Atome sind mehr oder weniger große Kugeln, so steht es in jedem Lehrbuch, doch Wolfgang Scherer von der Universität Augsburg hat auch schon ganz andere Atome gesehen:
Im Grunde so richtig ausgebeult, und das hat Löcher aufgewiesen.
Ein zerknautschter Wasserball, dem es an Luft fehlt - so nämlich sehen überraschenderweise die von Scherer untersuchten Titan-Atome aus. Der Chemiker hat ausgewählte Titan-Komplexe mit Röntgen- und Neutronenstrahlung untersucht und dabei die auffälligen Dellen am Titan-Atom gefunden:
Das sind also genau die Orte, wo Elektronendichte also nur unterrepräsentiert ist, verarmt ist, wo also das Atom besonders elektronenhungrig ist.
Die Elektronen des Titan-Atoms sind nicht mehr wie in einer Kugel verteilt, sondern sehr ungleichmäßig. Die Konsequenz: Mit dem Titanteilchen verbundene Baugruppen werden von den eingedellten Bereichen stark angezogen und verformen sich dabei, so dass sie regelrecht unter Spannung stehen und deshalb besonders gut reagieren. Scherers Befunde sind für die Industrie nicht unbedeutend. Denn die von ihm untersuchten Titankomplexe sind wichtige Katalysatoren, die zur Kunststoffherstellung verwendet werden. Bislang unterliegt die Optimierung eines Katalysators einer meist mühseligen Abfolge von Versuch und Irrtum. Der von Scherer gewonnene direkte Blick auf das Titan-Atom sollte bessere Strategien ermöglichen.
Zwischen sechzig und siebzig Kilogramm pro Tag produziert jeder Mensch: Die Rede ist von Adenosintriphosphat, kurz ATP. Das Molekül ist die universelle Energiewährung unseres Körpers. Hergestellt wird es mit Hilfe eines kleinen rotierenden Motors, des Enzyms ATP-Synthase. Helmut Grubmüller vom Max-Planck-Institut für Biophysikalische Chemie in Göttingen interessiert sich für Details dieser winzigen Motoren:
Wofür wir uns interessiert haben, speziell, war nun die Frage, wie geht die Energie von dieser mechanischen Form, die also in dieser Drehung des Motors steckt, hin dazu, dass Chemie betrieben wird, dass also ATP synthetisiert wird.
Eine Frage, die Grubmüller mit aufwendigen Simulationen beantworten konnte. Demnach wird die mechanische Energie des sich drehenden Motors vor allem dazu gebraucht wird, das fertiggestellte ATP-Molekül aus seiner Bindungstasche zu lösen. Grubmüller:
Sie können sich das im Grunde vorstellen wie eine Faust, die das Molekül zunächst sehr fest hält, und dann werden die Finger sozusagen Stück für Stück weggebogen, die Faust öffnet sich und das Molekül kann dann aus der Bindungstasche raus. Dafür ist die Energie benötigt.
Die ATP-Synthase ist eine molekulare Maschine von beeindruckender Leistungsfähigkeit. Gleiches gilt für die sogenannten Aquaporine. Das sind die Proteine, die den Wassertransport in unsere Zellen gewährleisten. Jedes dieser Aquaporine kann bis zu eine Milliarde Wassermoleküle pro Sekunde durch die Zellmembran schleusen. Diese gigantische Zahl verblüfft umso mehr, da die Wassermoleküle auf ihrem Weg durch die Poren von sogenannten Wasserstoffbrücken festgehalten werden. Da das Aufbrechen dieser Bindungen sehr viel Energie kostet, würde man eigentlich erwarten, dass das Wasser nur sehr langsam durch die Aquaporine gelangt. Helmut Grubmüller hat den Vorgang am Rechner nachvollzogen und diesen scheinbaren Widerspruch geklärt.
Das Aquaporin springt hier sozusagen dann ein, ersetzt diese Wasserstoffbrücken durch Wechselwirkungen mit den Aminosäuren, mit den Proteinen des Inneren des Kanals, und auf diese Weise kann die Energiebarriere drastisch reduziert werden, so dass dann sozusagen das Wassermolekül gar nicht spürt, dass es jetzt von seinen Nachbarn weggerissen wird und es fühlt sich sozusagen nach wie vor wie in Wasserumgebung und entsprechend schnell kann es durch den Kanal diffundieren.
Nur eine Nanosekunde braucht das Wassermolekül für seinen Weg durch die Pore, wie Grubmüller in der stark verlangsamten Simulation zeigen kann. Die Befunde ergänzen somit die Daten von Forschern wie Peter Agre und Roderick MacKinnon, die für ihre Arbeiten über Aquaporine im vergangenen Jahr den Chemie-Nobelpreis erhalten haben.
