Krauter: Die australischen Forscher, die es durchführten, wollten herausfinden, wie das Fressverhalten von Ratten deren Nachwuchs beeinflusst. Herr Lange, wie genau sind die Forscher vorgegangen?
Lange: Die Forscher aus Sydney haben eine Rattenexperiment durchgeführt. Sie haben ihre männlichen Ratten zunächst einmal ziemlich viel zu fressen gegeben, und zwar fettreiche Kost. Außerdem haben sich die Ratten wenig bewegt, das waren also richtige couch potatoes unter den Ratten. Und dann hat man diese Ratten aber zur Fortpflanzung gebracht. Vielmehr hat man Weibchen dazugegeben, die übrigens nicht übergewichtig war. Und diese Vielfraß männlichen Ratten haben gemeinsam mit den Weibchen Junge bekommen.
Krauter: Was hatten diese futterliebenden Väter denn für Folgen für die Nachwuchs-Ratten?
Lange: Ja, das hat die Wissenschaftler in diesem Fall besonders interessiert. Sie haben sich dann den weiblichen Nachwuchs genauer angeschaut, und dort tatsächlich festgestellt, dass tatsächlich diese Töchter Schäden hatten beim Stoffwechsel. Und zwar haben sie sich die Beta-Zellen angeschaut, die insulinproduzierenden Zellen im Körper und festgestellt, dass die Insulinproduktion stark gestört war. Außerdem war der gesamte Zuckerstoffwechsel der weiblichen Tiere, also der Töchter der Vielfraße, war wirklich vollkommen durcheinander gekommen. Ich habe bei Margaret Morris nachgefragt, ob sie denn tatsächlich Diabetes hatten, diese Töchter. Das sei nicht der Fall gewesen, es wäre eine Art prä-diabetischer Zustand.
Krauter: Warum haben die Wissenschaftler für das Experiment denn gerade die künftigen Väter gemästet und nicht die Mütter? Wäre dabei dasselbe herausgekommen?
Lange: Wahrscheinlich wäre dasselbe herausgekommen. Aber man will ja die Ursache herausfinden. Wie kann etwas von einer Generation an, vom Verhalten einer Generation auf die nächste Generation überspringen. Und bei den Müttern ist immer auch die Wahrscheinlichkeit sehr groß, dass es während der Schwangerschaft passiert. Es ist klar: Söhne und Töchter befinden sich im Mutterleib und werden da verschiedenen Stoffwechselprodukten der Mutter ausgesetzt. Da könnte etwas stattfinden. Der Vater ist sozusagen aus dem Rennen. Seine Spermien befruchten die Eizelle und danach ist der Vater weg. Also da muss ein anderer Effekt vorliegen, der irgendwie über die Spermien kommt, der aber nicht genetisch sein kann, weil er ja vom Verhalten kommt.
Krauter: Die Töchter müssen also sozusagen die esstechnische Suppe ihrer Väter ausbaden. Wissen denn die Forscher schon, wie dieses aber jenseits der Gene funktioniert?
Lange: Sie haben auf jeden Fall Theorien. Und zwar geht es da um die so genannte Methylierung, das sind Markierungen an den Erbmolekülen. Also die Erbinformation selbst wird durch das Verhalten der Väter nicht verändert. Aber es gibt kleine Methylgruppen, die am Erbgut, an den Erbmolekülen anhaften und die wie Schilder funktionieren. Die sagen: Gehe an, gehe aus. Und diese Methylierungen wurden tatsächlich durch das Fressverhalten der Väter erheblich verändert. Und nun liegt die Vermutung nahe, dass es tatsächlich die Ursache dafür ist, dass diese Stoffwechselstörung bei den Töchtern auftreten.
Krauter: Inwiefern lässt sich das Ganze denn auf den Menschen übertragen? Das ist ja die Gretchenfrage jetzt.
Lange: Das lässt sich höchstwahrscheinlich auf den Menschen übertragen, denn es gibt seit einigen Jahren epidemiologische Untersuchungen. Im Jahr 2002 war das erstmals aufgefallen, bei einer kleinen Gemeinde in Nordschweden, Överkalix heißt die. Die Ergebnisse damals haben gezeigt, dass tatsächlich die Ernährung der Großväter sich auf die Enkel auswirkte. Und zwar war in dieser Gemeinde ein ständiger Wechsel zwischen guten Jahren, da gab es viel zu essen, und Hungerjahren, da gab es sehr wenig zu essen. Und das hatte eine enorme Auswirkung auf die Enkel. Und da haben viele Wissenschaftler gedacht, das kann doch kein Zufall sein, wie kann so etwas zustandekommen. Nun weiß man also, wie es funktioniert und anscheinend ist es so, dass tatsächlich der gleiche Prozess jetzt im Experiment nachgespielt wurde.
Krauter: Ein wegweisendes Experiment also, wenn ich Sie richtig verstehe. Heißt das denn jetzt, dass die Lehrbücher definitiv umgeschrieben werden müssen, dass die Gene, der genetische Code, als Träger der Erbinformation sozusagen entmachtet worden sind?
Lange: Es muss zumindest etwas in den Lehrbüchern dazu geschrieben werden. Denn diese zusätzliche Vererbung durch die Epigenetik, die findet auf jeden Fall auch statt. Sie ist möglicherweise nur ein kleiner Faktor, der in besonderen Situationen eine Rolle spielt, aber die Gene, die Erbinformation ist es nicht mehr alleine, die unser Wesen, unsere Persönlichkeit bestimmt. Sondern das Verhalten der Eltern scheint geringerer oder größere, man weiß es nicht genau, Auswirkungen auf uns selbst zu haben.
