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Thomas Hobbes und Gerhard Schröder

Donnerstag morgen, kurz vor neun. Philosophieunterricht in der Jahrgangsstufe 12 des Inda-Gymnasiums im Aachener Stadtteil Kornelimünster. Lehrer Norbert Siemons hat eine Folie aufgelegt, auf der das gesamte Bundeskabinett von Gerhard Schröder bis Renate Schmidt aufgelistet ist. Die Schüler sollen überlegen, was der Staatsphilosoph Thomas Hobbes mit der aktuellen Koalitionsregierung zu tun hat, erklärt Runa, eine der 24 Schülerinnen und Schüler, die Hausaufgabe.

30.04.2004
    Wir sollten den Text von Thomas Hobbes lesen und dann herausfinden, welches politische Feld oder auf welches politische Feld er sich bezieht, und ob es diese Staatsform heute auch noch gibt.

    Und, gibt’s sie?

    Ja, ich denke, vereinzelt schon, aber darüber wollten wir heute eigentlich diskutieren. Denn da finde ich, im Unterricht kann man einfach mehr Sachen rausfiltern. Weil’s einfacher ist, Ideen von anderen Leuten zu hören. Und das ist halt in Philo superschön zu machen, nicht wie in anderen Fächern: Es wird was vorgegeben, man muss es lernen – sondern man kann halt diskutieren, andere Ideen auffangen, und – ja, das ist sehr interessant.


    Diese lebendige Auseinandersetzung um Ideen und Visionen sei es, die den Philosophieunterricht so interessant mache, sagt die Schülerin. Das gehe manchmal bis zu einem richtigen Streit.

    Ja, teilweise schon. Über manche Themen ja, vor allem hier im Kurs sind viele Leute, die sich auch Gedanken machen, und die sich auch richtig gut streiten können. Da macht das auch Spaß, einfach mal in verschiedene Richtungen zu gehen, und das einfach mal zu ergründen, wer wie denkt und warum er so denkt. Das ist sehr interessant.
    Eine Einschätzung, die die meisten Kursteilnehmer teilen. Linda hat Philosophie sogar als Abiturfach gewählt. Bei der Frage nach ihrem Lieblingsphilosophen muss sie nicht lange überlegen.

    Sartre.

    Warum?

    Weil ich die Theorie vom Existenzialismus sehr gut nachempfinden kann. Die Theorie ist ja, dass der Mensch für alles selbst verantwortlich ist, und eben keine Ausflüchte hat, und das finde ich eigentlich, ist eine gute Theorie. Dass er sich nicht für irgendwas entschuldigen kann.

    Eigentlich, sagt Lehrer Norbert Siemons, sei sein Unterricht ziemlich atypisch für die heutige Schülergeneration. Denn das aktuelle Unterrichtsthema Politik stoße nicht unbedingt auf große Gegenliebe:

    Vor 15 Jahren waren Jugendliche mehr als heute an abstrakteren Themen, auch an politischen Themen interessiert; heutzutage sind sie mehr interessiert an psychologisch ausgerichteten Themen, an Befindlichkeitsthemen, unter der Leitfrage: Was hat das mit mir persönlich zu tun? Der Blick auf Zusammenhänge oder das Ganze muss eigentlich mühsam erworben werden und gelernt werden. Vielleicht hilft Philosophie dazu.

    So ganz eindeutig sind die Zusammenhänge zwischen Thomas Hobbes und der bundesrepublikanischen Wirklichkeit an diesem Morgen noch nicht. Aber das, findet Patrick, sei eher ein Anreiz zum Nachdenken und spreche keinesfalls gegen die Beschäftigung mit Hobbes und seiner Staatsphilosophie:

    Es ist halt nicht so direkt, als hätte das unmittelbaren Bezug auf mein Leben, nur: ich finde, man muss sich halt auch etwas abstrakter mit solchen Dingen beschäftigen, die ja doch Grundlage - oder teilweise jedenfalls - Grundlage unserer heutigen Staatsform sind, und von daher halte ich das schon für sinnvoll, das zu machen, ja.