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Synthetische Biologie
Designzellen als kleine Ärzte im menschlichen Körper

Krankheiten bei den ersten Anzeichen erkennen und direkt behandeln: Gerade bei Erkrankungen wie beispielsweise Schuppenflechte ist das schwierig, denn die Krankheit verläuft in Schüben. Doch das könnte sich ändern - mithilfe von genetisch veränderten menschlichen Zellen.

Von Volkart Wildermuth | 17.12.2015
    Die Schuppenflechte ist ein Leiden, das in Schüben verläuft. Immer wieder entzündet sich die Haut, wird rot und schuppt sich ab. Dann behandeln die Patienten die juckenden Stellen zum Beispiel mit Kortison.
    Martin Fussenegger würde gerne früher eingreifen, den Schub abfangen, bevor ihn die Betroffenen überhaupt bemerken. Dazu möchte der Professor für molekulare Biotechnologie an der ETH Zürich die ärztlichen Leistungen der Diagnose und der Therapie direkt in den Körper der Patienten verlagern, und zwar mithilfe von genetisch veränderten menschlichen Zellen.
    Die Diagnose gelingt diesen Designerzellen über die zwei Entzündungsfaktoren, die das Krankheitsgeschehen bei der Schuppenflechte dominieren, erklärt der Forscher im Skype-Interview:
    "Das ist zum einen der Botenstoff TNF, ein Protein, welches das Immunsystem ausschüttet, und ein weiterer Botenstoff, das sogenannte Interleukin 22, welches ebenfalls durch das Immunsystem ausgeschüttet wird."
    Ein sicheres Zeichen für die Schuppenflechte
    Einzeln kommt jeder Botenstoff auch bei vielen anderen Krankheiten vor. Gemeinsam sind sie ein sicheres Zeichen für die Schuppenflechte. Mit genetischen Tricks hat Martin Fussenegger seinen Designerzellen Andockstellen für die beiden Botenstoffe eingebaut. Der Clou liegt in ihrer Verschaltung. Die TNF-Andockstelle ist ständig aktiv. Bindet sie den Botenstoff führt das zur Bildung der zweiten Andockstellen auf der Zelloberfläche. Bindet die dann an Interleukin 22, schaltet sie die Designerzelle um, vom Diagnose- in den Therapiemodus.
    "Und dieses sequenzielle genetische Schaltung ermöglicht es eben, wenn TNA und Interleukin 22 vorhanden sind, das zu messen und wiederum über eine synthetische Signalkaskade im Inneren der Zelle dann die entzündungshemmenden Botenstoffe zu produzieren. Die werden also in der Designerzelle dann produziert und wieder in den Blutkreislauf abgegeben."
    Und zwar wirklich nur dann, wenn TNF und Interleukin 22 gemeinsam vorliegen und damit tatsächlich ein Schub der Schuppenflechte seinen Anfang nimmt.
    Diese genaue Steuerung ist wichtig, denn wenn das Immunsystem andauernd durch Entzündungshemmer herunterreguliert wird, haben Bakterien und Viren freie Bahn. In der Zellkultur funktionierten die Designerzellen, wie auf dem Reißbrett der synthetischen Biologie geplant. Da wird aber nur mit reinen Substanzen gearbeitet, die Situation im Körper ist viel unübersichtlicher. Der nächste Schritt war deshalb der Tierversuch. Dazu implantierte Martin Fussenegger seine Designerzellen Mäusen in die Bauchhöhle. Anschließend lösten die Forscher mithilfe einer Creme auf der Haut eine Entzündung vergleichbar mit einem Schuppenflechtenschub aus. Anders als bei den Kontrolltieren kam es bei den Mäusen mit den Designerzellen kaum zu einer Hautrötung.
    "Das ist in der Tat das Besondere dieser Regeltechnik. Die Designerzellen erkennen diesen Zustand noch bevor die Symptome der Haut auftreten und es wird gegengesteuert."
    Damit steht fest: Es ist tatsächlich möglich, Designerzellen zu entwickeln, die direkt im Körper wie kleine Ärzte wirken, spezifische Krankheiten diagnostizieren und auch gleich therapieren. Nun ist eine Maus kein Mensch, die Unterschiede beginnen schon bei der Körpergröße. Mithilfe der Biotechnologie kann man inzwischen Zellen dazu bringen, große Mengen an heilenden Eiweißen zu bilden, sagt Martin Fussenegger.
    "Wir glauben, dass die Designerzellen ähnliche hohe Produktionsraten erzielen werden und genug therapeutisches Protein zur Bekämpfung von Schuppenflechte in zukünftigen therapeutischen Anwendungen am Menschen bereitstellen können."
    Noch mindestens zehn Jahre Entwicklungszeit
    Das allerdings wird noch mindestens zehn Jahre Entwicklung benötigen. Gerade weil der Ansatz so neu ist, sind die Zulassungshürden hoch. Ohne einen finanzkräftigen Partner aus der Industrie kann die ETH Zürich das Projekt nicht viel weiter vorantreiben. Martin Fussenegger ist sich aber sicher, dass sich die Investition auf lange Sicht auszahlen wird.
    "Weil das die einzige Therapieform sein wird, in der man Diagnose und Therapie miteinander verschmelzt und es im Prinzip präventiv einsetzt, damit es gar nicht erst zur Krankheit kommt. "