Seine Augen sagen mehr als tausend Manifeste. Es ist der Blick dieses Mannes, der einen noch begleitet, wenn man das Kino schon lang verlassen hat: Ein Gatte wirft ihn auf die ungetreue Frau, kurz bevor diese sich anscheinend vom Balkon stürzen will; und als er sie zurückhält, kann man nicht sicher sein, ob er das nicht nur deshalb tut, weil der Selbstmord für sie noch die einfachste Ausflucht wäre, weil sie noch mehr leiden wird, wenn sie weiterleben, und seinen Blick über Jahre aushalten muss.
Alles beginnt wie ein Krimi von Simenon oder Chabrol: Regen, ein Auto rast durch die Nacht, ein kurzer Moment der Unaufmerksamkeit, der einen Unfall auslöst - am nächsten Morgen bezahlt der Verursacher, ein erfolgreicher Politiker, der gerade um seine Wiederwahl kämpft, seinem Angestellten einen Batzen Geld dafür, dass der für ihn Unfall und Fahrerflucht übernimmt, und die Gefängnisstrafe absitzt. Doch die Verdorbenheit der Bourgoisie steht dann keineswegs, wie es bei Chabrol der Fall wäre, im Zentrum, sondern das, was die falsche Schuld mit der Familie des Angestellten macht, wie sie sich Stück für Stück in tatsächliche Schuld verwandelt.
Während der Mann in der Haft sitzt, blühen seine ihm längst entfremdete Frau und der Sohn, ein Tunichtgut, befreit durch die Abwesenheit des Patriarchen, spürbar auf. Die Frau lässt sich ausgerechnet zu einer Affäre mit dem Chef ihres Mannes hinreißen, der desorientierte Sohn kommt bald dahinter.
Im vergangenen Jahr wurde Nuri Bilge Ceylans beziehungsreicher Gefühlsthriller "Drei Affen" beim Filmfestival in Cannes mit dem Preis für die beste Regie ausgezeichnet. Ceylan, zur Zeit einer der führenden türkischen Filmemacher, hat sein Familiendrama in erlesenen, manchmal fast etwas zu wohlgestalteten Bildern inszeniert: Die Wolken ziehen hier nicht vorüber, sie hängen vielmehr ständig am bleichen Himmel, überaus malerisch über digital stilisierten Meeresansichten.
Das steht für die Düsternis, die hier auch zwischen den Menschen herrscht. Der Titel spielt auf die japanische Fabel von den drei Affen an, die nichts sehen, nichts hören, nichts sagen - während dies in Japan großzügig interpretiert wird als Ausdruck des weisen Übersehens von Schlechtem, gilt es im Westen als Schwäche: Die Unfähigkeit, mit der Wahrheit umzugehen und sie mitzuteilen.
Das steht im Zentrum des Films: Immer wieder zeigt Ceylan tiefe Abgründe der Kommunikationslosigkeit, in denen die drei Familienmitglieder stumpf vor sich hinbrüten, einander anschweigen - bevor sich die Spannung entlädt in Form häuslicher Gewalt, eines kurzen Schimpfworts, oder hastigen Hinausstürzens an die frische Luft.
Ceylans Film ist vor allem eine Auseinandersetzung mit den sich wandelnden Vorstellungen von Männlichkeit in der Türkei, die das dortige Kino stellvertretend für den Rest der Gesellschaft gerade austrägt.
Ceylan hat da keineswegs eine klare Position: Seinem Familienvater, einem angepassten, daheim gewalttätigen Untertan, einem sadomasochistischen Charakter, wie ihn Fassbinder nicht boshafter hätte erfinden können, bringt der Regisseur überraschend viel Sympathie entgegen.
Und doch zeigt er dann anhand dieser zugleich frustrierten wie selbstgerechten Figur, der er sich nur durch böse Blicke oder Schläge mitteilen kann, genau die Grenzen des männlichen Selbstmitleids, entlarvt Männergewalt als verkappte Ohnmacht.
Sein Chef ist ein Politiker mit deutlich opportunistischen Zügen, klar im alten Establishment der Atatürk-Nachfolgeparteien verortet. Und der Sohn ein Repräsentant jener neuen jungen türkischen Männer, deren traditionelle soziale Position längst unrettbar in Frage gestellt ist. Faul, aber um große Worte nie verlegen, lebt er zu Hause bei den Eltern in den Tag hinein, ein ewiger Pascha.
Alle drei sind Männerfiguren, die in ihren angestammten Rollen erschüttert werden. Allen dreien bleiben nur die Fetische "Anstand", "Sitte" und "Ehre" - ein pessimistischer Einblick in eine autoritäre Gesellschaft.
