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Testlauf für neue Tennis-Regeln
Bald ohne Linienrichter?

Keine Linienrichter mehr und Coaching per Headset: Beim Jahresendturnier der Top-U21-Spieler vom 7. bis zum 11. November 2017 in Mailand testet die ATP neue Regeln - die den Tennissport grundlegend verändern könnten.

Von Torben Beckmann | 04.11.2017
    Diskussion zwischen Tennisspieler und Linienrichter.
    Tennis bald ohne Linienrichter? Im Jahresendturnier der Top-U-21-Spieler werden neue Regeln getestet. (imago sportfotodienst)
    Herren-Tennis ist alt geworden. Unauffällig alt – weil die Topstars wie Rafael Nadal und Roger Federer ihren dritten oder vierten Frühling erleben. Aber das ändert nichts daran, dass bei genauerem Hinsehen die Falten immer sichtbarer werden – auch bei Federer: "Ich bin glücklich, dass ich gerade halbwegs gesund bin, aber ich muss weniger spielen, wenn ich weiter erfolgreich bleiben will, denn ich spüre die körperliche Belastung der hunderten oder tausenden Matches, die ich gespielt habe."
    Federer, 36 Jahre alt, hat Rücken und erklärt deswegen, dass er nicht mehr so viel spielen kann. Bei Nadal, 31 Jahre alt, zwicken vor allem die Knie. Also muss Tennis jünger werden, die Falten wieder gestrafft werden. Das findet zumindest der Tennis Weltverband der Herren, die ATP – und hat dafür die NextGen erfunden. Die "nächste Generation" im Herren Tennis, die aus den Top-Spielern unter 21 besteht, spielt ihr Jahresendturnier in Mailand aus.
    Facelifting fürs Regelwerk
    Ein Turnier, das vor allem ein Blick in die Tennis-Zukunft sein soll. Nicht nur was die Spieler angeht, sondern auch das Regelwerk. Denn auch das benötigt ein Facelifting, erklärt Turnier-Direktor Ross Hutchins: "Also erstmal werden wir ein anderes Punkte-Format sehen. Der erste bei vier Spielen gewinnt, es wird aber Best of 5-Matches geben. Dazu kommt ein Tie-Break bei 3:3. Sätze könnten also mit 4:1, 4:2, 4:3 – mit einem Tie-Break im dritten Satz oder es könnten drei Sätze werden…."
    Was Hutchins in eineinhalb Minuten als "einige Veränderungen" aufzählt, könnte den Tennissport grundlegend verändern. Aber der Reihe nach. Was sind die entscheidenden Regeln, die die ATP ausprobieren möchte?
    Vier entscheidene Veränderungen
    Erstens: Linienrichter können zuhause bleiben – stattdessen kommt das Kamerasystem Hawk Eye zum Einsatz, das in Echtzeit überwachen soll, ob ein Ball im Aus war oder doch noch die Linie gestreift hat.
    Zweitens: Statt wie bisher bis sechs sollen Sätze jetzt nur noch bis vier gespielt werden. Denn wenn nach vier Aufschlagspielen ein Satz vorbei ist, kommt es häufiger zu spielentscheidenden Ballwechseln – das ist zumindest das Kalkül der ATP.
    Drittens: Trainer sollen ihre Spieler jetzt auch offiziell im Spiel coachen dürfen. Was bisher nur "heimlich" über Blicke von der Tribüne passierte, wird jetzt per Headset ermöglicht. Nach jedem Satz kann sich das der Spieler aufsetzen und sich von seinem Coach Tipps für den nächsten Satz geben lassen.
    Viertens: Mehr Freiheit für die Fans. Wer schon mal beim Tennis war, der weiß - aufstehen ist nur möglich, wenn nicht gespielt wird. Auch das soll jetzt gelockert werden – beim Turnier in Mailand soll man kommen und gehen können, wann man will.
    Die "nächste Generation" des Tennis?
    Für Turnierdirektor Ross Hutchins ist jetzt genau der richtige Zeitpunkt, genau diese Änderungen umzusetzen: "Wir glauben, dass wir hier die perfekte Möglichkeit haben, um zu sehen, wie Tennis in Zukunft aussehen könnte – und wenn es nicht klappt, dann haben wir es wenigstens versucht. Wir glauben, das funktioniert gut mit der nächsten Spieler-Generation, mit der nächsten Fan-Generation und damit auch mit der nächsten Generation unseres Sports – und wie der in Zukunft aussehen könnte."
    Die acht besten U21-Spieler werden diese neuen Regeln ausprobieren. Nur der beste von ihnen fehlt. Alexander Zverev, das 20-jährige Top-Talent aus Hamburg, ist zu schnell zu gut geworden. Er reist nur für ein Show-Match vor dem Turnier an und wird sich dann verabschieden, um mit den alten um die Tennis-Krone 2017 zu spielen. Denn noch sind die alten auch die besten im Tennis.