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Teilchen in der Falle

Physik. - In Freiburg treffen sich zurzeit Physiker unterschiedlichster Fachrichtungen – von der Astronomie bis zur Kernphysik. Eines haben sie gemeinsam: In ihren Experimenten lassen sie Teilchen aufeinander prallen: Atome, Moleküle, Elektronen und Photonen. Die Anwendungen solcher Kollisionen sind zahlreich. Sie reichen von der Strahlentherapie in der Medizin bis hin zur Bearbeitung von Materialien mit Lasern. Auch im Weltraum spielen Zusammenstöße von Teilchen eine wichtige Rolle.

Von Hellmuth Nordwig |
    Zwischen den Sternen ist das Weltall nicht ganz leer. Vor allem Elektronen fliegen dort umher und Ionen, also elektrisch geladene Atome. Was passiert, wenn sie zusammenstoßen, das untersucht Daniel Zajfman im Labor des Weizman-Instituts in Israel.

    "”Es ist sehr wichtig, im Labor Experimente unter Bedingungen zu machen, die denen im Weltraum möglichst nahe kommen. Wir vergleichen das Verhalten der Teilchen dort mit dem, was Astronomen durch ihre Teleskope beobachten. Die Laborexperimente ermöglichen es uns, diese Beobachtungen im All zu verstehen.""

    Zum Beispiel die Geburt von Sternen. Sie beginnt mit dem Zusammenprallen kleiner Teilchen, zum Beispiel von Atomkernen des Wasserstoffs und Elektronen. Dabei entstehen größere Atome und Moleküle, und sie ziehen schließlich durch ihre Schwerkraft weitere Materie an. Bis vor Kurzem konnten Physiker so etwas nur in großen Teilchenbeschleunigern nachvollziehen – Kilometer langen Vakuumröhren, in denen die Teilchen aufeinander geschossen werden. Das sind sehr aufwändige Experimente, die nur an wenigen Orten weltweit möglich sind. Daniel Zajfman hat deshalb eine Art Teilchenbeschleuniger im Miniaturformat gebaut. Zaifman:

    "Wir haben ein neues Gerät entwickelt, das elektrostatische Ionenstrahlfalle heißt. Darin können wir geladene Atome quasi zwischen Spiegeln einfangen, so wie man das mit Licht machen kann. Wenn wir dieses Instrument kühlen, dann liegen die Teilchen genau wie im Weltraum bei sehr niedriger Temperatur vor."

    Diese Ionenfalle besteht aus einem Stahlrohr, so lang wie ein Arm und etwas dicker. Durch ein Ventil schießt Daniel Zajfman die geladenen Atome hinein und sperrt sie zwischen elektrischen Feldern ein, die wie Spiegel wirken. So sind die Teilchen gezwungen, zwischen den beiden Enden der Röhre hin und her zu fliegen. Nun kann der Forscher einen Elektronenstrahl in die Falle lenken und untersuchen, was passiert, wenn die Elektronen mit den Ionen zusammenstoßen. Sein Lieblingsobjekt ist ein positiv geladenes Ion, das aus drei Wasserstoffkernen und zwei Elektronen besteht. Zaifman:

    "”Das ist eine sehr wichtige Verbindung, aus der Kohlenwasserstoffe, Wasser und Ammoniak entstehen. Ein zentrales Element der Weltraumchemie, der Schlüssel zu komplexeren Molekülstrukturen. Unsere Experimente zeigen, wie schnell und auf welchen Wegen die Reaktionen ablaufen, bei denen letztlich organische Moleküle entstehen.""

    Wasser, Ammoniak, Kohlenstoffverbindungen - das sind die Moleküle, aus denen auf der Erde Leben entstanden ist. Nicht nur in Israel zeigen solche Experimente, wie diese chemischen Verbindungen im All entstehen. Das bedeutet aber nicht, dass es auf anderen Himmelskörper Leben gibt. Rein zufällig hat Daniel Zajfman in der Ionenfalle noch etwas beobachtet, das den Gesetzen der Physik zunächst zu widersprechen scheint. Zaifman:

    "Normalerweise stoßen sich gleich geladene Teilchen ab, und bei entgegengesetzter Ladung ziehen sie sich an. Aber wenn sich die Ionen in unserer Falle mit einer ganz bestimmten Geschwindigkeit bewegen, dann können wir erreichen, dass sich Teilchen gleicher Ladung gegenseitig anziehen."

    Das ist aber nur unter den besonderen Bedingungen in der Ionenfalle so. Ob das Phänomen auch in der Weltraumchemie eine Rolle spielt, wissen die Forscher noch nicht. Im Alltag gilt jedenfalls weiterhin, dass sich gleich geladene Teilchen abstoßen.