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Tag Sechs des Irak-Krieges: Nach der Tagung der Arabischen Liga

Wenige Wochen vor dem Beginn der Angriffe im Irak unterstrich US-Präsident George W. Bush in einer Rede, dass die Vereinigten Staaten nicht länger als notwendig im Irak bleiben würden und – ähnlich wie nach dem Zweiten Weltkrieg – nicht als Besatzer auftreten wollte. Vielmehr solle das Land eine Verfassung und eine demokratische Infrastruktur bekommen. Bush malte ein ebenso blumiges wie phantasievolles Gemälde vom Nahen Osten, wie er ihn sich nach dem Irak-Krieg und dem Fall des Regimes Saddam Husseins vorstelle:

Peter Philipp | 25.03.2003
    Die Welt hat ein klares Interesse an der Verbreitung demokratischer Werte, weil stabile und freie Nationen keine Mord-Ideologien ausbrüten. Sie ermutigen zu friedvollem und besserem Leben. Und es gibt hoffnungsvolle Signale des Wunsches nach Freiheit im Nahen Osten... Ein neues Regime im Irak würde als dramatisches und inspirierendes Beispiel der Freiheit für andere Nationen der Region dienen…

    Jetzt, wo der Krieg begonnen hat, könnte man meinen, Bush habe von einer anderen Gegend gesprochen und von anderen Nationen: In den Hauptstädten der arabischen Welt jedenfalls gehen Demonstranten auf die Strasse und protestieren gegen die USA. Es gibt keinerlei Anzeichen, dass man dort der versprochenen Demokratisierung freudig und hoffnungsvoll entgegen blickte oder dass man sich von diesem Krieg auch nur ein Quäntchen mehr Freiheit verspräche. Im Gegenteil: Die Vereinigten Staaten werden scharf attackiert, weil sie ein arabisches Land angreifen. Und sie werden der doppelten Moral bezichtigt, weil sie angeblich im Fall Israels zulassen, was ihnen im Fall des Irak den Grund zum Krieg liefert: Die Missachtung von UNO-Resolutionen und der Besitz von Massenvernichtungswaffen.

    Natürlich spielt auch das Gefühl mit, von den USA und dem Westen allgemein aus religiösen und kulturellen Gründen politisch, wirtschaftlich und militärisch ausgenützt, unterdrückt und bevormundet zu werden.

    Solche Gefühle teilen nur wenige der arabischen Führer - zumindest nicht in der Öffentlichkeit. Denn die meisten von ihnen sind auf die eine oder andere Weise von den USA abhängig oder ihnen ergeben. Deswegen liegt es nicht in ihrem Interesse, gegen Washington zu opponieren. Schließlich gebe es Wirtschafts- und Finanzhilfen, häufig auch Schutz von den USA. Und man wolle sich auch die Geschäfte mit den Amerikanern nicht verderben.

    Das heißt nicht, dass man in den arabischen Präsidenten- oder Königspalästen zufrieden wäre mit dieser Lage der Dinge. Denn auch dort fühlt man die Abhängigkeit von den USA auf der einen Seite und die wachsende Unzufriedenheit der Bevölkerung auf der anderen. Dieses Spannungsfeld birgt für viele der Regierungen ein Risiko für das eigene Überleben. Vor allem ist es nicht gerade der geeignete Nährboden für eine Hinwendung zur Demokratie in diesen Ländern.

    Die arabischen Führer haben deswegen auch keine Begeisterung für die Vision des amerikanischen Präsidenten aufbringen können. Sie wissen nur zu gut, dass eine Verwirklichung dieser Vision das Ende ihrer Herrschaft bedeuten würde, zumindest aber drastische Einschränkungen ihrer Macht. Denn keiner von ihnen steht einer Demokratie vor, keiner hat je die Absicht zu erkennen gegeben, demokratische Verhältnisse in seinem Land einzuführen.

    Von Marokko bis in den Irak, und darüber hinaus gibt es zwar Wahlen, aber sehr oft stehen die Ergebnisse bereits vorher fest. Die arabische Welt zählt 280 Millionen Einwohner und erstreckt sich vom Persischen Golf bis zum Atlantik. Sie besteht aus Königreichen wie den Golfstaaten, Saudi-Arabien, Jordanien oder Marokko oder aus Staaten mit einer ausgeprägten Ein-Parteien-Herrschaft - wie im Irak, in Syrien und Ägypten. Allein der Libanon hat ein Mehrparteien-System, aber dieses funktioniert ebenso gut oder schlecht wie der Staat selbst, der unter massivem Einfluss Syriens und begrenzt auch unter dem Einfluss des Iran steht.

