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Telefonieren ohne Telekom

CeBIT. - Kostenlose Gespräche von Internet-Telefon zu Internet-Telefon über das weltweite Datennetz sind mittlerweile ganz einfach geworden. Web-Telefonie ist eines der Top-Themen auf der diesjährigen CeBIT. Und es bringt die Telekommunikationsanbieter ganz gehörig unter Druck. Peter Welchering hat sich in den Hallen der Telekommunikationsanbieter umgesehen. Die Fragen stellte Manfred Kloiber.

    Kloiber: Herr Welchering, wie sieht die Entwicklung der Telekommunikationsbranche zurzeit aus?

    Welchering: Zum ersten Mal wird einigermaßen offen über die weitere Entwicklung bei den Telekommunikationsanbietern gesprochen. Und das kann man dann ja auch schon als positive Entwicklung auf CeBIT bezeichnen. Drei Trends beherrschen die Telekommunikationsszene: Trend Nummer 1: Den Festnetzanbietern laufen die Kunden davon. Trend Nummer 2: Die Kunden laufen zu den Internet-Providern und wollen kostenlos übers Internet telefonieren. Trend Nummer 3: Die Nachfrage nach Breitbandverbindungen steigt unglaublich. Und alles zusammen zeigt deutlich: Vom Verkauf von Telefonminuten können die Telekom, Vodafone, Arcor und Co. nicht mehr lange leben. Sie müssen auf Voice over IP reagieren. Und das macht Probleme.

    Kloiber: Bei der Telekom hat man ja schon auf den Trend reagiert. T-Online-Kunden werden Internet-Telefonie ohne Aufpreis nutzen können. Hat die Telekom da die Nase vorn?

    Welchering: Nein hat sie überhaupt nicht. Marktexperten haben hier auf der CeBIT ganz unverblümt gesagt, es steckt bei der Telekom kein richtiges Konzept hinter diesem Internet-Telefonie-Angebot. T-Online-Kunden dürfen ein wenig mit VoIP herumspielen. Hier setzt die Telekom darauf, dass 97 Prozent aller breitbandigen Internet-Anschlüsse in Deutschland von ihr betrieben werden. Und sie unterschätzt, dass die Kabelanbieter hier gerade massiv aufrüsten. Der Kabelkunde kann dann übers Kabel telefonieren, und zahlt außer seiner Kabelgrundgebühr nichts dafür. Im Mobilfunkbereich hat Rene Obermann von T-Online auf der CeBIT deutlich gemacht, dass die Telekom hier auf GSM, also die Mobilfunkgeneration der zweiten Generation setzt. Die Verbindungspreise purzeln hier mächtig, und damit will T-Mobil-Kunden binden. Konkurrenten wie Vodafone setzen hier auf UMTS, also den Mobilfunk der dritten Generation. Und via UMTS soll VoIP betrieben werden.

    Kloiber: Wie sieht es denn aus, wenn ich klassische Telefon-Gespräche über den Rechner führen will?

    Welchering: Das ist im Augenblick noch umständlich, da müsste ein Mikrofon an den Laptop angeschlossen werden. Das ist auch noch teuer, weil in Minuten oder in Datenvolumen abgerechnet wird. Aber auch hier gibt es erste Ansätze für eine Flatrate, wo der Kunde eine Grundgebühr bezahlt und umsonst telefonieren oder Daten senden und empfangen kann. Diese Flatrate ist bisher noch auf den Abend und auf das Wochenende beschränkt. Und auf der CeBIT gab es die ersten Projektstudien zum Telefonieren mit dem Persönlichen Digitalen Assistenten via VoIP. Den PDA nutzt der Kunde dann wie ein ganz normales Mobiltelefon, zahlt aber keinen Minutenpreis, sondern telefoniert umsonst übers Internet. Auf diese Entwicklungen hat sich die Telekom noch nicht ausreichend eingestellt. Und die Telekom hält nach wie vor in ihren Vermittlungsstellen an digitalen Punkt-zu-Punkt-Verbindungen fest. Sie investiert nicht ausreichend in die Umstellung ihrer gesamten Telekommunikationsinfrastruktur auf das Internet Protokoll. Da müsste sie sich sputen.

    Kloiber: Wenn die Telefonkunden demnächst Internet-Telefonie mit einer Flatrate betreiben, wie hoch muss die denn dann sein, damit die Telefonanbieter ihre Kosten decken können?

    Welchering: Ein Telekom-Ausrüster hat das mal ausgerechnet. Eine solche Flatrate würde bei 450 Euro im Monat liegen. Das ist am Markt nicht durchsetzbar. Deshalb müssen die Telefonanbieter neue Dienstleistungen und Tarifmodelle entwickeln. Diskutiert wird beispielsweise hier auf dem Messegelände ein Abonnement für Videos. Oder Telekommunikationsanbieter werden als Dienstleister das häusliche Medienzentrum im Wohnzimmer warten und dafür sorgen, dass hier immer die gewünschten Filme und Radioprogramme an die richtigen Empfangstationen verteilt werden. Sehr viel versprechen sich die Unternehmen aber vom Geschäft mit den Videos. Um das allerdings ans Laufen zu bringen, brauchen die Handys neue, noch leistungsfähigere Speicherchips, deren Kapazität ungefähr beim 250fachen der heutigen Flashspeicher liegen muss.