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Termine beim Facharzt soll es künftig schneller geben

Wer einen Termin beim Facharzt braucht, der muss - zumindest als gesetzlich Versicherter - warten. Ein paar Monate kann es schon dauern, bis man beim Augenarzt dann tatsächlich im Wartezimmer sitzt. Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr hält das für unbegründet und will gegensteuern.

Philipp Banse im Gespräch mit Theo Geers |
    Geers: Für Millionen Kassenpatienten ist es ein Ärgernis ersten Ranges: Beim Facharzt fühlen sie sich oft als Patienten zweiter Klasse, weil sie oft viel länger auf einen Termin warten als Privatpatienten. Gegen solche "unbegründeten und ungerechtfertigten Wartezeiten" will jetzt Bundesgesundheitsminister Bahr zu Felde ziehen. Einzelne Krankenkassen erwägen sogar, in solchen Fällen das Honorar zu kürzen - und der Präsident der Bundesärztekammer findet das Ganze nur noch "populistisch, naiv und infantil". Fest steht: Bei den Wartezeiten ist in jedem Fall etwas im Busch - Philip Banse in Berlin - Um welche Wartenzeiten geht es überhaupt?

    Banse: Es geht nicht um Wartezeiten im Wartezimmer, sondern um die Wartezeit auf einen Termin beim Facharzt. Gesetzlich Versicherte können schon mal drei bis vier Monate auf einen Termin beim Augenarzt oder Psychotherapeuten warten, sagen die Verbraucherzentralen. Privatversicherte bekämen dagegen umgehend einen Termin.

    Geers: Es geht also weniger um das überlange Warten im Wartezimmer, wenn Privatpatienten vorgezogen werden?

    Banse: Genau. Wobei man da zwischen Leistungen unterscheiden muss: Gesetzlich Versicherte müssen etwa beim Augenarzt mitunter sehr lange auf eine simple Untersuchung des Augenhintergrunds warten. Will sich der gesetzlich Versicherte dagegen richtig operieren lassen, kann das auch beim Augenarzt sehr schnell gehen mit einem Termin.

    Geers: Wer hat jetzt was vor? Was will der Bundesgesundheitsminister, was wollen die Krankenkassen?

    Banse: Der Gesundheitsminister hat einen Gesetzentwurf vorlegt, der Folgendes vorsieht: Müssen gesetzlich Versicherte zu lange auf einen Termin beim Facharzt warten, dürfen sie unter Umständen sich im Krankenhaus behandeln lassen. Die Kosten für diese Behandlung im Krankenhaus sollen aus dem Honorartopf der Kassenärzte bezahlt werden. Die AOK Rheinland-Hamburg begrüßt diesen Vorstoß: "Es ist nicht hinzunehmen, dass die Ärzte in den vergangenen Jahren mehr Geld bekommen haben, Kassenpatienten aber immer länger auf Termine beim Facharzt warten müssen", sagte Kassenchef Wilfried Jacobs. Honorare zu kürzen sei der falsche Weg, sagen dagegen Ärztevertreter aber auch Ilona Köster-Steinebach vom Verbraucherzentrale Bundesverband: Es könne noch unattraktiver werden, gesetzlich Versicherten einen Termin zu geben, wenn die Vertretung der Kassenärzte weniger Honorar zu verteilen hätten:

    "Das bedeutet, die kassenärztlichen Vereinigungen können an alle ihre Ärzte für die Behandlung von gesetzlich Versicherten weniger Honorar zahlen und des wird weniger attraktiv, die zu versorgen. Darauf hin werden die Ärzte natürlich versuchen, möglichst Privatleistungen anzubieten."

    Geers: Wie stehen die Chancen auf Erfolg?

    Banse: Das Bundeskabinett hatte den Gesetzesentwurf am 3. August beschlossen - ab 1. Januar 2012 soll das Gesetz gelten. Aber es muss noch durch den Bundestag, da kann also noch einiges passieren.

    Geers: Ärztepräsident Montgomery sagt: Wenn Privatkassen direkt jede Leistung bezahlen, gesetzliche Kassen dagegen nur mickrige Pauschalen überweisen, ist es kein Wunder, dass Ärzte Zeitfenster für Privatpatienten freihalten, die dann schneller dran kommen.

    Banse: Dieses Argument hat Frank Ulrich Montgomery mir heute Morgen am Telefon auch noch mal dargelegt:

    "In den meisten Facharztdisziplinen bekommt der Arzt für ein ganzes Quartal der Behandlung zwischen 30 und 50 Euro bezahlt. Und es sind diese schlechten Pauschalen, die dazu führen, dass die Ärzte Privatpatienten eben schneller einen Termin geben, weil die private Krankenversicherung mehr zahlt und schneller zahlt."

    Die Lösung könne nur sein: Die gesetzlichen Krankenversicherungen müssen mehr zahlen. Interessanterweise sieht das auch die Verbraucherzentrale so. Ilona Köster-Steinebach fordert höhere Honorare für Gesprächsmedizin, geringere Honorare für Technik:

    "Sie müssen die Relation zwischen den Leitungen ändern. Es darf nicht mehr so attraktiv sein, die hoch technisierten Leistungen zu erbringen, sondern die einfachen Leistungen müssen attraktiver bezahlt werden."

    Wilfried Jacobs, Chef der AOK Rheinland-Hamburg, verlangt noch weitergehende Maßnahmen: "Fällt ein Arzt immer wieder durch überlange Wartezeiten auf, muss ihm die Kassenzulassung entzogen werden."

    Geers: Gibt es auch ganz praktische Tipps, wie ich als Kassenpatienten schneller "dran komme"?

    Banse: Ja. Zum einen sollte man seinen Hausarzt fragen, manchmal kooperieren Hausärzte mit Fachärzten und können die Sache etwas beschleunigen. Ilona Köster-Steinebach von der Verbraucherzentrale hat noch einen weiteren Tipp:

    "Ganz viele Krankenkassen haben einen Service, bei dem man anrufen kann und sagen, kann, ich brauche einen Facharzt. Dann besorgen die einen Facharzttermin. Das ist sicherlich eine gute Art, um schneller an einen Facharzttermin zu kommen."

    Geers: Was kann ich als Kassenpatient denn jetzt schon tun, wenn ich mich als Patient zweiter Klasse fühle und zu lange warten muss? Kann man sich beschweren oder wehren - und wenn ja - wo?

    Banse: Da kann man leider wenig machen. Die Kassenärztlichen Vereinigungen können kaum Druck auf die Ärzte machen: Wenn ein Arzt 20 Stunden in der Woche geöffnet hat und alle notwendigen Leistungen im Prinzip anbietet, erfüllt er alle Vorgaben.

    Ärzte, die sich neu niederlassen, will der AOK-Chef verpflichten, ihre Praxis mindestens 34 Stunden pro Woche für Patienten zu öffnen: "Wieso haben Ärzte eigentlich Mittwochnachmittag frei?" Im Gegenzug müssten niedergelassene Ärzte von unnötiger Bürokratie entlastet werden.