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Symbole enger Bindung

Archäologie. - Vor allem in Asien sind in den vergangenen Jahrzehnten Tausende kleiner Steinfiguren aus frühen Kulturen entdeckt wurden. 99,8 Prozent sind nicht komplett und wurden offenbar absichtsvoll zerbrochen. Niederländische Archäologen präsentieren jetzt Beweise, dass es sich bei den zerbrochenen Figuren um Symbole geschätzter Beziehungen handelte.

Von Michael Stang |
    Die Jōmon-Kultur gilt als wichtige Phase in der Vorgeschichte Zentraljapans. Aus der Zeit zwischen 10.000 bis 300 vor Christus sind vor allem verzierte Keramiken bekannt, die über ein typisches Schnurmuster verfügen. Ein weiteres Kennzeichen dieser Jäger- und Sammlerkultur sind kleine Steinfiguren, sagt die niederländische Archäologin Ilona Bausch.

    "Der Großteil dieser figürlichen Darstellungen ist zerbrochen. Dort fehlen aber nicht nur kleine Stückchen, sondern oft auch ganze Hälften. Das deutet darauf hin, dass die Figuren absichtlich zerbrochen und zu unterschiedlichen Plätzen gebracht wurden. Wir vermuten daher, dass sie eine Rolle in der Beziehung zweier Menschen gespielt haben."

    Die Forscherin von der Universität Leiden beschäftigt sich seit vielen Jahren mit der Bedeutung dieser zum Teil aufwändig gefertigten Steinfiguren. Zwar wurden im Laufe der vergangenen Jahrzehnte in Japan Tausende solcher figürlichen Darstellungen gefunden, einen Beweis, ob diese eine religiöse oder kulturelle Bedeutung hatten, gibt es jedoch noch immer nicht. Bleibt also die Vermutung, dass sie ein Symbol für die Beziehung zweier Menschen oder Gemeinschaften waren. Um das zu überprüfen, haben Ilona Bausch und ihre Kollegen Datenbanken angelegt, um passende Hälften zu finden.
    "Interessanterweise findet man ja sehr oft nur einen Teil einer Figur. Aber etwa in der berühmten Ausgrabungsstelle Shakado konnten 15 Figuren aus mehr als 1000 Hälften wieder zusammengesetzt werden. Es kommt also vor, dass solche Figurenhälften auch innerhalb eines Dorfes verblieben. Vermutlich wurden die anderen Hälften in der Regel jedoch über größere Entfernungen hinweg verteilt."

    Eine andere Erklärung sei unlogisch, fügt die Niederländerin hinzu. Bislang gebe es leider nur einen Nachweis, dass die Hälften einer Figur in zwei Dörfern gefunden wurden. Die Arbeit sei jedoch schwierig. Zum einen werden die Ausgrabungen meist über die Kommunen organisiert und die Fundstücke daher nur regional untersucht. Ein Austausch der Daten findet somit nur selten statt. Zum anderen gebe es für externe Forscher nur selten die Gelegenheit, Einblick in die jeweiligen Datenbanken zu erhalten. Daher bleibe vorerst nur die Möglichkeit, Kontakt zu so vielen Ausgrabungsleitern wie möglich zu halten, um bei besonderen Fällen zeitnah informiert zu werden. So geschehen vor kurzem, als bei der Freilegung einer Siedlung Steinfiguren an ungewöhnlicher Stelle entdeckt wurden. Sie lagen in der Abfallgrube des Dorfes. Die Interpretation der Funde war nach der Datierung aber kein Problem, so Ilona Bausch.

    "Diese Figuren symbolisierten für eine sehr lange Zeit den Zusammenhalt zwischen zwei Menschen oder Dorfgemeinschaften. Natürlich starben die Dorfbewohner irgendwann und so landeten die alten Figuren auf dem Müll. Interessanterweise gab es jedoch auch eine Fundstelle, in der die Figuren viel älter waren als die Keramiken. Das deutet darauf hin, dass diese Figuren traditionell weitergegeben wurden und für lange Zeit den Bestand dieser Beziehungen symbolisierten."

    Wenn die Figuren tatsächlich Jahrzehnte oder gar Jahrhunderte lang in Familien oder Gruppen weitergegeben wurden, haben die figürlichen Darstellungen womöglich eine größere Bedeutung als bislang angenommen. Nur wertvolle Dinge, die etwa bei Ritualen eine große Rolle spielen, werden auch über den Tod eines Menschen hinweg aufbewahrt.