Archiv

Thomas Oppermann (SPD)
"Seehofer ist der falsche Mann in diesem Amt"

Bundestagsvizepräsident Thomas Oppermann (SPD) hat Innenminister Horst Seehofer für seine Äußerungen zur Migrationspolitik kritisiert. Seehofer habe ein völlig falsches Verständnis von seinem Amt. Statt Feuerwehrmann zu sein, agiere er wie ein Brandstifter, sagte Oppermann im Dlf.

Thomas Oppermann im Gespräch mit Christoph Heinemann | 07.09.2018
    Thomas Oppermann (SPD), Fraktionsvorsitzender im Bundestag, gemeinsam mit dem SPD-Kanzlerkandidaten und Ministerkollegen vor der Bundespressekonferenz mit einer Bilanz der SPD-Regierungsarbeit in der Großen Koalition.
    Horst Seehofer diffamiere mit seiner Formulierung an die 20 Millionen Deutsche, die einen Migrationshintergrund haben, sagte Thomas Oppermann im Dlf (imago )
    Christoph Heinemann: Am Telefon ist Bundestags-Vizepräsident Thomas Oppermann, Mitglied der SPD-Bundestagsfraktion, Wahlkreis Göttingen. Guten Morgen.
    Thomas Oppermann: Guten Morgen, Herr Heinemann.
    Heinemann: Herr Oppermann, Horst Seehofer weiß, wie man für Schlagzeilen sorgt. Beneiden Sie ihn um diese Fähigkeiten?
    Oppermann: Ich wünschte mir, er würde von diesen Fähigkeiten einen anderen Gebrauch machen und er würde als Innenminister auch mal eine Erfolgsmeldung, eine Erfolgsschlagzeile produzieren. Davon ist er weit entfernt.
    Heinemann: Welchen Platz nimmt die Migration in Ihrer politischen Familienaufstellung ein?
    Oppermann: Die Migration als Mutter aller Probleme zu bezeichnen, das geht eigentlich gar nicht.
    "Seehofer als Innenminister eine Fehlbesetzung"
    Heinemann: Warum nicht?
    Oppermann: Ich finde, wenn Horst Seehofer so etwas sagt, dann zeigt er, dass er den Anforderungen für das Amt des Innenministers nicht genügt. Er ist der falsche Mann in diesem Amt. Er ist als Innenminister eine Fehlbesetzung und als Verfassungsminister ist er eine Zumutung, denn er redet erneut wie ein AfD-Politiker, wie ein AfD-Mann. Die haben keine Lösung für die Probleme, aber sie haben für jedes Problem einen Sündenbock. Und Horst Seehofer diffamiert mit seiner Formulierung an die 20 Millionen Deutsche, die einen Migrationshintergrund haben, und ich finde, so darf ein Verfassungsminister nicht sprechen.
    Heinemann: Herr Seehofer handelt und er hat das auch in dem Interview gesagt. Wäre der tatverdächtige Iraker in einem Ankerzentrum untergebracht, der Tatverdächtige von Chemnitz, dann hätte er, sofern er es war, das Tötungsdelikt nicht verüben können. – muss auch die SPD vielleicht nach Chemnitz noch einmal nachdenken über Ankerzentren?
    Oppermann: Herr Heinemann, Herr Seehofer ist Innenminister der Bundesrepublik Deutschland. Er ist dafür zuständig, dass solche Personen wie der Tatverdächtige von Chemnitz schnell abgeschoben werden. Der Mann hatte bereits in Bulgarien einen Asylantrag gestellt und er hätte schnell abgeschoben werden müssen.
    Heinemann: Was ja häufig auch an der SPD scheitert.
    Oppermann: Seit 13 Jahren stellt die CDU in Deutschland den Innenminister – oder die CSU. Und in diesen Jahren ist, kann ich nur sagen, soviel schiefgelaufen, dass Horst Seehofer nicht so tun kann, als ob andere daran Schuld haben, sondern das ist erst mal zuerst seine Zuständigkeit, seine Verantwortung. Ich habe den Eindruck, als Innenminister hat er ein völlig falsches Verständnis von dem Amt. Er hat ein völlig falsches Verständnis von dem Amt. Er ist eigentlich wie ein Feuerwehrmann. Er muss Brände löschen, er muss Gefahren abwehren, er muss dafür sorgen, dass in Deutschland die Grundrechte gelten. Aber er agiert nicht wie ein Feuerwehrmann, sondern mit seinem Gerede wirkt er eher wie ein Brandstifter.
    "Horst Seehofer müsste jetzt Rückführungsabkommen verhandeln"
    Heinemann: Aber vergleichen Sie doch mal seine Bilanz auch im Migrationskampf mit der AfD mit der der SPD – Stichwort Obergrenze, Masterplan, Ankerzentren, Abkommen mit Griechenland, mit Italien. Ist das nicht besser als gar nichts?
    Oppermann: Das ist herzlich wenig. Horst Seehofer müsste jetzt Rückführungsabkommen verhandeln. Er müsste dafür sorgen, dass die Asylverfahren beschleunigt werden. Er muss Abschiebungen durchsetzen. Er muss einen Gesetzentwurf für ein Einwanderungsgesetz vorlegen und er muss dafür plädieren und öffentlich dafür eintreten, dass die Integration in diesem Land auf der Basis unserer Verfassungswerte erfolgt. Davon höre ich gar nichts und ich sehe auch nicht, dass Horst Seehofer unterwegs ist, um mit anderen Ländern darüber zu reden, wie wir notwendige Abschiebungen schneller durchführen können.
