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Tickets im Vorübergehen

Zahlreiche Nahverkehrsunternehmen bieten es schon lange an – das Handyticket: per SMS kann man einen Fahrschein lösen. Weil dieses Verfahren mit schlichter SMS nur bei einfachen Produkten funktioniert, setzt die Deutsche Bahn AG jetzt auf das komplexere "Touch and Travel"-System.

Von Wolfgang Noelke |
    Bereits Ende der 80er, Anfang der 90er Jahre testeten Verkehrsunternehmen so genannte Best-Preismodelle, die den Fahrgästen nur die tatsächlich gefahrenen Kilometer berechneten. Dafür wurde bereits die Fahrkarte aus Papier durch eine Chipkarte ersetzt. Doch fehlende Standards und die erheblichen Unterschiede in der Preisgestaltung der Verkehrsunternehmen hätten die technische Infrastruktur überfordert, die zudem noch an jedem Bahnsteig hätte installiert werden müssen. Das war den Verkehrsunternehmen zu teuer. So genannte Near Field Communication-Handys tragen die notwendige Infrastruktur bereits in sich: Near Field Kommunikation kann bis zu einer Entfernung von 20 Zentimeter einen passiven RFID Chip aktivieren und auslesen und - weil diese Technik in einem Handy eingebaut ist - kann damit eine Datenverbindung zu jedem Server aufgebaut werden. Genau dies nutzt jetzt die Bahn AG für die elektronische Fahrkarte. Für die Teilnehmer des im November beginnenden ersten Pilotversuchs genügt Handy auflegen, auf einem so genannten Touch Point. Projektleiterin Birgit Wirth:

    "Die Touch Points, die sind nicht im Fahrzeug, sondern an einer Station, an einem Haltepunkt oder einem Bahnhof. Dort gibt's die in ausreichender Anzahl, so dass es sicher keine Schlangenbildung geben wird und die haben so eine DIN A4 Größe, sind blau, mit einem roten Punkt in der Mitte und das ist eigentlich nichts anderes als eine passive Infrastruktur, also ein Chip, der keine Stromversorgung braucht, der nicht gewartet wird, sondern der dann letztlich vom Handy angesprochen wird."

    Die ausgelesenen Daten überträgt das Handy jetzt auf einen so genannten Ticket-Server der Bahn. Dieser Ticket-Server antwortet dem Handy per SMS und überträgt gleichzeitig eine kleine Java-Datei, die in dem Handy gespeichert wird. Nur in Verbindung mit dieser Java Datei ist die Fahrkarte gültig. Die per SMS übertragene Kurzmitteilung allein reicht nicht aus, wenn der Kontrolleur kommt. Der kann mit seinem mobilen Terminal auch dann die elektronische Fahrkarte überprüfen, falls das Handy ausgeschaltet ist, da sich in dem Handy ebenfalls ein RFID Chip befindet, in dem die Fahrkartendaten gespeichert sind, denn bei der Kontrolle...

    "... geht das mobile Terminal quasi in den aktiven Part, so dass es überhaupt kein Problem ist, wenn jetzt der Akku leer wäre. Das wäre für uns immer noch erkennbar und die Daten, die wir haben, also über den Einstiegs-Zeitpunkt und den Einstiegs-Ort und auch, welchen Zug man nutzt, die haben wir dann im Hintergrundsystem gespeichert, weil wir die brauchen, um dann, wenn der Kunde den Zug oder den Bus wieder verlässt und sich dann auscheckt, dann müssen wir den Preis noch berechnen."

    Am Zielbahnhof auszuchecken, das sollten Reisende mit dem elektronischen Handy-Fahrschein auf keinen Fall vergessen. Also noch mal Handy auflegen bei der Ankunft! Im schlimmsten Fall würde sonst nämlich die gesamte Strecke berechnet werden. Doch auch hier will sich die Bahn AG kulant zeigen:

    "Wenn der Kunde selber es gleich merkt, dann kann er uns über eine Hotline anrufen und sich sozusagen manuell auszuchecken, so im Callcenter, das ist kein Problem. Würde ein Kunde es einfach vergessen, weil er vielleicht gerade telefoniert oder irgendwie sonst abgelenkt ist, dann würden wir ihm nach einer Zeit eine Erinnerungs-SMS schicken: "Hallo, lieber Kunde, sie sind noch bei Touch & Travel eingecheckt - ob das so in Ordnung ist?" Dann könnte er sich noch mal auszuchecken und würde das alles nicht funktionieren, würden wir auch jemanden automatisch auschecken, nach einer gewissen Bedenkzeit."

    Zunächst soll dieses manuelle Auschecken auf Vertrauensbasis laufen. Denkbar wäre es jedoch, dass ein vergesslicher Kunde in diesem Fall sein Einverständnis geben muss, dass seine aktuellen Standortdaten anhand der Koordinaten der mit seinem Handy verbundenen Feststation überprüft werden. Frühestens im Jahr 2010, nach Abschluss der zweiten Pilotphase, soll das Touch & Travel genannte Bezahlsystem in den Regelbetrieb gehen. Bis dahin, so hofft Birgit Wirth, besäßen mehr als 50 Prozent der Bundesbürger das notwendige NFC-Handy. Damit sollte man dann ganz mit allen öffentlichen Verkehrsmitteln fahren können. Die bräuchten an ihren Haltestellen ebenfalls nur die wartungsfreien Touch & Travel-Points zu installieren:

    "Es sind die ganzen Verkehrsbetriebe in Potsdam beteiligt, weil es auch ein Konglomerat verschiedener Unternehmen ist. Wir haben gesagt, wir brauchen einen so genannten Referenzkorridor, bei dem wir alle möglichen Kombinationen, die es in diesem öffentlichen Verkehrsmarkt gibt, auch wirklich abbilden können. Das heißt: von ICE auf Straßenbahn, von Bahn auf Tram, U-Bahn auf S-Bahn und Bus auf Regionalexpress, so dass wir das auch überall gut testen können. Da sind unter anderem die regionalen Verkehrsbetriebe Potsdam und einige Strecken der S-Bahn Berlin mit beteiligt."