Im Grunde so richtig ausgebeult, und das hat Löcher aufgewiesen.
Ein zerknautschter Wasserball, dem es an Luft fehlt - so nämlich sehen überraschenderweise die von Scherer untersuchten Titan-Atome aus. Der Chemiker hat ausgewählte Titan-Komplexe mit Röntgen- und Neutronenstrahlung untersucht und dabei die auffälligen Dellen am Titan-Atom gefunden:
Das sind also genau die Orte, wo Elektronendichte also nur unterrepräsentiert ist, verarmt ist, wo also das Atom besonders elektronenhungrig ist.
Die Elektronen des Titan-Atoms sind nicht mehr wie in einer Kugel verteilt, sondern sehr ungleichmäßig. Die Konsequenz: Mit dem Titanteilchen verbundene Baugruppen werden von den eingedellten Bereichen stark angezogen und verformen sich dabei, so dass sie regelrecht unter Spannung stehen und deshalb besonders gut reagieren. Scherers Befunde sind für die Industrie nicht unbedeutend. Denn die von ihm untersuchten Titankomplexe sind wichtige Katalysatoren, die zur Kunststoffherstellung verwendet werden. Bislang unterliegt die Optimierung eines Katalysators einer meist mühseligen Abfolge von Versuch und Irrtum. Der von Scherer gewonnene direkte Blick auf das Titan-Atom sollte bessere Strategien ermöglichen.
Zwischen sechzig und siebzig Kilogramm pro Tag produziert jeder Mensch: Die Rede ist von Adenosintriphosphat, kurz ATP. Das Molekül ist die universelle Energiewährung unseres Körpers. Hergestellt wird es mit Hilfe eines kleinen rotierenden Motors, des Enzyms ATP-Synthase. Helmut Grubmüller vom Max-Planck-Institut für Biophysikalische Chemie in Göttingen interessiert sich für Details dieser winzigen Motoren:
Wofür wir uns interessiert haben, speziell, war nun die Frage, wie geht die Energie von dieser mechanischen Form, die also in dieser Drehung des Motors steckt, hin dazu, dass Chemie betrieben wird, dass also ATP synthetisiert wird.
Eine Frage, die Grubmüller mit aufwendigen Simulationen beantworten konnte. Demnach wird die mechanische Energie des sich drehenden Motors vor allem dazu gebraucht wird, das fertiggestellte ATP-Molekül aus seiner Bindungstasche zu lösen. Grubmüller:
Sie können sich das im Grunde vorstellen wie eine Faust, die das Molekül zunächst sehr fest hält, und dann werden die Finger sozusagen Stück für Stück weggebogen, die Faust öffnet sich und das Molekül kann dann aus der Bindungstasche raus. Dafür ist die Energie benötigt.
Die ATP-Synthase ist eine molekulare Maschine von beeindruckender Leistungsfähigkeit. Gleiches gilt für die sogenannten Aquaporine. Das sind die Proteine, die den Wassertransport in unsere Zellen gewährleisten. Jedes dieser Aquaporine kann bis zu eine Milliarde Wassermoleküle pro Sekunde durch die Zellmembran schleusen. Diese gigantische Zahl verblüfft umso mehr, da die Wassermoleküle auf ihrem Weg durch die Poren von sogenannten Wasserstoffbrücken festgehalten werden. Da das Aufbrechen dieser Bindungen sehr viel Energie kostet, würde man eigentlich erwarten, dass das Wasser nur sehr langsam durch die Aquaporine gelangt. Helmut Grubmüller hat den Vorgang am Rechner nachvollzogen und diesen scheinbaren Widerspruch geklärt.
Das Aquaporin springt hier sozusagen dann ein, ersetzt diese Wasserstoffbrücken durch Wechselwirkungen mit den Aminosäuren, mit den Proteinen des Inneren des Kanals, und auf diese Weise kann die Energiebarriere drastisch reduziert werden, so dass dann sozusagen das Wassermolekül gar nicht spürt, dass es jetzt von seinen Nachbarn weggerissen wird und es fühlt sich sozusagen nach wie vor wie in Wasserumgebung und entsprechend schnell kann es durch den Kanal diffundieren.
Nur eine Nanosekunde braucht das Wassermolekül für seinen Weg durch die Pore, wie Grubmüller in der stark verlangsamten Simulation zeigen kann. Die Befunde ergänzen somit die Daten von Forschern wie Peter Agre und Roderick MacKinnon, die für ihre Arbeiten über Aquaporine im vergangenen Jahr den Chemie-Nobelpreis erhalten haben.