    Heinemann: Aus der SPD sind lauter Widersprüche zu hören. Niedersachsen will jetzt im Bundesrat für die Einstufung der Maghreb-Staaten als sichere Herkunftsstaaten stimmen. Das hat Ministerpräsident Weil angekündigt. Genau das hat Michael Müller in Berlin, der Regierende Bürgermeister von der SPD, gerade abgelehnt. Kann man sagen, SPD gleich Hü und Hott?
    Oppermann: Wenn Stephan Weil sagt, dass Niedersachsen dafür stimmt, dann hat das mehr Gewicht, als wenn Michael Müller sagt, dass seine Berliner Regierung dagegen stimmt.
    Heinemann: Wer sagt’s Herrn Müller?
    Oppermann: Das sage ich hier auf diesem Weg auch Michael Müller. Das ist der falsche Weg. Wir dürfen nicht Asylbewerber, die zu 99 Prozent abgelehnt werden, wo die Anerkennungsquote nur ein Prozent trägt, durch ein jahrelanges Verfahren bringen, bei dem auch nichts anderes rauskommt. Das beschleunigte vereinfachte Verfahren schließt doch nicht das Asylrecht aus, sondern dann müssen die Asylbewerber, die aus solchen Ländern kommen, genau deswegen, warum sie politisch verfolgt werden oder diskriminiert werden, dann können sie auch anerkannt werden. Aber das ist natürlich etwas, was sehr ärgerlich ist. Auch die Grünen stimmen ja permanent gegen dieses Gesetz. Wir müssen zu schnelleren Verfahren kommen.
    "Wir wollen eine realistische Flüchtlingspolitik"
    Heinemann: Herr Oppermann, unterm Strich bleibt doch, die CSU und Horst Seehofer haben ein klares Konzept und Sie müssen Ihren Parteifreunden im Deutschlandfunk Nachhilfeunterricht erteilen.
    Oppermann: Die SPD hat auch ein klares Konzept. Wir wollen eine realistische Flüchtlingspolitik. Die Einwanderungspolitik in Deutschland, die muss gut gemacht werden. Dieses Land ist ein Einwanderungsland. Es war es in der Vergangenheit und in der Zukunft sind wir auf qualifizierte Einwanderung angewiesen, wie kaum ein anderes Land auf der Welt. Deshalb muss das handwerklich gut gemacht werden und deshalb sagen wir, es muss jetzt genau getrennt werden zwischen Asyl und zwischen Einwanderung. Wir müssen die Fluchtursachen in den Heimatländern der Flüchtlinge bekämpfen. Wir brauchen Investitionen für Afrika. Wir müssen die Außengrenze der EU wirkungsvoll sichern und wir müssen die kriminellen Schlepperorganisationen ausschalten und stattdessen Kontingente in einer geordneten Aufnahme von schutzbedürftigen Flüchtlingen einführen. Wir brauchen für Flüchtlinge mit Bleiberecht schnelle Integration. Abgelehnte Flüchtlinge müssen konsequent zurückgeführt werden. Und endlich brauchen wir ein Einwanderungsgesetz, mit dem wir die Einwanderung von Menschen nach Deutschland steuern, begrenzen. Einwanderung, das sind die, die wir brauchen, und das müssen wir auch staatlich kontrollieren und so durchführen, dass die große Mehrheit der Bevölkerung das akzeptieren kann und mitgehen kann.
    "Der Verfassungsschutzpräsident sorgt im Augenblick für Verwirrung"
    Heinemann: Herr Oppermann, kurz zum Schluss. Sie haben eben gehört im Gespräch mit Frank Capellan: Hans-Georg Maaßen äußert jetzt Zweifel an den Informationen über Hetzjagden in Chemnitz. Wie bewerten Sie die Äußerung des Verfassungsschutzpräsidenten?
    Oppermann: Dafür habe ich kein Verständnis. Der Verfassungsschutzpräsident sorgt im Augenblick für Verwirrung. Es ist doch sonderbar, dass diese Hetzjagden von Herrn Gauland verteidigt worden sind. Er hat gesagt, es ist doch normal, dass Leute ausrasten. Wir haben Bilder gesehen, wir haben Zeugen gehört, wir haben gesehen, wie Menschen da den Hitler-Gruß offen auf der Straße gezeigt haben. Eine Gruppe von Sozialdemokraten, die nach der Demonstration zu ihrem Bus wollte, ist von rechten Hooligans angegriffen worden. Das sind Zustände, die können wir auf den deutschen Straßen nicht akzeptieren. Da muss der Staat dagegenhalten. Wir haben ein staatliches Gewaltmonopol, und ehrlich gesagt: Das zu verteidigen, ist auch Aufgabe des Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz.
    Heinemann: Thomas Oppermann, der Bundestags-Vizepräsident, Mitglied der SPD-Bundestagsfraktion. Danke schön für das Gespräch und auf Wiederhören!
    Oppermann: Ich danke auch. – Tschüss!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.