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Tee-Plantagen in der EU

Verwaltungstechnisch gehören die Azoren als autonome Region zu Portugal und damit zur Europäischen Union. Das für Europa eher untypische Klima läßt auf der Inselgruppe im Atlantik zwischen Europa und Nordamerika Tee gedeihen - eine willkommene Einnahmequelle für die Bevölkerung, die überwiegend von der Landwirtschaft lebt.

Von Jochen Faget |
    Unendlich grün sind die sanft zum Meer abfallenden Hügel nahe des Dörfchens Maia auf der Nordostseite der Insel São Miguel. Fast genauso unendlich, wie das Blau des Atlantiks, in das sie übergehen. Zwei Männer mit Strohhüten jäten Unkraut mitten im Grün, Hermano Ataide Mota legt großen Wert auf Ordnung. Er ist stolz auf die Plantage, die seine Vorfahren angelegt haben:

    "Wir haben 32 Hektar, auf denen wir Tee anbauen. Die Plantage beginnt gleich hinter der Fabrik in einer Höhe von 96 Metern. Aber die Pflanzen wachsen auf diesem Bergrücken bis zu einer Höhe von 400 Metern. Der Tee ist problemlos gewachsen. Allen haben diese schönen grünen Pflanzen gefallen. Da sagten sich meine Ahnen, wenn das Zeug im Garten wächst, kann man es auch anbauen. Sie haben Samen bestellt, 1874 trafen die ersten hier ein. Wenig später kamen dann zwei chinesische Techniker, die haben meinen Vorfahren beigebracht, wie man Tee herstellt."

    Und das tut Hermano Ataide Mota bis heute. "Marshall’s of Gainsborough" steht auf der Trockenmaschine. Ein antikes Monstrum aus England, das schon die beiden Chinesen bedient haben könnten, so alt wirkt es. Die Metallhebel blitzen. Über große Räder schnurren Antriebsriemen. Am einen Ende kommen die Teeblätter frisch gepflückt auf eine Art Förderband, am anderen fallen sie 20 Minuten später trocken heraus. Die Maschine funktioniert trotz ihres Alters tadellos. Sie ist perfekt in Schuss. Darauf legt Plantagenbesitzer Ataide Mota ebenfalls großen Wert. Senhor João, der Mechaniker, weiß das:

    "Ich arbeite hier seit 35 Jahren. Am 1. Mai 1970 habe ich angefangen und es gefällt mir sehr. Der 'patrã' ist sehr verständnisvoll. Er ist ein guter Chef, sagt uns, was wir tun sollen und wir machen das. So läuft das hier."

    Hermano Ataide Mota ist ein Patriarch. Der 62-jährige kräftige Mann mit der Schildmütze, den schmutzigen Hosen und dem karierten Hemd kümmert sich um alles: um die Familie, die Hunde, die Arbeiter - und die Arbeiterinnen. Früher, sagt der Plantagenbesitzer, hätten sich die Mädchen aus dem Dorf auf dem Gorreana-Gut ihre Aussteuer verdient. Das sei selbstverständlich gewesen, es habe keine andere Arbeit gegeben, erzählt Senhor Hermano weiter, und blickt verschmitzt durch die dicke Hornbrille. 32 Frauen beschäftigt er noch immer, viel zu viele eigentlich. Aber auch seine sozialen Verpflichtungen nimmt Senhor Hermano sehr ernst. Irgendwie scheint es, Senhor Hermano lebt in einer anderen Zeit, in einer anderen Welt.

    Aus einer anderen Zeit stammt auch der kleine Laden im Fabrikgebäude: Hinter einem Holztresen stehen zwei Mädchen, verkaufen Tee an Touristen, die sich immer wieder auf die Plantage verirren. Dankesschreiben und Bestellungen zieren die Wände: "Ihr Tee hat uns sehr gut geschmeckt, bitte senden sie uns weitere fünf Päckchen Orange Pekoe, wir schicken dann den Scheck." Vertrieb und Marketing hält Senhor Hermano für überflüssig, er verkauft sowieso fast die gesamte Produktion auf der Insel.

    Anfangs habe seine Familie nur grünen Tee produziert, erinnert sich Hermano Ataide Mota, während er einen etwa vier Meter langen, schräg liegenden und sich drehenden Zylinder inspiziert. In ihm werden die Teeblätter getrennt, denn nur die ersten drei eines neuen Triebes werden zur Teeherstellung verwendet. Und die fallen, weil sie kleiner sind, oben aus dem Schüttelzylinder. Unten kommt der Ausschuss raus. Schwarzer Tee sei in Europa erst Mitte des 20. Jahrhunderts in Mode gekommen. Erst da begann auch die Gorreana-Plantage mit der Produktion.

    Das war aber auch schon die einzige Erneuerung im Familienbetrieb. Im Abfüllraum sitzen wie zu Urgroßvaters Zeiten zehn Frauen an riesigen Tischen, füllen den Tee in die roten, silbernen und grünen Tüten. Handverlesen und von Hand abgewogen. Moderne Maschinen seien zu teuer, meint Senhor Hermano, die lohnten sich bei der geringen Produktion nicht. Irgendwie scheinen sie ihm aber auch suspekt zu sein. Der Patrão hat sich eine Tasse Tee eingeschenkt, scherzt mit den Frauen. Senhor Hermano legt eben großen Wert auf ein angenehmes Arbeitsklima. Und natürlich auch auf eine gute Tasse Azoren-Tee.