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Tötungsprogramm für Straßenhunde

30 rumänische Parlamentarier lassen derzeit ein umstrittenes Gesetz vom Verfassungsgericht prüfen, das die Massentötung von Straßenhunden vorsieht. Rund 64.000 soll es davon in Bukarest geben. Derzeit werden sie sterilisiert und nur in Ausnahmefällen getötet.

Von Annett Müller |
    Hundefänger Marian fährt mit seinem Kleintransporter suchend umher. Am Handy spricht er mit einem aufgebrachten Bukarester, der ein paar aggressive Hunde vor seinem Neubaublock loswerden will. Der Mann will anonym bleiben:

    "Er hat Angst vor seinen Nachbarn, dass sie sich an ihm rächen werden, weil er uns gerufen hat. Die Nachbarn sollen Hundeliebhaber sein."

    Statt eines Rudels lässt sich gerade mal ein wohlgenährter Straßenhund vor dem Wohnblock blicken. Marian muss tricksen, sonst bekommt er den schwarzen Mischling nicht zu fassen. Er lockt ihn mit Futter. Aus dem Hinterhalt schießt sein Kollege mit einer Armbrust eine Betäubungsspritze auf den Vierbeiner. Der nimmt Reißaus, doch Meter später kippt er schläfrig um. Marian muss das Tier jetzt nur noch einsammeln. Eine Anwohnerin eilt herbei:

    "Wer sind Sie? Ein Hundefänger? Sie sind doch Tierschänder! Ich sage Ihnen, die Hunde hier im Viertel beißen nicht. Hauen Sie also gefälligst ab. Ihr nehmt die Hunde doch mit, um sie zu töten."

    Ein alltägliches Bild in der Millionenmetropole Bukarest, wo es rund 64.000 Straßenhunde geben soll. Anwohner wie die entrüstete Frau füttern die Tiere - aus Mitleid. Adoptiert werden die Straßenhunde viel zu selten. Denn für die Mehrheit der Bukarester sind sie Wachhunde für den Hof, aber keine Haustiere für die Neubauwohnung.

    Bislang haben die städtischen Hundefänger wie Marian die Tiere in Bukarest zur Sterilisation gebracht und anschließend wieder laufen lassen. Nach dem jüngsten Parlamentsbeschluss sollen die Vierbeiner nun aber getötet werden, wenn sie ohne Besitzer bleiben.

    Grund für die rigorose Regelung: Ein vierjähriger Junge war kürzlich in der Hauptstadt von einem Hunderudel zu Tode gebissen worden. Hunderte Bukarester forderten daraufhin, dass herrenlose Tiere endlich von der Straße verschwinden:

    "Der Todesfall ist nicht der erste, schon voriges Jahr wurde eine Frau von Hunden zerfleischt. Und laut Statistik werden rund 40 Bukarester pro Tag von Straßenhunden gebissen. Das sind doch barbarische Verhältnisse."

    Seit Jahren beteuern die Behörden, die Vierbeiner zumindest sterilisieren zu wollen, damit sie sich nicht weiter vermehren. Über zehn Millionen Euro wurden investiert. Doch in Schlendrian-Manier hat die Stadt ihr Versprechen nie eingelöst. Mit dem Tötungsprogramm wolle man nur Aktionismus vortäuschen, meint Tierschützer Kuki Barbuceanu:

    "Es können nicht alle Tiere auf einmal getötet werden, sondern höchstens ein Drittel pro Jahr. Was ist mit dem Rest? Die vermehren sich in der Zeit munter weiter, weil sie niemand mehr sterilisieren lässt. Ganz zu schweigen davon, dass das Tötungsprogramm für eine Menge Tumulte sorgen wird."

    Vor mehr als zehn Jahren startete Staatschef Traian Basescu - zu der Zeit noch Bukarester Oberbürgermeister - schon einmal ein Tötungsprogramm. Jahre später wurde es erfolglos abgebrochen. Nun soll alles wieder von vorn beginnen - die Tierliebhaber werden das zu verhindern versuchen. Ein Hundefänger:

    "Wir werden wieder eine Menge Skandale erleben. Sie greifen uns jetzt schon an, schlagen uns die Scheiben von unseren Transportern ein. Oft müssen wir die Polizei rufen. Mit dem neuen Tötungsprogramm werden die Leute noch aggressiver werden."
    Im Kofferraum haben die Hundefänger nach einem halben Tag eine Ausbeute von zehn Straßenhunden. Bei diesem Tempo sind sie in 17 Jahren noch nicht fertig. Kaum steigen Marian und seine Kollegen aus ihrem Fahrzeug, werden sie von Hundeliebhabern und Gegnern belagert. Zwei heillos zerstrittene Lager. Eine Frau schimpft:

    "Wir können nachts nicht schlafen, weil diese Hunde bellen. Und mein Kind wurde hier hinterm Block von einem Straßenhund gebissen."

    "Aber doch nicht von einem Hund! Das kann kein Hund gewesen sein. Warum sind Sie ein so schlechter Mensch?"

    Während des bizarren Gezänks haben die Hunde des Blocks das Weite gesucht. Angesichts dieser Zwietracht wird Bukarest noch lange lebensgefährlich bleiben.