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Tierärzte warnen vor der Einschleppung des Vogelgrippe-Virus durch Menschen

Die Europäische Union hat nach dem Ausbruch der Vogelgrippe in Russland und Kasachstan sofort die Einfuhr von Geflügel aus beiden Staaten verboten. Beunruhigend an den Meldungen aus Sibirien und Kasachstan ist vor allem, dass sich die Tiere offenbar über Zugvögel angesteckt haben.

Von Carolin Hoffrogge |
    Und nicht nur das: Tierärzte in Niedersachsen schließen nicht aus, dass die Vogelgrippe auch über reisende Menschen übertragen werden kann.

    Tierärzte aus der Region Weser Ems warnen vor der Gefahr, dass die Vogelgrippe in Niedersachsen Einzug halten könnte. Klaus Peter Bähr ist einer von ihnen. Seit Jahren arbeitet der Cloppenburger als Fachtierarzt für Geflügel im Raum Weser Ems, in der Region Europas, wo das meiste Federvieh gehalten wird. 50 Millionen Hühner, Puten, Gänse und Enten leben hier. Dass die hochansteckende und auch für den Menschen gefährliche Vogelgrippe nicht nur in Südostasien, sondern auch schon in Russland und Kasachstan wütet, macht Tierarzt Bähr große Sorgen:

    "Das Virus kann auch transportiert werden, mit Gerätschaften oder auch mit Menschen, die sich zwischen verschiedenen Regionen bewegen. "

    Für russisches und kasachisches Geflügel, Geflügelfleisch und Federn besteht seit heute in der EU ein Importverbot. Aber in niedersächsischen Hühner- und Putenställen arbeiten viele Spätaussiedler, von denen etliche in den Sommermonaten Urlaub bei Verwandten in Russland oder Kasachstan machen. Tierarzt Bähr will keine Panik verbreiten, trotzdem rät er allen Geflügelfarmern, vorsichtig zu sein:

    "Ich begegne hier in meinem täglichen Berufsleben Tierärzten, Labormitarbeitern, Mischfutterwerksmitarbeitern, Mitarbeitern in den so genannten Verladekolonnen, die dieses Geflügel hantieren, die dieser Gruppe der Spätaussiedler angehören und von denen ich auch weiß, dass er gereist ist oder Reisen vorhat. Wenn die dortigen Verwandten und Freunde auf dem Lande leben, dann halten sie häufig auch Enten, Hühner zur Selbstversorgung, sodass die Gefahr besteht, dass von dort durchaus das Virus verschleppt werden könnte. "

    Damit die Vogelgrippe nicht vom Menschen wieder zurück auf das Tier übertragen wird, schlägt Klaus Peter Bähr den Geflügelfarmern vor, ihre Angestellten genau nach ihren Reiserouten zu befragen. Gegebenenfalls sollten sie erst drei Tage nach ihrer Ankunft in Deutschland wieder in den Geflügelställen Südoldenburgs arbeiten, da nach einer halben Woche – der Inkubationszeit des Influenzavirus - klar ist, ob sie sich mit der Vogelgrippe angesteckt haben oder nicht. Tierarzt Martin Röhl von der Geflügelklinik der Tierärztlichen Hochschule Hannover kann die Bedenken seines Kollegen nachvollziehen, schränkt aber ein:

    "Insgesamt muss das vorsichtig beurteilt werden. Man kann sich das leicht vorstellen, das solche Personen, die aus solch gefährdeten Gebieten möglicherweise schon Überträger sein können und mit entsprechenden Vorsichtsmaßnahmen beschäftigt werden. Wie die aussehen, das kann ich ihnen natürlich nicht sagen. Ich werde mich jetzt nicht darauf versteifen und sagen: Spätaussiedler dürfen in diesen Bereichen nicht beschäftigt werden. "

    Viele größere Sorgen bereitet Röhl allerdings ein anderer Übertragungsweg: Die Vogelgrippe kann nämlich auch mit anderen Reisenden nach Deutschland gelangen, und zwar mit den Zugvögeln:

    "Wir wissen, dass die Wasservögel jetzt anfangen zu ziehen und entgegen den Zugrouten von anderen Vogelarten nicht nach Nord- Süd, sondern eher nach Ost- West ziehen. Das wissen wir ganz sicher. Wenn, dann überträgt das Wassergeflügel diese Viren und das Gefährdungspotential darf nicht unterschätzt werden. "

    Besondere Obacht sollten Hobbygeflügelhalter haben, weil ihre Vögel oftmals frei herumlaufen und sich über den Kot erkrankter Zugvögel anstecken, so Martin Röhl. Denn picken Blesshühner, Mastgänse oder Rennenten in ihrem Auslauf im verkoteten Sand, beginnt die Infektion. Sterben mehr als zwei Prozent der Tiere einer Gruppe an einem Tag muss sofort der Hobbygeflügelhalter den Amtstierarzt benachrichtigen.
    Einen Impfstoff gegen die Vogelgrippe, die in Südostasien, Russland und Kasachstan grassiert, gibt es bisher nicht. Sollte die Vogelgrippe bis nach Niedersachsen vordringen, sieht Tierarzt Bähr aus Cloppenburg schwarz:

    "Wir sind hier in der EU und besonders in Deutschland durch verschiedene Umweltschutz- und Tierschutzbestimmungen gezwungen, dann in den Tierkörperbeseitungsanstalten zu entsorgen und mit diesen Transporten das Virus weiter zu verschleppen, anstatt es zu kompostieren. Diese Kompostierungsprozesse führen zu einem Absterben der Viren und wir könnten es dann zu einem späteren Zeitpunkt zur Verbrennung bringen, ohne dass bei diesem Transport noch ein Verschleppungsrisiko bestünde. "

    Für den Fall des Ausbruchs der Vogelgrippe im Geflügelland Niedersachsen hat das Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit in Oldenburg eine Task Force eingerichtet, die binnen fünf Stunden das Vogelgrippegebiet weiträumig absperren würde.