Ich versuche viel mehr über Struktur Inhalte zu erzählen, wie man einer Komposition zuhört. Dass man nicht über die Bilder, die entstehen, Assoziationen entwickelt, sondern über die Struktur, die entsteht. Auch die Darsteller begeben sich in einen ähnlichen freien Fall, in den ich mich auch begebe dabei. Also es wird unheimlich viel mit Improvisation gearbeitet, und dass die Improvisation auch nicht festgelegt, ist es für die meisten der Leute hier etwas ganz anderes. Aber das ist eigentlich das, wo ich herkomme, dort habe ich vor 20 Jahren angefangen.
Nach der Pause dann penetrante Sinnfindung, die eine Etüde über Tradition und moderne Unbehaustheit sein soll. Der Keks, laut Programmheft Sinnbild für süßes Leben, Gewöhnung und Beharrung, wird in sein tänzerisches Pendant, das heißt ironisch-alberne Walzerseligkeit übersetzt. Die zehn Tänzer, weißbehütet und Tutu, trippeln und winken huldvoll, flattern mit dem Armen oder schreiten wie Models auf dem Catwalk um den großen, verrosteten Kubus auf der Bühne, in den ein Berg aus Kunstschnee eingearbeitet ist: das unbeweglich Konservative mit seinem kalten Kern. In die vermeintliche Ordnung bricht auf einmal der "Keksbruch", das Chaos, aber bei Irina Pauls ist auch das nur schwungvoll witziges, lebensfrohes Zucken von zerrupften Schwänen. Aus biederen Bollenhüten lösen sich kleine, rote Kugeln, die so etwas wie eine letzte, unveräußerliche Essenz sind, das wahre Liebessehnen, das zwischen den Tänzerköpfen transportiert, sich gegenseitig in die Münder gestopft oder auf Brüste und Hintern geklebt wird. Rollt der rote Ball von den Körpern, verwandeln sich die Liebesduette in mechanische Walzer.
Nach dem reduzierten ersten Schlömer-Teil ist nun ein Bildersturm ausgebrochen: Rosenblätter fallen auf weiße Tütüs, aus dem Schneeberg rinnt eine Blutspur. Das ist möglicherweise publikumswirksam, aber auch von kaum zu übertreffender Seichtheit, die dazu einem Denkfehler unterliegt: Kitsch ist nicht mit Kitsch zu dekonstruieren. Das vermeintlich Unbehauste bleibt von bestürzender Harmlosigkeit, das vermeintlich Traditionelle wird auch tänzerisch nicht ernst genommen.
Und so sind ziemlich schnell Grenzen und Möglichkeiten der neuen Kooperation aufgezeigt: Für die Tänzer sicherlich ein großer Gewinn. Doch wem ist gedient, wenn die choreografischen Niveauunterschiede so augenfällig werden.