden sind. Michelle Bachelet spricht lieber von "Reencuentro", Wiederbegegnung der Chilenen, dafür will sie sich einsetzen. Aber die Vergangenheitsbewältigung ist nur eines der Themen auf der Agenda der Kinderärztin, die in der Regierung des scheidenden Präsidenten Ricardo Lagos zunächst das Gesundheitsressort betreute. Danach wurde sie, die Tochter des verfolgten Generals, Verteidigungsministerin – als erste Frau, auch das eine kleine Sensation in Chile. Nun strebt Michelle Bachelet ins Präsidentenamt. Der junge Mann vor dem Regierungspalast will sie zwar nicht wählen – grundsätzlich kann er sich eine Frau als Präsidentin aber vorstellen:
Dagegen ist die 17-jährige Schülerin, die mit einer Freundin über den Platz bummelt, skeptisch:
"Ich halte es für schwierig, dass wir eine Präsidentin bekommen. Die Gesellschaft hier ist extrem machistisch. Außerdem wird den Frauen nicht viel zugetraut, und ständig werden sie kritisiert. Dass sie schlecht Autofahren, dass sie alles schlecht machen. Das ist meine Meinung. Frauen werden hier diskriminiert. Am liebsten sähe man, dass sie sie zuhause bleiben und nicht arbeiten."
Michelle Bachelet hat drei Kinder, eine Tochter lebt noch zu Hause. Die Präsidentschaftskandidatin ist allein erziehend. Dass ihre Kinder von zwei verschiedenen Vätern stammen, ist für manche konservative Chilenen gewöhnungsbedürftig. Die natürlich wirkende Frau mit der randlosen Brille und dem praktischen Kurzhaarschnitt spricht ungern über ihr Privatleben, doch dass sie Mutter ist, betont sie häufig. Was sie selbst geschafft hat – die Mutterrolle mit Studium und Berufstätigkeit zu vereinbaren – will sie in Chile mehr Frauen ermöglichen. Die Kandidatin bei einem Wahlkampfauftritt:
"Die Frauen in diesem Land brauchen mehr Chancen. Auf dem Arbeitsmarkt zum Beispiel. Die Arbeitsgesetzgebung muss sich ändern, Teilzeitarbeit muss erleichtert werden. Wir müssen etwas gegen die Diskriminierung tun, die oft noch existiert, und gegen die schlechte Bezahlung von Frauen. Wir brauchen für Frauen Ausbildungsprogramme mit Qualität. Und bei den Renten muss es Anpassungen geben. Frauen erhalten heute immer noch weniger Rente als Männer."
Zu den Vorhaben der Präsidentschaftskandidatin gehört es auch, allen chilenischen Kindern Zugang zu vorschulischen Einrichtungen zu ermöglichen. In einem Land, in dem die sozialen Unterschiede riesig sind, will sie so die Weichen für mehr Chancengleichheit stellen. Chile hat in den vergangenen Jahren zwar große Fortschritte bei der Armutsbekämpfung gemacht. Zwischen 1990 und 2004 gelang es der Regierung, die Armut um mehr als die Hälfte zu verringern. Doch die Einkommen bleiben in dem Andenstaat so ungleich verteilt wie in nur wenigen anderen Ländern Lateinamerikas.
"An erster Stelle steht für mich, dass wir große Fortschritte im Kampf gegen die Ungleichheit in unserem Land machen müssen. Die Wirtschaft soll weiter wachsen, aber alle Chilenen sollen von den Gewinnen profitieren."
Chiles Wirtschaftswachstum in den letzten eineinhalb Jahrzehnten war beeindruckend. Um durchschnittlich 7,2 Prozent pro Jahr stieg das Bruttoinlandsprodukt. Den Markt teilen sich vor allem sehr große Unternehmen untereinander auf, der Mittelstand hat es schwer. Die Sozialistin Bachelet will kleineren Unternehmen bessere Wettbewerbschancen eröffnen und gegen Monopole vorgehen. Einer ihrer Herausforderer, Sebastían Pinera von der rechtsliberalen Partei "Nationale Erneuerung", ist selbst ein Großunternehmer. Er besitzt unter anderem Kapitalanteile an der Fluggesellschaft LAN Chile, an privaten Fernsehsendern und Bergbauunternehmen. Sein Vermögen wird auf mehr als eine Milliarde US-Dollar geschätzt. In den Umfragen liegt Pinera bei plusminus zwanzig Prozent, etwa gleichauf mit dem anderen Kandidaten der rechten Opposition, Joaquín Lavín.
