Samstag, 04. Mai 2024

Archiv

Timanowskaja im Exil in Polen
Regimefeind wider Willen

Erstmals seit ihrer spektakulären Flucht aus Tokio hat die belarussische Leichtathletin Kristina Timanowskaja die Details der Ereignisse aus ihrer Sicht geschildert. Speziell am Tokioter Flughafen kam sie nur dank einer Übersetzungs-App weiter.

Von Jan Pallokat | 05.08.2021
Sprinterin Kristina Timanowskaja in Warschau nimmt an einer Pressekonferenz teil und zeigt ein T-Shirt mit dem Slogan "I Just Want to Run".
Sprinterin Kristina Timanowskaja in Warschau (dpa-Bildfunk / AP / Czarek Sokolowski)
"Im Olympischen Dorf kam ein Trainer und jemand aus unserem Team in mein Zimmer. Sie sagten mir, ich sollte sagen, ich hätte Verletzungen und dass ich nach Hause musste, wenn ich es nicht täte, würde ich Probleme bekommen in meinem Land. Und als ich meine Sachen gepackt hatte und Richtung Flughafen gefahren wurde, rief meine Großmutter an und warnte mich, 'Du darfst nicht kommen, im Fernsehen erzählen sie jede Menge schlimme Dinge über Dich, dass Du mentale Probleme hast. Vielleicht musst Du in eine Klinik oder ins Gefängnis.'"

"Die ganze Situation wurde zu einem politischen Skandal"

Stein des Anstoßes war offenbar Kritik, die die Athletin auf Instagram geäußert hatte: nicht an der Politik, wie sie betont, es sei um Sport gegangen.

"Die ganze Situation wurde zu einem politischen Skandal, aber es ging nur um Sport. Es wurde ein Fehler gemacht, weswegen zwei Athleten nicht zur Olympiade konnten. Alles was ich sagte war, dass jemand dafür die Verantwortung übernehmen sollte. Und dass das dann zu einer hochpolitischen Angelegenheit wurde, hat mich erstaunt. Ich war immer auf Instagram aktiv, ich teile, was in meinem Leben passiert, dort."
Aufnahmen aus ihrer Heimat zeigten ihr, dass dort im Fernsehen unter Verweis auf ihre Instagram-Adresse dazu aufgerufen wurde, entsprechend zu kommentieren; sie habe aber mehr Zuspruch als Hasskommentare erhalten, erzählt sie.

Dramatische Momente am Flughafen

Sie verriet auch Details von offenbar dramatischen Momenten am Tokioter Flughafen, als sie mittels einer Übersetzungs-App versucht habe, Polizisten durch Zeigen des Handys klar zu machen, dass sie Hilfe brauche. Es habe aber eine Weile gedauert, bis diese Botschaft angekommen sei und sie von ihren Bewachern getrennt wurde.
An einen Asylantrag habe sie, die ein humanitäres Visum für Polen erhalten hatte, aber nicht gedacht. Sie wolle einfach ihre Sportkarriere fortsetzen, betonte sie mehrfach.
"Dass ich nach Polen kam, hat mit meinen Eltern zu tun. Sie meinten, Polen wäre vielleicht die beste Lösung, weil es für sie am einfachsten wäre, um auch hinzukommen und uns manchmal zu treffen."
Gegen Ende ihres Presseauftritts präsentierte die Regimegegnerin wider Willen Timanowskaja ein T-Shirt mit der englischsprachigen, gleichwohl nun doppeldeutigen Aufschrift: 'I just want to run – ich will nur rennen.' Und auf die Journalisten-Frage, ob sie ihren Landsleuten in Belarus etwas auf den Weg geben wolle, sagte sie: Hört auf Euch zu fürchten.