    Reformen und Demokratisierung sind in diesen Staaten nicht angesagt. Ein Umstand, der umso deutlicher wird, je mehr die ehemaligen Ostblockstaaten in Europa einen gewaltlosen Wandel zu demokratischen Verhältnissen durchmachen. Dieses Manko der Arabischen Welt war einer der zentralen Kritik-Punkte des UN-"Berichts über die menschliche Entwicklung" in der arabischen Welt, der im Jahre 2002 monierte:

    Die Welle der Demokratie, die in den achtziger Jahren die Regierungsformen in großen Teilen Lateinamerikas und Ostasiens verändert hat und in den frühen Neunzigern Osteuropa und einen Teil von Zentralasien, hat die arabischen Staaten kaum erreicht.

    In den meisten dieser Staaten gibt es ein latentes Problem vor allem mit islamistischen Gruppen, die den Machtanspruch und die Legitimität der jeweiligen Regierungen und Regime in Frage stellen. Sowohl in Marokko als auch in Tunesien - erst recht aber in Algerien - werden diese Gruppen offen verfolgt und unterdrückt. In Ägypten und Jordanien und in den palästinensischen Autonomiegebieten stehen sie auch immer wieder im Zentrum von Unruhen und sind Ziel staatlicher und behördlicher Repression.

    Diese Gruppen sind gleichzeitig das Rückgrat der Opposition gegen die etablierten Regime und deren gefährlichste Herausforderung. Das Beispiel Algeriens hat deutlich gezeigt, wohin zu große Unzufriedenheit mit den Zuständen im Lande führt: 1991 wurden freie Wahlen zugelassen, die islamistische FIS gewann. Das Militärregime annullierte die Wahlen. Und ein jahrelanger blutiger Bürgerkrieg brach aus, der bis heute nicht völlig beendet ist.

    In Tunesien hatte man solche Entwicklungen "vorsorglich" verhindert: Die islamischen Gruppen wurden verboten, ihre Führer ins Exil oder ins Gefängnis getrieben. Und auch in Marokko lässt König Mohamed VI Islamisten verfolgen.

    In allen drei Maghreb-Staaten spielt es dabei keine Rolle, ob die Verfolgten wirklich radikal sind oder ob sie vielleicht nicht auch gemäßigten islamistischen Gruppen angehören. Gerade sie gelten als gefährlich, weil sie für viele Bürger die einzigen sind, die die latenten Missstände in ihren Ländern anprangern. Das sind vor allem hohe Arbeitslosigkeit, Korruption und ein zu enges Zusammenspiel mit dem Westen, der als Gefahr für die traditionellen Werte der muslimischen Gesellschaft empfunden wird.

    In Ägypten ist das Bild nicht viel anders. Das Land hat eine jahrelange Geschichte gewalttätiger Auseinandersetzungen mit militanten islamistischen Gruppen - z.B. die Ermordung von Staatspräsident Anwar el Sadat im Jahre 1981 und blutige Anschläge auf ausländische Touristen. Zwar ist es in letzter Zeit ruhiger geworden, aber Präsident Mubarak weiß, dass die Unzufriedenheit unter der Bevölkerung wächst und dass die Islamisten immer noch die erste Adresse als Sammelbecken für Unzufriedene sind.

    An ihrer Spitze stehen die Moslembrüder. Sie blicken in Ägypten auf eine lange Tradition zurück, gerieten dort aber auch regelmäßig in Bedrängnis. Wie auch jetzt wieder: Ihre Führung wurde vor allzu offenen Aktivitäten gewarnt.

