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Theater
Captain Picard trifft Gandalf am Broadway

Die beiden britischen Schauspieler Patrick Stewart und Ian McKellen zeigen in "No Man's Land" von Harold Pinter in New York ihr ganzes Können und bescherten dem Publikum einen unterhaltsamen Abend.

Von Andreas Robertz | 11.12.2013
    Patrick Stewart und Ian McKellen sind Schauspieler, Bühnenpartner und mit ihren beiden Stücken nun auch noch Ko-Produzenten am Broadway. Aber vor allem sind diese beiden wunderbaren alten Männer Freunde geworden. In einem Interview mit PBS erklärt Patrick Stewart:
    "Ian war ein Jungstar schon in Cambridge und seitdem immer Hauptdarsteller (während seiner ganzen Karriere). Ich habe ihn als junger Schauspieler gesehen und war überwältigt von seiner Arbeit; meine Beziehung mit ihm begann also als Fan. Ich arbeitete in relativ obskuren Regionaltheatern, während Ian mit Laurence Olivier am West End arbeitete. Wie auch immer, inzwischen ist es ausgeglichen."
    Bühnenbildner Stephen Brimson Lewis hat für "No Man’s Land" einen schönen, großen Raum gebaut. Ein runder, bis unter die Decke reichender Salon mit halb aufgeschnittener Kuppel, in dem fast nichts steht. Die Wände aus grünen Kassetten erinnern an eine leer geräumte Bibliothek oder mehr noch an ein Mausoleum. Eine alte Anrichte an der Rückwand als Schnapsreservoir, ein großer Lehnsessel in der Mitte und zwei kleine Tischchen mit Stühlen an den Seiten sind die wenigen Orientierungspunkte in diesem eleganten Niemandsland.
    Wortkaskaden eines Schmarotzers
    Hirst, ein erfolgreicher Literat, hat Spooler in einem Pub getroffen und ihn zu einem letzten Gläschen zu sich nach Hause eingeladen. Während Patrick Stewart als Hirst immer einsilbiger wird und schon mal auf dem Weg zur Anrichte zu Boden geht, dreht Ian McKellen als Spooler erst so richtig auf. Mit immer neuen Wortkaskaden versucht er sich in Hirsts Welt einzunisten. Er gibt sich als weltgewandter Dichterkollege aus und versucht, aus der noch frischen Bekanntschaft eine gleichberechtigte Partnerschaft unter Gleichgesinnten zu machen.
    Dabei sieht man ihm durchaus an, dass er schon bessere Tage gesehen hat. Wie ein abgewetztes altes Buch steht er da oft herum, ein windiger, beredter Schmarotzer, immer mit dem Mantel überm Arm zum schnellen Rückzug bereit und doch jemand, von dem man weiß, dass man ihn so schnell nicht wieder los wird. Später bedrohen ihn Hirsts Angestellte Foster und Briggs und sperren ihn über Nacht im Salon ein.
    Am nächsten Morgen ist dann alles anders. Man serviert ihm ein großzügiges Frühstück, und Hirst - in schrecklich guter Laune - begrüßt Spooler als alten Studienfreund. Diesmal ist er es, der Spooler mit wunderbar gespielter, aggressiver Scherzhaftigkeit in ein gefährliches Erinnerungsspiel über Untreue und Verrat an den Idealen einer erfundenen Jugend verwickelt.
    Theater lebt von der Liebe der Schauspieler zu ihren Texten
    Pinter folgt auch in „No Man’s Land“ einem seiner bekannten Muster: ein Eindringling versucht sich in fremden Gefilden, in denen sich die Regeln ständig zu ändern scheinen, zurechtzufinden. Doch hier durchzieht eine traurige Melancholie die höchst intelligente, manchmal bittere und oft äußerst ironische Konversation, die die beiden großen Schauspieler mit einem unfehlbaren Gefühl für Rhythmus und Komik meistern.
    Verfall, Verlust und Sterblichkeit sind die großen Themen des Abends, die beide Schauspieler mit erstaunlicher Leichtigkeit servieren. Nur manchmal wünscht man sich neben all den perfekten Formulierungen mehr Stille, die den Abgrund hinter der Sprache offenbaren könnte.
    Man merkt, dass sich an diesem Abend zwei Schauspieler einen Traum erfüllt haben. Sie haben in Sean Mathias den richtigen Regisseur gefunden, denn er hilft ihnen, dem Publikum zu zeigen, wie berauschend Pinters Sprache und wie komisch sein Text in Wirklichkeit ist. Und auch wenn es keine tiefer gehende inszenatorische Vision gibt, beweist der Abend eindrücklich, dass Theater letztlich von der Liebe der Schauspieler zu ihren Texten lebt. Enormer Applaus für einen überraschend unterhaltsamen Pinter mit zwei ganz großen Schauspielern.