Lange: Die Forscher aus Sydney haben eine Rattenexperiment durchgeführt. Sie haben ihre männlichen Ratten zunächst einmal ziemlich viel zu fressen gegeben, und zwar fettreiche Kost. Außerdem haben sich die Ratten wenig bewegt, das waren also richtige couch potatoes unter den Ratten. Und dann hat man diese Ratten aber zur Fortpflanzung gebracht. Vielmehr hat man Weibchen dazugegeben, die übrigens nicht übergewichtig war. Und diese Vielfraß männlichen Ratten haben gemeinsam mit den Weibchen Junge bekommen.
Krauter: Was hatten diese futterliebenden Väter denn für Folgen für die Nachwuchs-Ratten?
Lange: Ja, das hat die Wissenschaftler in diesem Fall besonders interessiert. Sie haben sich dann den weiblichen Nachwuchs genauer angeschaut, und dort tatsächlich festgestellt, dass tatsächlich diese Töchter Schäden hatten beim Stoffwechsel. Und zwar haben sie sich die Beta-Zellen angeschaut, die insulinproduzierenden Zellen im Körper und festgestellt, dass die Insulinproduktion stark gestört war. Außerdem war der gesamte Zuckerstoffwechsel der weiblichen Tiere, also der Töchter der Vielfraße, war wirklich vollkommen durcheinander gekommen. Ich habe bei Margaret Morris nachgefragt, ob sie denn tatsächlich Diabetes hatten, diese Töchter. Das sei nicht der Fall gewesen, es wäre eine Art prä-diabetischer Zustand.
Krauter: Warum haben die Wissenschaftler für das Experiment denn gerade die künftigen Väter gemästet und nicht die Mütter? Wäre dabei dasselbe herausgekommen?
Lange: Wahrscheinlich wäre dasselbe herausgekommen. Aber man will ja die Ursache herausfinden. Wie kann etwas von einer Generation an, vom Verhalten einer Generation auf die nächste Generation überspringen. Und bei den Müttern ist immer auch die Wahrscheinlichkeit sehr groß, dass es während der Schwangerschaft passiert. Es ist klar: Söhne und Töchter befinden sich im Mutterleib und werden da verschiedenen Stoffwechselprodukten der Mutter ausgesetzt. Da könnte etwas stattfinden. Der Vater ist sozusagen aus dem Rennen. Seine Spermien befruchten die Eizelle und danach ist der Vater weg. Also da muss ein anderer Effekt vorliegen, der irgendwie über die Spermien kommt, der aber nicht genetisch sein kann, weil er ja vom Verhalten kommt.
Krauter: Die Töchter müssen also sozusagen die esstechnische Suppe ihrer Väter ausbaden. Wissen denn die Forscher schon, wie dieses aber jenseits der Gene funktioniert?
Lange: Sie haben auf jeden Fall Theorien. Und zwar geht es da um die so genannte Methylierung, das sind Markierungen an den Erbmolekülen. Also die Erbinformation selbst wird durch das Verhalten der Väter nicht verändert. Aber es gibt kleine Methylgruppen, die am Erbgut, an den Erbmolekülen anhaften und die wie Schilder funktionieren. Die sagen: Gehe an, gehe aus. Und diese Methylierungen wurden tatsächlich durch das Fressverhalten der Väter erheblich verändert. Und nun liegt die Vermutung nahe, dass es tatsächlich die Ursache dafür ist, dass diese Stoffwechselstörung bei den Töchtern auftreten.
Krauter: Inwiefern lässt sich das Ganze denn auf den Menschen übertragen? Das ist ja die Gretchenfrage jetzt.
Lange: Das lässt sich höchstwahrscheinlich auf den Menschen übertragen, denn es gibt seit einigen Jahren epidemiologische Untersuchungen. Im Jahr 2002 war das erstmals aufgefallen, bei einer kleinen Gemeinde in Nordschweden, Överkalix heißt die. Die Ergebnisse damals haben gezeigt, dass tatsächlich die Ernährung der Großväter sich auf die Enkel auswirkte. Und zwar war in dieser Gemeinde ein ständiger Wechsel zwischen guten Jahren, da gab es viel zu essen, und Hungerjahren, da gab es sehr wenig zu essen. Und das hatte eine enorme Auswirkung auf die Enkel. Und da haben viele Wissenschaftler gedacht, das kann doch kein Zufall sein, wie kann so etwas zustandekommen. Nun weiß man also, wie es funktioniert und anscheinend ist es so, dass tatsächlich der gleiche Prozess jetzt im Experiment nachgespielt wurde.
Krauter: Ein wegweisendes Experiment also, wenn ich Sie richtig verstehe. Heißt das denn jetzt, dass die Lehrbücher definitiv umgeschrieben werden müssen, dass die Gene, der genetische Code, als Träger der Erbinformation sozusagen entmachtet worden sind?
Lange: Es muss zumindest etwas in den Lehrbüchern dazu geschrieben werden. Denn diese zusätzliche Vererbung durch die Epigenetik, die findet auf jeden Fall auch statt. Sie ist möglicherweise nur ein kleiner Faktor, der in besonderen Situationen eine Rolle spielt, aber die Gene, die Erbinformation ist es nicht mehr alleine, die unser Wesen, unsere Persönlichkeit bestimmt. Sondern das Verhalten der Eltern scheint geringerer oder größere, man weiß es nicht genau, Auswirkungen auf uns selbst zu haben.