    Kairo hat eindeutig ein Problem damit, in diesem Krieg klar Stellung zu beziehen: Zwar will man das unzufriedene Volk nicht vor den Kopf stoßen, andererseits aber traut man sich nicht, die Amerikaner zu düpieren. Wie andernorts auch in der arabischen Welt: Das Herz schlägt für Saddam Hussein, die Brieftasche aber orientiert sich nach Washington. So ist es denn nicht verwunderlich, wenn der ehemalige ägyptische Außenminister und heutige Generalsekretär der Arabischen Liga, Amro Moussa, zum Abschluss des Außenministertreffens der Liga gestern wenig überzeugend klang:



    Der Rat der Arabischen Liga bekräftigt die Bedeutung des gemeinsamen Wirkens für die sofortige Einstellung des Krieges und die Herstellung konstruktiver Beziehungen mit den arabischen Völkern, die sich nach Frieden, Stabilität und Freundschaft zwischen den Völkern sehnen.

    Ähnliche Probleme in Jordanien. Auch dort gab es in letzter Zeit immer häufiger radikal-muslimische Ausschreitungen. Deren Unterdrückung aber reduziert nicht den Zulauf zu den Islamisten, sondern verstärkt ihn eher noch. Die Folge: König Abdullah hat bereits zweimal die Parlamentswahlen verschoben und eine Reihe von Sanktionen gegen die Presse und die Gewerkschaften verhängt – in beiden sind die Islamisten stark vertreten.

    Das Spannungsfeld der jordanischen Regierung wird dadurch besonders deutlich, dass sie zwar einerseits die arabische Sache nicht verraten wollte und sich in den vergangenen Monaten sehr still verhalten hat, andererseits seit Mitte vergangenen Jahres US-Truppen in dem Land stationiert waren, die jetzt vom Westen aus in den Irak einmarschiert sind. Dies hat bisher noch nicht zu politischen Eruptionen in Jordanien geführt, aber es kann durchaus noch zu heftigen Debatten kommen.

    Mit radikalen Gruppierungen besonderer Art haben es Saudi-Arabien und der Jemen zu tun, besonders im gemeinsamen Grenzgebiet: Aus dieser Gegend stammen Osama Bin Laden und einige seiner treuesten Gefolgsleute. Und hier findet "El Kaida" weiterhin Rückhalt und offene Unterstützung – und das – in Saudi-Arabien – bisher weitgehend ohne Repressalien von Seiten der Regierung. Diese hatte jahrelang radikale Gruppen in der arabischen Welt und auch die Taliban in Afghanistan unterstützt, um sich selbst zu Hause Ruhe zu erkaufen. Riad hat es bis heute nicht geschafft, sich eindeutig genug von den radikalen Gruppen abzukehren – obwohl es doch das erklärte Ziel Bin Ladens ist, das in seinen Augen korrupte und bigotte Regime in Saudi-Arabien zu stürzen.

    Die Saudis waren die ersten, die in den USA wegen ihrer Untätigkeit im Kampf gegen Radikale, vielleicht sogar ihrer allzu offenen Duldung dieser Gruppen in die Kritik gerieten. Der Jemen wird inzwischen gleichermaßen kritisiert: Früher gab es dort bestenfalls lokal bedingte Entführungen, die in der Regel harmlos verliefen. Seitdem sich aber "El Kaida"-Kämpfer in den Jemen geflüchtet haben, ist es dort bereits zu einer Kette von Anschlägen gegen amerikanische und andere westliche Ziele gekommen.

    Eine klar pro-irakische und anti-amerikanische Haltung nimmt bei all dem Syrien ein. Das überrascht, denn Präsident Bashar el Assad war als Hoffnungsträger einer Liberalisierung im Inneren und einer Annäherung an den Westen angetreten. Er erweist sich jedoch als ein noch konservativerer Hardliner als es sein Vater gewesen war. Statt sich dem Westen anzunähern, hat er das so lange und so schwer gestörte Verhältnis zur irakischen Bruderpartei, der Baath, einigermaßen gekittet. Er erweist sich heute als einer der konsequentesten Fürsprecher Saddam Husseins.

    Im Libanon – der weiterhin unter syrischer Kuratel steht – traut man sich nicht, gegen die Linie zu opponieren, die in Damaskus vorgegeben wird.

