"Die Beschäftigten sind in einer Stimmungslage, die dadurch geprägt ist: Es reicht! Es gibt nicht mehr die Bereitschaft, weiter Belastungen widerstandslos zu akzeptieren."
Warnt der Verdi-Vorsitzende Frank Bsirske. Und dies sei nur der Anfang. Die Beschäftigten haben sich auf einen langen Arbeitskampf eingestellt, die Streikkassen sind laut Verdi gut gefüllt:
"Diese Streikausgaben, die notwendig sind, diesen Menschen Streikunterstützung zu zahlen, die sich für die gemeinsame Sache einsetzen. Diese Streikausgaben nehme ich gerne in Kauf. Und Sie können auch sicher sein: Wir werden, was die Streikkasse angeht, einen sehr langen Atem haben können."
Die bis dahin heftigste Konfrontation im öffentlichen Dienst im Jahr 1992 dauerte elf Tage: Dann war der Ausstand beendet, die Gewerkschaften erzwangen eine Lohnerhöhung um 5,4 Prozent. Gefordert hatten sie damals 9,5 Prozent. Die Zeiten solcher Ansprüche sind längst vorüber. Bei den aktuellen Protesten geht es um die Verteidigung bestehender Errungenschaften. Verdi beharrt auf der 38,5–Stunden-Woche. Die kommunalen Arbeitgeber wollen auf 40 Wochenstunden erhöhen – ohne Lohnausgleich. Der Verhandlungsführer der kommunalen Arbeitgeber in Baden-Württemberg, der Mannheimer Oberbürgermeister Gerhard Widder, zeigt keinerlei Verständnis für die Streiks:
"Ich glaube, dass sich Verdi keinen Gefallen tut, wenn diese Streiks gegen die Bürger weitergeführt werden. Ich finde es auch unfair. Die Bürger können sich nicht wehren. Es gibt eben keine Waffengleichheit."
Das Kräftemessen zwischen Gewerkschaften und Arbeitgebern hat gerade erst begonnen. Allen Beteiligten ist klar, dass sie die Öffentlichkeit auf ihre Seite ziehen müssen. Und das wird für die Gewerkschaften nicht einfach, schließlich sind bei diesem Streik die Leidtragenden zunächst die Bürger. Gerhard Widder, der Chef der kommunalen Arbeitgeber in Baden-Württemberg:
Die Familien mit Kindern, die auf Kitas angewiesen sind, sind in einer äußerst schwierigen Situation in den Städten. Zum weiteren sind betroffen kranke Menschen durch das Bestreiken der Kliniken, die ja nicht die Behandlungen in der Zeit erfahren, die erforderlich wäre. Hinzu kommt das Thema Abfallentsorgung, als ein Schwerpunkt des Streiks. Hier kann man aus Sicht der Städte sagen: Wenn das sich weiter fortsetzt, kommen wir zu hygienischen Zuständen, die nicht mehr verantwortbar sind.
Und wer soll schon Verständnis haben, so die Arbeitgeber, wenn es um 18 Minuten Mehrarbeit am Tag geht? Wenn alle Arbeitnehmer derzeit zurückstecken müssen und Staatsbedienstete vergleichsweise sichere Arbeitsplätze haben? Gerhard Widder:
"Die öffentlichen Arbeitgeber – ich spreche hier von den kommunalen Arbeitgebern in diesem Land – haben betriebsbedingt in den letzten Jahren nicht entlassen. Wer bei uns beschäftigt ist, hat im Gegensatz zu anderen Wirtschaftsbereichen einen sicheren Arbeitsplatz, soweit dies möglich ist."
Zumal ohnehin schwer zu vermitteln ist, dass etwa im Bund eine wöchentliche Arbeitszeit von 39 Stunden, in den Kommunen im Westen von 38,5 Stunden gilt, während im Osten des Landes die 40 Stunden-Woche längst Alltag ist.
