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Tönende Treter

Technologie.- Ob das 3D-Kino oder die Computerspiele der neuesten Generation: Elektronisch erzeugte Realitäten werden immer wirklichkeitsgetreuer. Forscher aus Dänemark fügen diesen virtuellen Realitäten nun eine neue Facette hinzu: Sie versuchen, den Prozess des Gehens möglichst perfekt zu simulieren, und zwar mithilfe eines speziellen Hightech-Schuhs.

Von Frank Grotelüschen | 27.06.2011
    Behutsam begibt sich der Mann auf den gefrorenen See. Leise knirscht das Eis unter seinen Füßen. Doch bald wird er sorglos, tritt kräftiger auf – und...das Eis unter seinen Füßen knarzt laut und irgendwie beunruhigend. Aber das Ganze ist nur eine Simulation. Die Szene spielt in einem Labor, die vermeintliche Eisdecke ist ein schlichter Betonfußboden. Der Trick dahinter: Der Mann trägt besondere Schuhe, entwickelt von Stefania Serafin, einer Italienerin, die an der Aalborg-Universität in Kopenhagen arbeitet.

    "Unser Spezialschuh hat eine besondere Sohle. Sie ist mit Drucksensoren ausgestattet. Damit lässt sich messen, wie kräftig man mit dem Schuh auf den Fußboden auftritt. Daraus können wir dann die Kraft ermitteln, die jemand beim Gehen auf den Boden ausübt."

    Mit den Daten aus dem Schuh füttern die Forscher einen Soundcomputer. Er generiert jenes synthetische Eis-Geräusch, das so beunruhigend echt klingt. Und das Gerät lässt sich ohne viel Aufwand umprogrammieren. Läuft man dann durchs Labor, hört es sich an, als schreite man über Sand,
    Holz oder Schnee

    Doch das dänische Hightech-Schuhwerk erzeugt nicht nur eine akustische Illusion. Es lässt seinen Träger auch mitfühlen, und zwar im wahrsten Sinne des Wortes.

    "Die Schuhe haben nicht nur Sensoren eingebaut, sondern auch Aktuatoren. Das sind kleine Bauteile, die vibrieren können, und zwar unterschiedlich stark. Dadurch kann man den Füßen vorgaukeln, dass sie über weichen Waldboden laufen oder auf hartem Beton."

    Und damit der Eindruck noch echter wird, kombinieren die Forscher ihre Lauttreter auch noch mit den passenden optischen Reizen.

    "Dazu stellen wir Leinwände auf und projizieren eine virtuelle 3D-Umgebung, zum Beispiel einen Wald. Am Ende kommt es einem so vor, als wäre man nicht im Labor, sondern an einem ganz anderen Ort."

    Fehlt einzig der Geruch von frischer Waldluft, und die Illusion wäre wohl perfekt. Stefania Serafin jedenfalls hat schon manche Anwendung für ihr interaktives Schuhwerk im Sinn. Einige Spielkonsolen verwenden die Technik bereits, zumindest in ähnlicher Form: Dabei trampelt man auf einer Art Fußmatte herum, und die Figur auf dem Bildschirm reagiert hübsch synchron. Manchen Menschen aber könnten die tönenden Treter in Zukunft eine überaus wertvolle Hilfe sein.

    "Unser System könnten Sehbehinderten helfen, sich in einer fremden Umgebung besser zu orientieren, etwa um in einem Einkaufszentrum leichter den Fahrstuhl zu finden. Zum Beispiel könnten die Schuhe bestimmte Warntöne von sich geben, wenn man in die falsche Richtung läuft. Außerdem könnte das System Patienten bei der Reha unterstützen – Menschen etwa, die nach einem Unfall das Laufen neu lernen müssen. Diese Reha-Übungen sind meist ziemlich stupide. Unsere virtuelle Simulation könnte dafür sorgen, dass die Übungen nicht mehr so langweilig sind."