Sollte es Michelle Bachelet morgen nicht gelingen, die notwendige absolute Mehrheit zu erringen, findet im Januar ein zweiter Wahlgang statt. Die Rechtsparteien werden dann ihre Kräfte bündeln und mit dem Kandidaten antreten, der besser abgeschnitten hat. Dass sich Michelle Bachelet gegen die männliche Konkurrenz durchsetzen kann, hofft die ältere Dame auf dem Platz vor dem Regierungspalast:
"Sie hält zu den Armen, zu den Leuten mit geringem Einkommen, und zu den alten Leuten, die von wenig Rente leben. Natürlich, nicht jeder mag sie, aber sie hat gute Dinge gemacht. Ich werde sie wählen, na klar!"
"Ich halte sie für keine sehr verlässliche Person. Als Ministerin hat sie mich nicht überzeugt."
"Ich bin für Michelle Bachelet, ja. Ich finde sie gut, hoffentlich schafft sie es. In allen Umfragen liegt sie vorn. Hoffentlich gewinnt sie."
Eine Schülerin, ein junger Mann und eine ältere Dame – befragt vor dem Regierungspalast Moneda im Herzen von Santiago de Chile über die Präsidentschaftskandidatin Michelle Bachelet. In dieses Gebäude will die Sozialistin Bachelet als erste Präsidentin Chiles einziehen. Und glaubt man den Meinungsforschungsinstituten, will eine deutliche Mehrheit der Wähler die 54-Jährige dort sehen.
Seit Monaten führt die Kandidatin des regierenden Mitte-Links-Bündnisses "Concertación" die Umfragen an, zuletzt lag sie bei 44 Prozent. Sollte Michelle Bachelet die Wahl gewinnen, würde, fünfzehn Jahre nach dem Ende der Militärdiktatur, erstmals eine Politikerin regieren, die selbst direkt von der Repression betroffen war. Ihr Vater, ein General, der dem sozialistischen Präsidenten Salvador Allende Nahe stand, wurde nach dem Putsch 1973 gefoltert und starb wenige Monate später. Michelle Bachelet wurde 1975 festgenommen, für kurze Zeit im berüchtigten Folterzentrum Villa Grimaldi festgehalten, dann ging sie ins Exil in die DDR. Vier Jahre später, lange vor dem Ende der Pinochet-Diktatur, kehrte sie nach Chile zurück
"Die Chilenen kennen meine Geschichte. Sie wissen, dass es mir ergangen ist wie vielen anderen. Und sie wissen, dass ich trotz meiner Biographie von einem konstruktiven, positiven Geist beseelt bin, um, an welcher Stelle auch immer, beständig dafür zu arbeiten, dass wir in unserem Land die Lehren aus der Vergangenheit ziehen. Damit wir nie wieder, im Interesse einer bestimmten Gruppe, die Demokratie aufs Spiel setzen. Ich will dafür arbeiten, dass wir stets demokratische Mechanismen und Methoden vorziehen, um unsere Gegensätze zu überbrücken und Interessenkonflikte zu lösen."
Nicht wenige Chilenen sehen in der Kandidatur Michelle Bachelets ein Symbol für Versöhnung, für eine mögliche Überwindung der Spaltung der chilenischen Gesellschaft. Die Sozialistin selber tut sich schwer mit dem Wort Versöhnung. Sie weiß, dass für die Opfer der Diktatur keine Rede davon sein kann, solange nicht die Verbrechen vollständig aufgeklärt und die Täter zur Rechenschaft gezogen worden sind. Michelle Bachelet spricht lieber von "Reencuentro", Wiederbegegnung der Chilenen, dafür will sie sich einsetzen. Aber die Vergangenheitsbewältigung ist nur eines der Themen auf der Agenda der Kinderärztin, die in der Regierung des scheidenden Präsidenten Ricardo Lagos zunächst das Gesundheitsressort betreute. Danach wurde sie, die Tochter des verfolgten Generals, Verteidigungsministerin – als erste Frau, auch das eine kleine Sensation in Chile. Nun strebt Michelle Bachelet ins Präsidentenamt. Der junge Mann vor dem Regierungspalast will sie zwar nicht wählen – grundsätzlich kann er sich eine Frau als Präsidentin aber vorstellen:
Dagegen ist die 17-jährige Schülerin, die mit einer Freundin über den Platz bummelt, skeptisch:
"Ich halte es für schwierig, dass wir eine Präsidentin bekommen. Die Gesellschaft hier ist extrem machistisch. Außerdem wird den Frauen nicht viel zugetraut, und ständig werden sie kritisiert. Dass sie schlecht Autofahren, dass sie alles schlecht machen. Das ist meine Meinung. Frauen werden hier diskriminiert. Am liebsten sähe man, dass sie sie zuhause bleiben und nicht arbeiten."