    Unabhängig und von keinem kontrollierbar zeigt sich weiterhin das Libyen Muammar al-Gadafis – im Inneren alles andere als eine Demokratie. Von außen betrachtet wirkt al-Gadafis unverändert wie ein eigenwilliger und eigensinniger Paradiesvogel. Dies ist auch den Formulierungen des libyschen Außenministers Abdelsalam At-Treiki anzumerken, dessen Zusammenfassung der gestrigen Beschlüsse des Rates der Arabischen Liga schon etwas kämpferischer klang als die des Generalsekretärs Moussa:

    Er beschließt erstens die amerikanisch-britische Aggression gegen den Irak zu verurteilen, zweitens diese Aggression als Verletzung der UNO-Charta und der Prinzipien des Völkerrechts zu betrachten, drittens den sofortigen und bedingungslosen Rückzug der amerikanischen und britischen Truppen vom Territorium des Irak zu fordern, viertens die Verpflichtung zu bekräftigen, dass die arabischen Staaten sich der Teilnahme an jedweder militärischen Aktion enthalten, die die Souveränität des Irak oder eines anderen arabischen Staates berührt, fünftens die Gruppe der arabischen Staaten in der UNO zu beauftragen, eine Dringlichkeitssitzung des Sicherheitsrates zu fordern, um einen Beschluss zur Einstellung der Aggression zu fassen, sechstens die Gruppe der arabischen Staaten im Fall, dass kein Beschluss gefasst wird, der notwendig ist, um die Aggression einzustellen, zu beauftragen, die UNO-Vollversammlung aufzufordern, eine Dringlichkeitssitzung zur Erörterung der Aggression gegen den Irak durchzuführen.

    Solche Worte werden ohne Folgen bleiben. Nicht allein, weil sie vom libyschen Außenminister kommen, sondern weil die Arabische Liga sich auch in diesem Konflikt als unfähig erweisen wird, einen Ausweg zu finden. Schon in der Vergangenheit hatte sie bei Schlichtungsversuchen keinen Erfolg gehabt. Nachdem auch der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen mit seiner sicheren Mehrheit gegen den Krieg nichts ausrichten konnte, ist von der Arabischen Liga solch ein Durchbruch erst recht nicht zu erwarten.

    So überrascht es denn auch nicht, dass sich die irakische Führung bitter über die aus ihrer Sicht mangelnde Unterstützung der arabischen Staaten beklagt. Die von den arabischen Außenministern gestern Abend in Kairo verabschiedete Resolution, der alle arabischen Staaten mit Ausnahme Kuwaits zugestimmt haben, wird in Bagdad als unzureichend angesehen.

    Anstatt Resolutionen zu verfassen, sollten die arabischen Staaten besser ihre Öllieferungen an die USA und Großbritannien einstellen, meint zum Beispiel der irakische Vizepräsident Taha Jassin Ramadan. Auch sollten die Häfen und Nachschubwege für die "Aggressoren" blockiert und die amerikanischen Botschaften in den arabischen Staaten geschlossen werden, anstatt das Botschaftspersonal vor Anti-Kriegs-Demonstranten zu schützen.

    Die arabischen Staaten haben ihre Probleme mit dem Irak-Krieg. Aber nicht nur sie. Das gilt mindestens genau so - und auch noch in ganz besonderer Weise – für den Iran. In Teheran steht man beiden Kontrahenten kritisch und ablehnend gegenüber: Dem Irak hat man nicht verziehen, dass er jahrelang Krieg gegen den Iran geführt hat und die USA werden weiterhin als Störenfriede in der Region betrachtet. Gegenüber dem Iran habe Bagdad sich bis heute nicht dafür entschuldigt, dass es jahrelang Teile des Landes besetzt hatte, meinen Kritiker in Teheran. Überhaupt sei dem Regime Saddam Husseins nicht zu trauen: Es habe wiederholt Vereinbarungen und Verträge mit dem Iran gebrochen und es habe auch skrupellos chemische Waffen gegen iranische Soldaten eingesetzt.

    Schon im September letzten Jahres hatte der Bruder von Präsident Khatami und stellvertretende Parlamentspräsident, Mohammad Reza Khatami, gegenüber einer kuwaitischen Zeitung ausgedrückt, wie man dem Regime in Bagdad gegenüber steht: Der Tag des Sturzes von Saddam Hussein - egal wie - würde der "glücklichste Tag für alle Iraner". Der jüngere Bruder des Präsidenten fügte allerdings hinzu:

    Wenn Saddam Hussein ein Verbrecher ist, dann noch mehr die Supermacht, die ihn mit all den Massenvernichtungswaffen und ihrer Technologie versorgt hat.