Dabei findet Ceylan aber eine künstlerische Form, um einen Thesenfilm zu vermeiden. Auch hier ähnelt sein Film dem, was die Deutschen aus dem Autorenkino der 70er-Jahre kennen: Wie seine Figuren findet auch "Drei Affen" eine Sprache für Gefühle und Erfahrungen, die zuvor noch keine Namen hatten. Ceylans wichtiger, nur manchmal etwas monotoner Film enthüllt eine versteckte Welt.
Alles beginnt wie ein Krimi von Simenon oder Chabrol: Regen, ein Auto rast durch die Nacht, ein kurzer Moment der Unaufmerksamkeit, der einen Unfall auslöst - am nächsten Morgen bezahlt der Verursacher, ein erfolgreicher Politiker, der gerade um seine Wiederwahl kämpft, seinem Angestellten einen Batzen Geld dafür, dass der für ihn Unfall und Fahrerflucht übernimmt, und die Gefängnisstrafe absitzt. Doch die Verdorbenheit der Bourgoisie steht dann keineswegs, wie es bei Chabrol der Fall wäre, im Zentrum, sondern das, was die falsche Schuld mit der Familie des Angestellten macht, wie sie sich Stück für Stück in tatsächliche Schuld verwandelt.
Während der Mann in der Haft sitzt, blühen seine ihm längst entfremdete Frau und der Sohn, ein Tunichtgut, befreit durch die Abwesenheit des Patriarchen, spürbar auf. Die Frau lässt sich ausgerechnet zu einer Affäre mit dem Chef ihres Mannes hinreißen, der desorientierte Sohn kommt bald dahinter.
Im vergangenen Jahr wurde Nuri Bilge Ceylans beziehungsreicher Gefühlsthriller "Drei Affen" beim Filmfestival in Cannes mit dem Preis für die beste Regie ausgezeichnet. Ceylan, zur Zeit einer der führenden türkischen Filmemacher, hat sein Familiendrama in erlesenen, manchmal fast etwas zu wohlgestalteten Bildern inszeniert: Die Wolken ziehen hier nicht vorüber, sie hängen vielmehr ständig am bleichen Himmel, überaus malerisch über digital stilisierten Meeresansichten.
Das steht für die Düsternis, die hier auch zwischen den Menschen herrscht. Der Titel spielt auf die japanische Fabel von den drei Affen an, die nichts sehen, nichts hören, nichts sagen - während dies in Japan großzügig interpretiert wird als Ausdruck des weisen Übersehens von Schlechtem, gilt es im Westen als Schwäche: Die Unfähigkeit, mit der Wahrheit umzugehen und sie mitzuteilen.
Das steht im Zentrum des Films: Immer wieder zeigt Ceylan tiefe Abgründe der Kommunikationslosigkeit, in denen die drei Familienmitglieder stumpf vor sich hinbrüten, einander anschweigen - bevor sich die Spannung entlädt in Form häuslicher Gewalt, eines kurzen Schimpfworts, oder hastigen Hinausstürzens an die frische Luft.
Ceylans Film ist vor allem eine Auseinandersetzung mit den sich wandelnden Vorstellungen von Männlichkeit in der Türkei, die das dortige Kino stellvertretend für den Rest der Gesellschaft gerade austrägt.
Ceylan hat da keineswegs eine klare Position: Seinem Familienvater, einem angepassten, daheim gewalttätigen Untertan, einem sadomasochistischen Charakter, wie ihn Fassbinder nicht boshafter hätte erfinden können, bringt der Regisseur überraschend viel Sympathie entgegen.
Und doch zeigt er dann anhand dieser zugleich frustrierten wie selbstgerechten Figur, der er sich nur durch böse Blicke oder Schläge mitteilen kann, genau die Grenzen des männlichen Selbstmitleids, entlarvt Männergewalt als verkappte Ohnmacht.
Sein Chef ist ein Politiker mit deutlich opportunistischen Zügen, klar im alten Establishment der Atatürk-Nachfolgeparteien verortet. Und der Sohn ein Repräsentant jener neuen jungen türkischen Männer, deren traditionelle soziale Position längst unrettbar in Frage gestellt ist. Faul, aber um große Worte nie verlegen, lebt er zu Hause bei den Eltern in den Tag hinein, ein ewiger Pascha.
Alle drei sind Männerfiguren, die in ihren angestammten Rollen erschüttert werden. Allen dreien bleiben nur die Fetische "Anstand", "Sitte" und "Ehre" - ein pessimistischer Einblick in eine autoritäre Gesellschaft.
Dabei findet Ceylan aber eine künstlerische Form, um einen Thesenfilm zu vermeiden. Auch hier ähnelt sein Film dem, was die Deutschen aus dem Autorenkino der 70er-Jahre kennen: Wie seine Figuren findet auch "Drei Affen" eine Sprache für Gefühle und Erfahrungen, die zuvor noch keine Namen hatten. Ceylans wichtiger, nur manchmal etwas monotoner Film enthüllt eine versteckte Welt.