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Tiefsee-Bakterien als Reinigungstrupps

Fünf Wochen nach dem Stopfen des Öllecks im Golf von Mexiko sind die Ölschwaden in der Tiefsee durch Bakterien abgebaut worden. Das berichten US-Wissenschaftler im Wissenschaftsmagazin "Science". In Wasserproben aus über tausend Metern Tiefe konnten die Forscher inzwischen keine Spuren der Wolke mehr finden.

Von Volker Mrasek |
    Es sind verwirrende Meldungen, die uns zurzeit aus dem Golf von Mexiko erreichen. Gerade erst berichteten Forscher des Woods-Hole-Instituts für Ozeanographie von einem riesigen Ölteppich in der Tiefsee. 35 Kilometer lang sollte er sein und knapp 200 Meter dick. Jetzt aber sagt der Mikrobiologe und Ökologe Terry Hazen über die Untersee-Ölwolke:

    "Wir können sie nicht mehr nachweisen, seit drei Wochen schon."

    Terry Hazen leitet eine Gruppe von Wissenschaftlern aus dem staatlichen Lawrence-Berkeley-Labor in Kalifornien. Es ist mit Schiffen vor Ort im Golf von Mexiko. Bis heute. Wochenlang kreuzten sie über der Ölfahne. Das Team holte Wasserproben aus über tausend Metern Tiefe an Bord und analysierte sie. Laut dem Expeditionsleiter lassen sich inzwischen keine Spuren der Wolke mehr finden.

    Hazen sieht keinen Widerspruch zu den Ergebnissen, die sein Kollege Richard Camilli aus Woods Hole vor wenigen Tagen vorlegte:

    "Richard Camilli und ich haben intensiv darüber gesprochen. Und unsere Studien ergänzen sich perfekt, wie wir finden. Seine Gruppe war nur bis Ende Juni vor Ort, als noch immer Öl austrat. Wir aber haben bis heute gemessen und konnten sehen: Nachdem das Bohrloch abgedichtet war und kein Öl mehr nachströmte, hat sich die Wolke schnell aufgelöst."

    Auch Terry Hazens Arbeitsgruppe veröffentlicht jetzt Messergebnisse im US-Wissenschaftsmagazin "Science". Ihr Fachartikel enthält eine mögliche Erklärung für das Verschwinden der Ölschwaden. Mit speziellen Methoden filterten die Forscher aus ihren Tiefseeproben Enzyme, Fette und Erbmaterial heraus. Um daraus indirekt auf die Mikroorganismen in der Schmutzfahne zu schließen.

    Demnach wimmelte es in der Ölwolke schon früh von bestimmten, sogenannten Proteobakterien. Nach Aussage der Forscher gehören sie zu einer Gruppe, die darauf spezialisiert ist, Kohlenwasserstoffe abzubauen, wie sie in Erdöl enthalten sind. Und das sehr effektiv bei den in großer Tiefe herrschenden, niedrigen Temperaturen um die fünf Grad Celsius:

    "Das Öl ist eine ergiebige Kohlenstoff-Quelle für diese Art von Bakterien. Im Golf von Mexiko treten jedes Jahr große Mengen Öl aus. Nicht durch Bohrunglücke, sondern durch Risse im Meeresboden. Das ist schon seit Millionen von Jahren so. Deshalb gibt es Bakterien in der Tiefsee, die sich angepasst haben und für die Öl zu einer wichtigen Nahrungsquelle geworden ist."

    Am Ende dürfte das Tiefsee-Öl auch deshalb nicht mehr erfassbar gewesen sein, weil es immer stärker mit dem Meerwasser verdünnt wurde - bis unter die Nachweisgrenze.

    Der Energiekonzern BP hat nach dem Unglück große Mengen Dispersionsmittel eingesetzt, um das Öl schon in der Tiefsee zu zerstäuben. Eine umstrittene Maßnahme. Die Forscher schließen allerdings nicht aus, dass das den Abbau der Kohlenwasserstoffe begünstigt hat. Vorteilhaft war auf jeden Fall ein Umstand, den der Öxotoxikologe Ed Overton von der Staatsuniversität Louisiana schon früh als glücklich bezeichnete:

    "Das Öl, mit dem wir es zu tun haben, ist extrem leicht. Im Gegensatz zu Schweröl enthält es kaum größere Moleküle, die nur schwer abbaubar sind, und das ist gut so."

    Auch wenn sich der Ölteppich in der Tiefsee mittlerweile aufgelöst haben sollte, Entwarnung für das Ökosystem im Golf von Mexiko geben die Wissenschaftler noch nicht. Terry Hazens Arbeitsgruppe zum Beispiel will nun auch Proben aus dem Meeresboden entnehmen. Um zu sehen, ob sich das Öl in den Sedimenten angereichert hat, in denen auch Tiefsee-Organismen leben:

    "Es war sicher ein ökologisches Desaster. Und wir wissen nicht, welche Schäden das Öl in den letzten Monaten im ganzen Ökosystem angerichtet hat."