Dennoch hoffen die Gewerkschaften auf den Schulterschluss mit den Bürgern, die vielleicht Verständnis dafür aufbringen, dass die Streikenden sich gegen neue Einschnitte wehren. Denn es geht nur vordergründig um die Arbeitszeit. Verdichef Bsirske wirft den Arbeitgebern vor, auf Arbeiter und Angestellte zu übertragen, was sie den Beamten per Gesetz verordnet hätten. Die Beamten des Bundes und der meisten Bundesländer arbeiten inzwischen mindestens 40 Stunden in der Woche. Angesichts von 5 Millionen Arbeitslosen bedeute jede Arbeitszeitverlängerung jedoch einen weiteren Stellenabbau, so Bsirske:
"Ich will darauf hinweisen, dass sich 18 Minuten verdichten zu 1,5 Stunden pro Woche. Dass sich 1,5 Stunden verdichten zu 2 Wochen Mehrarbeit für umsonst im Jahr. Und dass sich die zwei Wochen Mehrarbeit im Jahr für umsonst verdichten unter den Bedingungen des öffentlichen Diensts, wo eben in ganz, ganz vielen Bereichen Arbeitszeitverlängerung eins zu eins umgesetzt wird in Stellenstreichungen."
Der Verhandlungsführer von Verdi, Kurt Martin, wird noch deutlicher:
"Wir haben etwa 25 Prozent der Beschäftigungsverhältnisse, die sind befristet. Und innerhalb kürzester Zeit baut der öffentliche Dienst bei Anhebung auf 40 Stunden in der Woche 250.000 Arbeitsplätze ab: Und das bedeutet, keine Chance für Azubis, keine Chance für Arbeitslose, irgendwo noch Arbeit zu finden."
Solche Zahlen hält der Vorsitzende der Tarifgemeinschaft deutscher Länder, Hartmut Möllring für falsch: Alles reine Propaganda der Gewerkschaften, sagt er. Auch er betont jedoch, dass Stellen abgebaut werden müssen. Der CDU-Politiker und niedersächsische Finanzminister verweist auf die dramatische finanzielle Situation in den Ländern:
"Es wird im öffentlichen Dienst sowieso an den öffentlichen Arbeitsplätzen gestrichen werden müssen. Das liegt einfach daran, dass wir immer weniger Lohnsteuerzahler und damit immer weniger Steuerzahler haben, weil immer weniger im Erwerbsleben stehen. Und deshalb muss der öffentliche Dienst sich auch diesen Zahlen anpassen. Denn das muss ja auch von denen bezahlt werden, die außerhalb des öffentlichen Dienstes arbeiten."
Den kommunalen Arbeitgebern steht das Wasser bis zum Hals – wie seit Jahren schon. Immerhin verzeichnen Städte und Gemeinden wieder steigende Einnahmen bei den Gewerbesteuern. Doch dies, so beteuerte Christian Ude, Oberbürgermeister von München und amtierender Präsident des Deutschen Städtetages Anfang Februar, reiche bei weitem nicht aus, um die Finanzprobleme in den Griff zu bekommen:
"Die Kommunen müssen permanent mit hohen Milliardenbeträgen ihr Konto überziehen, um die Dienstleistungen für Bürger und Bürgerinnen zu bezahlen. Sie können nur einen Bruchteil dessen investieren, was ganz aktuell zur Sanierung öffentlicher Gebäude und zum Ausbau der Infrastruktur dringend erforderlich wäre."
Insofern kommt die unnachgiebige Haltung der kommunalen Arbeitgeber in diesen Tagen nicht von ungefähr. Angesichts chronisch klammer Kassen gibt es kaum etwas zu verteilen. Dies belegen zumindest auch die aktuellen Zahlen des deutschen Städtetages. So sind die Kassenkredite, mit denen eigentlich nur kurzfristige finanzielle Engpässe ausgeglichen werden sollen, im vergangenen Jahr abermals um 3,6 Milliarden auf inzwischen 23,7 Milliarden Euro gestiegen.
Auch im öffentlichen Dienst ist der Druck zu spüren. Längst hat der Wettbewerb in den Kommunen Einzug gehalten, betont Herbert Schmalstieg, Oberbürgermeister von Hannover:
"Jede Stadtverwaltung muss auch überlegen, ob auch die Aufgaben, die sie hat, selbst erledigen kann. Oder ob sie kostengünstiger für die Kommune und die Einwohner durch Dritte erbracht werden kann."
