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Tomografen holen das Letzte aus dem Stamm

Holz als Baumaterial erlebt eine Renaissance: Selbst für erdbebenstabile Hochhäusern werden Holzgrundgerüste erwägt. Dafür ist besonders stabiles Material nötig, gut gewachsen und optimal geschnitten. Um übermäßigen Verschnitt zu vermeiden, entwickeln Bauingenieure neue Prüfverfahren bis hin zur Computertomografie für Bäumen.

Von Martina Preiner |
    Der Holzforscher Jan-Willem van der Kuilen führt durch sein Reich an der TU München. Eine riesige, mit Holzkeilen gepflasterte Halle. Das Erste, was ins Auge springt, ist ein vier Meter hohes, brückenartiges Stahlgerüst.

    "Da machen wir sogenannte Vierpunktbiegeversuche, das geht in diesem Gerät. Da wird die Biegefestigkeit bestimmt - das ist für uns ein Maß, das wir an Statiker und Architekten weitergeben."

    Hier wird getestet, ob die vorangegangene Arbeit in Forst und Sägewerk Früchte getragen hat. Van der Kuilen beschäftigt sich derzeit hauptsächlich mit dem Verarbeitungsprozess von Douglasien, kiefernartigen Nadelbäumen, die teilweise als Fichtenersatz gehandelt werden. Denn die vor 175 Jahren aus Nordamerika eingeführte Baumart zeigt sich in Zeiten des Klimawandels gegen Trockenheit und Hitze um einiges widerstandsfähiger als die einheimische Fichte. Die Anbaudichte schwankt in Deutschland von Bundesland zu Bundesland - in Baden-Württemberg machen sie beispielsweise 3,5 Prozent des Staatswaldes aus.

    "Beim Douglasienprojekt erforschen wir eigentlich den ganzen Weg vom Waldbau bis zu den Anwendungen im Bauwesen. Das heißt: Wir gehen in den Wald hinein, wir schauen uns an, wie die Förster das Holz angepflanzt haben, in welchen Verbänden sie das angepflanzt haben. Dann holen wir uns Stämme raus, so um die 40 Jahre alte, also mit 300 Millimeter Durchmesser, mehr oder weniger."

    Noch während die Bäume fest verwurzelt im Wald stehen, werden sie nach geradem Wuchs und Anzahl der Äste bewertet. Dass Äste die Stabilität maßgeblich beeinflussen, ist hinreichend bekannt. Sie sind die schwachen Glieder in Holzbalken. Um sie herum bricht das Holz mit viel höherer Wahrscheinlichkeit als am Rest vom Stamm.

    Auch erste Messungen werden direkt in der Natur durchgeführt. Mithilfe eines Schallmessgeräts, dessen Antenne man unten in den Baum bohrt, können die Wissenschaftler die Steifigkeit ergo die Qualität eines Baumstammes an Ort und Stelle messen. Je schneller Schall durch den Stamm wandert, desto weniger Kurven machen die Baumfasern, desto steifer ist das Holz. Ein Hammerschlag in Augenhöhe auf die Rinde reicht, um die Frage zu beantworten:

    "Welcher Stamm geht am besten in den Bauholzbereich oder gibt es auch Stämme, wo wir sagen: Das hat keinen Sinn, die sind so schlecht von der Holzqualität am Ende, das geht direkt in einen anderen Industriezweig!"

    Also beispielsweise in die Möbelherstellung. Durch ihre Messungen wollen die Holzforscher vor allem unnötige Verluste minimieren.

    "Es wird sehr viel Holz getrocknet, verarbeitet und dann am Ende vom Prozess müssen wir als Bauingenieure sagen: Das hat eine zu geringe Qualität, das können wir nicht anwenden. Und dann haben wir eigentlich schon die ganze Energie in den Prozess gesteckt und das ist wertlos!"

    Früher begnügte man sich im Holzbau mit dem Blick auf die Anzahl der Äste an einem Baum. Doch was man von außen dem Baum nicht ansieht, ist, wie genau im Stamm die Äste von innen nach außen gewachsen sind. Erst wenn das Holz im Sägewerk zerschnitten vorlag, konnte der Astwuchs nachvollzogen werden. Mithilfe eines Baum-Kernspintomografen - der tatsächlich einem überdimensionalen CT beim Radiologen gleicht - wollen die Baumforscher aber schon vor dem Einschnitt wissen, wie es innen im Baum aussieht.

    "Mit so einem Tomografenbild schauen wir ins Innere von so einem Stamm hinein und damit können wir den Einschnitt optimieren. Das heißt, wir können den Stamm so einschneiden, dass wir am Ende im Holz so wenige Äste wie möglich haben."

    Die Stämme lassen sich durch das vorangegangene Durchleuchten bis zu 40 Prozent effektiver verarbeiten. Das österreichische Sägewerk, mit dem die Münchner Wissenschaftler kollaborieren, ist vom Nutzen der Technik überzeugt. Und auch van der Kuilen glaubt, dass sich die Technik durchsetzen wird - zumindest bei großindustriellen Sägewerken. Denn für diese lohnt sich der Kauf eines 1,8 Millionen teuren Baum-Kernspintomografen - da sie am Ende eine Menge Holz einsparen können.