    Gemeint waren die USA - der zweite Erzfeind Teherans. Der Iran ist nicht bereit, in dem Konflikt Partei zu ergreifen. Er hat bis zuletzt versucht, zu schlichten und politische Bemühungen um eine Verhinderung des Krieges zu unterstützen. Er warnte dabei vor den unabsehbaren Folgen, die solch ein Krieg in der Region haben könnte, baute aber gleichzeitig Auffanglager für Flüchtlinge auf.

    Besonders die Konservativen in Teheran fürchten die Folgen eines US-amerikanischen Sieges. Sie können sich ausmalen, dass der Iran nach einem Sturz Saddams nur noch von pro-amerikanischen Regimes umgeben ist. Dabei liegt der Gedanke nahe, dass der Iran dann zum nächsten Ziel der USA werden könnte. Noch versucht man, mit markigen Sprüchen solche Gefahren zurückzuweisen: Der amerikanische Angriff sei "satanisch", heißt es da etwa. Und: Der Iran werde sich auf alle Eventualitäten einstellen. Die USA sollten sich davor hüten, den Iran anzugreifen - die Iraner würden siegreich Widerstand leisten.

    Bei den Reformern um Präsident Khatami gab es zunächst den Gedanken, dass - bei einer richtigen Einschätzung der gegenwärtigen Lage - durchaus Positives für den Iran herauskommen könnte. Washington werde durch ein vernünftiges Verhalten Teherans letztlich von einem Angriff auf den Iran abgehalten. In der Bevölkerung scheinen die Sympathien eindeutig zu sein: Umfragen hatten bereits letztes Jahr ergeben, dass eine Mehrheit für Beziehungen mit den USA ist. Nachdem die Reformer aber bei den Gemeinderatswahlen eine herbe Schlappe erlitten hatten, sind solche Einschätzungen verstummt.

    So werden die Erfahrungen des Iran-Irak-Krieges auch künftig die Beziehungen zu Bagdad belasten. Zumal der Ton aus Bagdad in den letzten Monaten auch nicht gerade an Freundlichkeit zugenommen hat: Der irakische Vizepräsident Taha Yassin Ramadan etwa warf dem Iran vor, noch nie "mit den Arabern gegen die Zionisten gearbeitet zu haben". Die Perser seien schlimmer als die Zionisten, aber man müsse nun einmal mit ihnen in Koexistenz leben, weil sie Nachbarn des Irak seien.

    Auch den Amerikanern gegenüber bleibt man in Teheran skeptisch-ablehnend. Nicht nur in den offiziellen Medien, sondern auch in akademischen Kreisen. So meinte Seyed Kazem Sajjadpour, der Generaldirektor des Teheraner "Instituts für Politische und Internationale Studien", noch kurz vor Ausbruch der Kämpfe, dass sich hinter dem Konflikt zwischen den USA und dem Irak mehr verberge, als das, was von Präsident Bush und anderen amerikanischen Politikern offiziell erklärt werde:

    Es geht um das internationale System. Die Amerikaner wollen jeden – inklusive die europäischen Verbündeten - herumkommandieren. Sie wollen sie nicht als Führer des Westen "anführen", sondern sie wollen ihnen Befehle erteilen. Und Europa akzeptiert das nicht. Und ich muss sagen: Nicht nur im Iran, auch in der Region, in Asien und nichtwestlichen Ländern ist die europäische Position willkommen, man folgt ihr und hofft, dass sie Erfolg hat.

    Diese Hoffnung hat man in Teheran inzwischen wohl aufgegeben. Statt dessen beobachtet man mit Misstrauen, wie sich der Krieg im Irak entwickelt. Man ist weit davon entfernt, sich als Dritter zu freuen, dass die anderen beiden sich streiten. Nur allzu leicht – davon sind alle überzeugt – könnten die Ereignisse im Irak nach dem Krieg ihre Fortsetzung im Iran finden – der ja immerhin von US-Präsident George W. Bush als drittes Land der "Achse des Bösen" genannt wurde.

    Im Iran oder in der Arabischen Welt: Argwohn und Misstrauen sind groß, ebenso die Ungewissheit, was die Zukunft bringt, wenn dieser Krieg erst einmal zu Ende sein wird. Sicher scheint allen Beteiligten nur eines: Von einem besseren – weil freieren und demokratischeren – Nahen Osten dürfte man dann unverändert weit entfernt sein. Vielleicht sogar noch weiter als bisher.

    Link: DeutschlandRadio-Aktuell