Längere Arbeitszeiten könnten da durchaus eine Entlastung bringen, so die Arbeitgeber. Derzeit geht es aber nicht nur um wirtschaftliche Aspekte, sondern vor allem um eine Machtprobe: Verdi führt derzeit gleich mehrere Konflikte auf einmal. Zum einen wehren sich die Gewerkschaften mit dem Streik gegen eine Verlängerung der Wochenarbeitszeit in den Kommunen. Zugleich wollen sie auch die Tarifgemeinschaft deutscher Länder dazu zwingen, den mit Bund und Kommunen ausgehandelten neuen Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst zu übernehmen. Bei Urabstimmungen in den Ländern hatte sich vergangene Woche eine überwältigende Mehrheit der Gewerkschaftsmitglieder für eine Ausweitung des Arbeitskampfes ausgesprochen. Von den Streiks nicht betroffen sind Hessen und Berlin, die nicht mehr der Tarifgemeinschaft deutscher Länder angehören.
Die unübersichtliche Gemengelage ist relativ neu: Ursprünglich galt ein einheitliches Tarifrecht für alle Beschäftigten im öffentlichen Dienst, ob ihr Arbeitgeber nun der Bund, die Länder oder die Kommunen waren. Nur die ostdeutschen Bundesländer mussten Abschläge hinnehmen. Im September vergangenen Jahres wurde nun ein neuer Tarifvertrag im öffentlichen Dienst zwischen Bund, Kommunen und Gewerkschaften unterschrieben. Er gilt für die rund 2,1 Millionen Beschäftigten im Bund und den Kommunen, ist gültig bis Ende des Jahres 2008 und wurde von vielen als historisch gefeiert. Doch die Bundesländer mit ihren insgesamt rund 900.000 Beschäftigten scherten aus. Niedersachsens Finanzminister Möllring begründet die Ablehnung des neuen Tarifvertrags:
"Es gibt zwei Gründe: Wir waren von den Verhandlungen ausgeschlossen. Und man unterschreibt ja keinen Vertrag, den man nicht selbst ausgehandelt hat. Und zweitens hat der Vertrag erhebliche Mängel: Er wäre zu teuer geworden. Allein für das Land Niedersachsen wären es 60 Millionen Euro gewesen."
In Niedersachsen müssen derzeit alle neuen Mitarbeiter 40 Stunden arbeiten und auf Urlaubs- und Weihnachtsgeld verzichten.
Der neue Tarifvertrag im öffentlichen Dienst hat vor allem den Gewerkschaften einiges abverlangt: Beschlossen wurde etwa, dass die Beschäftigten nicht mehr nach Lebensalter, sondern nach Leistung bezahlt werden sollen. Jüngere Mitarbeiter wurden demnach besser gestellt, um den öffentlichen Dienst attraktiver für Einsteiger zu machen. Jahresarbeitszeitkonten wurden eingerichtet. Flexiblere Arbeitszeiten sollen den Arbeitgebern ermöglichen, an Zuschlägen für Überstunden zu sparen. Schließlich wurden auch Sozialzuschläge – etwa für Familien - abgeschafft. Michael Sommer, Vorsitzender des Deutschen Gewerkschaftsbundes:
"Es geht ja auch darum, dass sich die Situation im öffentlichen Dienst in den letzten Jahren permanent verschlechtert hat – Weihnachtsgeld, Urlaubsgeld, Heraufsetzung der Arbeitszeit. Und irgendwann ist das Maß voll."
Zündstoff für die derzeitigen Proteste ist eine so genannte Öffnungsklausel im Tarifvertrag. Danach kann die Arbeitszeit von 38,5 auf 40 Stunden verlängert werden. Auf dieser Basis gibt es für die Kommunen ein Sonderkündigungsrecht der Arbeitszeitvereinbarung, von dem die Arbeitgeberverbände in Baden-Württemberg, Niedersachsen und Hamburg bereits kurz nach Abschluss des Tarifvertrags Gebrauch gemacht haben. Der Chef der kommunalen Arbeitgeber in Baden-Württemberg, Widder, besteht darauf, dass die Kommunen die Öffnungsklausel nur ausgeschöpft haben:
"Deswegen haben wir Mitte Mai 2005 schon angekündigt, dass wir zu gegebener Zeit den Wochenarbeitszeit-Tarifvertrag kündigen. Ich denke, dass man hier von einem überraschenden Handeln nicht reden kann."
