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Todesangst und Größenwahn

Die Oper "Idomeneo" von Wolfgang Amadeus Mozart erzählt den antiken Stoff über den Kretakönig Idomeneo. Meeresgott Neptun zwingt ihn nach dem Trojanischen Krieg dazu, seinen eigenen Sohn zu opfern. Die Neuproduktion dieses Werkes an der Semperoper besticht vor allem durch die Frau am Pult.

Von Georg-Friedrich Kühn |
    "Idomeneo" gehört zu den Mozart-Opern, die immer ein bisschen im Schatten zumal der mit da Ponte verfassten Werke stehen. Es ist schwierig zu inszenieren wegen der vom Libretto des Padre Varesco eingestreuten Wunder. Der König Idomeneo gerät bei der Rückkehr vom Trojanischen Krieg in einen Sturm, gelobt dem Meeresgott Neptun den ersten Menschen, den er nach glücklicher Rettung am Strand sieht, zu opfern. Das ist der Sohn Idamante.

    Der nun, als er die ganze Wahrheit endlich erfährt, will sich opfern für den Vater. Dann will sich für ihn seine Geliebte Ilia opfern, eine zunächst als Gefangene aus Troja nach Kreta verbrachte Prinzessin. Und dann spricht ein Orakel wie in der Bibel: alles gut. Schon der Wille hat genügt.

    Die Neuproduktion in Dresden besticht vor allem durch die Frau am Pult: Julia Jones. Unaufgeregt aber mit höchster Sensibilität und feinen Nuancierungen leitet sie die verkleinerte Staatskapelle im hochgefahrenen Graben, scharf die Akzente setzend, geschmeidig im Habitus. Das sängerische Niveau ist nicht von vergleichbarer Güte. Wookyong Kim als heimkehrender Kreter-König Idomeneo zeigt zwar sehr schöne Piano-Töne, neigt aber im Forcieren zu Unsauberkeiten. Anke Vondung in der Hosenrolle des Idamante hat einen eher schmalen, gepressten Sopran.

    Elena Gorshunova als seine Geliebte Ilia findet erst im zweiten Teil zu einer ausgeglichenen Tongebung. Ihre Gegenspielerin um die Gunst Idamantes, Elettra (Rachel Willis-Sørensen), kann zwar einen hochdramatischen Koloratur-Sopran aufbieten, singt aber oft mit zu viel Kraft. Timothy Willis als des Königs Vertrauter Arbace ist eine schlichte Fehlbesetzung.

    Als Regisseur firmiert Michael Schulz. Viel eingefallen ist ihm nicht außer einer Statisten-Truppe, die als Agenten Neptuns den handelnden Figuren immer wieder in die Quere kommt. Beim Sturm dürfen sie die Insulaner einzeln niederschlagen oder am Ende die untergangswillige Elettra zu den Furien locken.

    Das Volk von Kreta und die befreiten trojanischen Gefangenen sitzen entweder an den Seiten der breiten, perspektivisch angeschrägten Bühne oder sie stehen Spalier zum Empfang des geretteten Idomeneo wie für einen Staatsbesuch in einem autoritären Bananen-Ländle. Überhaupt die Ausstattung: Die Schiffsplanken-ähnliche Bühne, die Kathrin-Susann Brose nach-gebaut hat mit angedeuteten barocken Gassen und einer zungenähnlichen Kanzel in der Mitte, wirkt so steril wie auch die gekünstelten Kostüme von Renée Listerdal.

    Am Ende wird das neue junge Königspaar Ilia-Idamante in ein reichlich kitschiges Regenten-Outfit à la König Drosselbart festgezurrt als gleichsam Statuen. Ihre Liebe dürfen sie nicht leben, will die Regie uns damit wohl sagen. Ob ähnlich tiefgründige Interpretationen auch von dem "Parsifal" zu erwarten sind, den Schulz dann mit Chefdirigent Christian Thielemann zu Ostern für Salzburg plant? Es ist zu befürchten. Mit einem Spitzenorchester und dann ein paar teuren Sängern allein ist aber Spitzenoper zu Spitzenpreisen nicht zu machen.

    Etwas provinziell wirkt das Dresdner Haus derzeit. Und das ist nicht allein dem geschuldet, dass es im Moment führungslos ist. Der Wille zur auch szenischen Qualität war dort nie besonders tief verankert. Nur sporadisch. Ist Änderung in Sicht?