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Terrorverdächtiger unter Studenten

Nach den versuchten Bombenanschlägen auf zwei Regionalzüge in Koblenz und Dortmund ist ein Libanese in Kiel verhaftet worden. Dort soll er studiert und in einem Studentenwohnheim gelebt haben. An den Kieler Hochschulen herrscht Betroffenheit und Angst: Der Terror ist plötzlich ganz nah.

Von Jens Wellhöner |
    Das Edo-Osterloh-Haus, ein Studentenwohnheim im Kieler Norden: Schlichte, zweistöckige Backsteinbauten verteilen sich um einen Innenhof, kaum ein Bewohner ist zu sehen. Eine bedrückende Atmosphäre. Das Zimmer des verhafteten Studenten aus dem Libanon ist verwaist. Eine Yucapalme steht im Fenster. Mitarbeiter des Studentenwerks verweigern Pressevertretern den Zutritt zum Haus.

    Eliud Abdeli, ein Student aus Kenia, wohnt im Nachbarblock. Als einer der wenigen ist er bereit zu sprechen:

    "Ja, ich habe eine große Angst. Auch die anderen. Davor, dass die Nachbarn Terroristen sein können. Ich weiß ja nicht, was das für eine Person ist."

    Nur einen Kilometer entfernt schreiben sich im Studentensekretariat der Kieler Uni neue Studierende ein. Der mutmaßliche Bombenbauer ist auch bei ihnen Tagesgespräch. Auch für diesen Studenten, seinen Namen will er nicht nennen. Er hat Angst:

    "Ehrlich gesagt ja! Es ist erschreckend, dass man den Terror schon so nahe spürt. Nicht nur im Fernsehen. Sondern auch lokal. Und was ausländische Mitbürger anbelangt: Es ist schade, dass man da schon jetzt eine Grundangst hat, gegenüber Leuten, die man überhaupt nicht kennt. Bloß weil ein paar Gruppen Terror machen!"

    Marieluise Stegen will ab dem kommenden Wintersemester Politik studieren. Auch sie fühlt sich bedrückt:

    "Ja, man fühlt sich nicht gut. Aber das könnte in jeder anderen Stadt auch passieren. Und ich bin zuversichtlich, dass so etwas nicht wieder passiert."

    Am anderen Ufer der Kieler Förde stehen die Gebäude der Fachhochschule Kiel. Hier soll der mutmaßliche Attentäter Mechatronik studiert haben, laut Angaben der Polizei. Rektor Konstantin Kinias und sein Pressesprecher sitzen in ihrem Büro und wühlen in einem Haufen Zetteln. Einschreiblisten seien das. Sagt der Rektor. Hier stünden alle Namen der Studierenden technischer Fächer an der FH:

    "Ich kann nicht bestätigen, dass ein Student dieses Namens hier eingeschrieben ist."

    Wenig später lässt Rektor Kinias offiziell verkünden: Der verhaftete Libanese sei kein Student an der FH Kiel. An ihrer Universität sei er aber wahrscheinlich auch nicht eingeschrieben, so das Rektorat der Kieler Uni. Aber eines ist sicher: Der 21-Jährige hatte einen Kieler Studentenausweis, sonst hätte er in seinem Studentenwohnheim kein Zimmer bekommen. Wer ihn ausgestellt hat: Das versuchen die Verwaltungen der Kieler Hochschulen noch zu klären. Ein Terrorist aus Kiel: Eine schockierende Geschichte, sagt Thomas Bauer, Rektor der Kieler Uni. Aber:

    "Man sollte jetzt nicht pauschalisieren. Ausländer sind bei uns willkommen. Und wenn sie eine bestimmte Einstellung der westlichen Kultur entwickelt haben, dann können wir nichts dafür!"

    Und eine Art Gewissensprüfung für Studienbeweber aus dem Ausland lehnt der Rektor kategorisch ab:

    "Damit wären wir überfordert. Das wäre gegen unsere Prinzipien, sie zu befragen, ob sie eine bestimmte Ideologie haben. Das ist nicht unsere Aufgabe."

    Viele Studierende aus moslemischen Ländern fühlten sich jetzt zu Unrecht an den Pranger gestellt. Und mit Islamismus hätten sie nichts zu tun, sagt der junge Türke Ahmed Usta, Student an der FH Kiel:

    "Das ist schlecht, was der gemacht hat. Ich bin auch Muslim. Und andere Leute schauen jetzt auf uns und sagen: Oh, diese Moslems machen Schlechtes. Dabei darf ein Muslim keinen anderen Menschen töten!"

    Die Stimmung an den Kieler Hochschulen ist auf jeden Fall gedrückt. Mindestens ein weiterer Drahtzieher des versuchten Bombenanschlags ist noch auf der Flucht. Dass er nicht auch in ihrer Stadt studiert hat: Dass hoffen die Studierenden jedenfalls alle.