Die Arbeitgeber werfen den Gewerkschaften vor, den Vertrag durch die Streiks gebrochen zu haben. Schließlich hätten die Gewerkschaften den Vertrag unterschrieben. Das ist auch den Gewerkschaften durchaus bewusst, betont Verdi-Chef Bsirske:
"In der Tat: In den Verträgen des TVÖD gibt es eine Klausel bei der kommunalen Seite, dass im Einvernehmen mit den Tarifparteien die Arbeitszeit auf 40 Stunden verärgert werden kann. Dieses Einvernehmen aber gibt es nicht. Und wir haben nie einen Zweifel daran gelassen, dass wir Arbeitszeitverlängerung bei fünf Millionen Arbeitslosen für das Falsche halten."
Auch Herbert Schmalstieg, Oberbürgermeister von Hannover, zeigt Verständnis für den Arbeitskampf der Gewerkschaften. Er kritisiert das Vorgehen seines Verbandes als eine nicht gerade vertrauensbildende Maßnahme. Die Kündigung der Arbeitszeitregelung durch die Arbeitgeber sei ein taktischer Fehler gewesen:
"Natürlich ist das ihr gutes Recht. Aber es ist auch eine Frage des Umgangs und des Vertrauens. Denn jeder der Beteiligten wusste, dass diese Elemente der Modernisierung im Tarifvertrag im öffentlichen Dienst nur zustande gekommen sind, weil man diese Öffnungsklauseln vereinbart hat. Und weil die kommunalen Arbeitgeber wussten, dass eine Verlängerung der Arbeitszeit mit Verdi nicht zu verhandeln ist."
Die Stadt Hannover zumindest hält an den 38,5 Wochenstunden Arbeitszeit fest, auch bei Neueinstellungen. Gemeinsam mit dem Personalrat und Verdi hat man sich dort vor zwei Jahren darauf geeinigt, dass die Staatsbediensteten auf zwei Prozent ihres Lohnes verzichten, um ihre Arbeitsplätze zu sichern. Nachdem der kommunale Arbeitgeberverband die Arbeitszeitregelung gekündigt hat, stellt sich für Schmalstieg die grundsätzliche Frage nach der Zukunft des Tarifvertrags:
"Hier will man ein Element des Friedens zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern in Frage stellen. Das ist nämlich der Flächentarifvertrag. Und ich bin fest davon überzeugt, dass es im Interesse aller Kommunen, auch der Länder ist, und natürlich der Arbeitnehmer und –geber ist, wenn man Flächentarife hat."
Starke Gewerkschaften seien wichtig neben starken Arbeitgeberverbänden, ruft der langjährige Oberbürgermeister in Erinnerung, weil sie einen wesentlichen Beitrag dazu geleistet hätten, den Aufbau der Demokratie in Deutschland voranzubringen.
Das hören die Gewerkschaften gerne. Für sie steht bei den derzeitigen Streiks viel auf dem Spiel: In den vergangenen Jahren haben sie an Macht verloren. Trotz harter sozialer Einschnitte etwa durch Hartz IV gelang es ihnen nicht, die Angst der Menschen vor dem Verlust des Arbeitsplatzes für sich nutzbar zu machen. Jetzt aber, nach großen Mitgliederverlusten, steigen die Zahlen wieder, seit die Streiks begonnen haben. Laut Verdi sind tausende Menschen in die Gewerkschaft eingetreten. Das bringt neues Selbstbewusstsein. Nun gilt es, Verhandlungsmacht gegenüber den Arbeitgebern zurück zu gewinnen. Verdi-Chef Bsirske:
"Ich denke, dass es jetzt an der Arbeitgeberseite ist, Konsequenzen zu ziehen. Zu verstehen, dass der Weg des einseitigen Diktats, der Weg, einseitig Fakten zu schaffen, dass man Neueinstellungen nur noch durch verlängerte Arbeitszeiten vornimmt, so nicht praktikabel ist. Und wenn diese Erkenntnis wächst, dann werden wir auch eine gemeinsame Lösung finden können zur Beendigung dieser Auseinandersetzung."