Michelle Bachelet hat drei Kinder, eine Tochter lebt noch zu Hause. Die Präsidentschaftskandidatin ist allein erziehend. Dass ihre Kinder von zwei verschiedenen Vätern stammen, ist für manche konservative Chilenen gewöhnungsbedürftig. Die natürlich wirkende Frau mit der randlosen Brille und dem praktischen Kurzhaarschnitt spricht ungern über ihr Privatleben, doch dass sie Mutter ist, betont sie häufig. Was sie selbst geschafft hat – die Mutterrolle mit Studium und Berufstätigkeit zu vereinbaren – will sie in Chile mehr Frauen ermöglichen. Die Kandidatin bei einem Wahlkampfauftritt:
"Die Frauen in diesem Land brauchen mehr Chancen. Auf dem Arbeitsmarkt zum Beispiel. Die Arbeitsgesetzgebung muss sich ändern, Teilzeitarbeit muss erleichtert werden. Wir müssen etwas gegen die Diskriminierung tun, die oft noch existiert, und gegen die schlechte Bezahlung von Frauen. Wir brauchen für Frauen Ausbildungsprogramme mit Qualität. Und bei den Renten muss es Anpassungen geben. Frauen erhalten heute immer noch weniger Rente als Männer."
Zu den Vorhaben der Präsidentschaftskandidatin gehört es auch, allen chilenischen Kindern Zugang zu vorschulischen Einrichtungen zu ermöglichen. In einem Land, in dem die sozialen Unterschiede riesig sind, will sie so die Weichen für mehr Chancengleichheit stellen. Chile hat in den vergangenen Jahren zwar große Fortschritte bei der Armutsbekämpfung gemacht. Zwischen 1990 und 2004 gelang es der Regierung, die Armut um mehr als die Hälfte zu verringern. Doch die Einkommen bleiben in dem Andenstaat so ungleich verteilt wie in nur wenigen anderen Ländern Lateinamerikas.
"An erster Stelle steht für mich, dass wir große Fortschritte im Kampf gegen die Ungleichheit in unserem Land machen müssen. Die Wirtschaft soll weiter wachsen, aber alle Chilenen sollen von den Gewinnen profitieren."
Chiles Wirtschaftswachstum in den letzten eineinhalb Jahrzehnten war beeindruckend. Um durchschnittlich 7,2 Prozent pro Jahr stieg das Bruttoinlandsprodukt. Den Markt teilen sich vor allem sehr große Unternehmen untereinander auf, der Mittelstand hat es schwer. Die Sozialistin Bachelet will kleineren Unternehmen bessere Wettbewerbschancen eröffnen und gegen Monopole vorgehen. Einer ihrer Herausforderer, Sebastían Pinera von der rechtsliberalen Partei "Nationale Erneuerung", ist selbst ein Großunternehmer. Er besitzt unter anderem Kapitalanteile an der Fluggesellschaft LAN Chile, an privaten Fernsehsendern und Bergbauunternehmen. Sein Vermögen wird auf mehr als eine Milliarde US-Dollar geschätzt. In den Umfragen liegt Pinera bei plusminus zwanzig Prozent, etwa gleichauf mit dem anderen Kandidaten der rechten Opposition, Joaquín Lavín.
Sollte es Michelle Bachelet morgen nicht gelingen, die notwendige absolute Mehrheit zu erringen, findet im Januar ein zweiter Wahlgang statt. Die Rechtsparteien werden dann ihre Kräfte bündeln und mit dem Kandidaten antreten, der besser abgeschnitten hat. Dass sich Michelle Bachelet gegen die männliche Konkurrenz durchsetzen kann, hofft die ältere Dame auf dem Platz vor dem Regierungspalast:
"Sie hält zu den Armen, zu den Leuten mit geringem Einkommen, und zu den alten Leuten, die von wenig Rente leben. Natürlich, nicht jeder mag sie, aber sie hat gute Dinge gemacht. Ich werde sie wählen, na klar!"