Beide Seiten lassen erst einmal die Muskeln spielen, das übliche Ritual in Tarifauseinandersetzungen. Denn nur so könnte am Ende ein Kompromiss erreicht werden, mit dem beide Seiten ihr Gesicht wahren können. Längere Arbeitszeiten ohne Lohnausgleich wird Verdi nicht hinnehmen – in dieser Logik hatte ein erster Vorstoß einzelner Länder, insbesondere aus Baden Württemberg, keine Chance. Ministerpräsident Günther Oettinger, derzeit im Wahlkampf für die Landtagswahlen, plädierte dafür, für längere Arbeitszeiten mehr Geld zu zahlen. Das stößt bei den Arbeitgebern auf wenig Begeisterung, weil es ihnen schlicht zu teuer ist. Hartnäckig bleibt aber auch Verdi-Verhandlungsführer Kurt Martin bei der bisherigen Argumentationslinie der Dienstleistungsgewerkschaft:
"Das ist nicht vernünftig, weil gleichzeitig die Länder beabsichtigen, auch das Jahreseinkommen, sprich Jahressonderzuzahlungen wie Urlaubs- und Weihnachtsgeld auf Richtung Null zu senken."
Doch auch die Arbeitgeber haben sich längst auf eine Verschärfung des Konflikts eingestellt. Verdis strategischer Nachteil: Streiks auf Länderebene entfalten kaum Wirkung. Ob jetzt etwa die Angestellten der Statistischen Landesämter die Arbeit niedergelegt haben, dürfte den Bürgern ziemlich egal sein. Zudem steht die Dienstleistungsgewerkschaft auf Dauer unter einem enormen Rechtfertigungsdruck: 1,5 Stunden Mehrarbeit pro Woche dürften für viele Beschäftigte in der freien Wirtschaft eine akzeptable Zumutung sein – zumindest keine Rechtfertigung für einen flächendeckenden Stillstand des öffentlichen Lebens.
Dies weiß auch Verdi: Nicht umsonst hat die Gewerkschaft ihr schärfstes Instrument, den Streik, trotz der Ausweitung in dieser Woche, behutsam eingesetzt. Der öffentliche Nahverkehr etwa wurde bislang ausgespart. Mit ein Grund, dass sich auch die öffentlichen Arbeitgeber unnachgiebig zeigen und die Auseinandersetzung herunterspielen:
"Das muss man eben aushalten. Das haben wir vorher gewusst und man kann jetzt nicht in die Knie gehen, nur weil in einigen Bereichen gestreikt wird. Und ich bin auch der Meinung, dass die Bevölkerung das durchaus aushalten kann, wenn sie mal ein paar Tage nicht zu 100 Prozent verwaltet wird."
Erklärt der Verhandlungsführer der Länder, Hartmut Möllring selbstbewusst. Doch auch bei den Ländern dürften die jüngsten Bewegungen in den Bundesländern, in denen Landtagswahlen im März bevorstehen, genau beobachtet werden. Schließlich könnte aus einer Annäherung am Ende ein Abschluss mit Signalwirkung auch für die Arbeitgeber in den anderen Bundesländern werden.
Noch aber befindet sich die Tarifauseinandersetzung in der klassischen Drohphase. Für pragmatische Lösungen bleibt wenig Spielraum. Schon gar nicht vor dem geplanten Spitzentreffen zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaft am 20. Februar, befürchtet auch der Verhandlungsführer der kommunalen Arbeitgeber in Baden Württemberg, Gerhard Widder:
"Der Termin muss vorgezogen werden, er muss in dieser Woche stattfinden. Damit nicht die Inszenierung über die ganze Woche hin auf den 20. Februar zu einer wesentlichen Steigerung der Probleme in unseren Städten und Gemeinden führt."
Ob diese Forderung in Erfüllung gehen wird, bleibt abzuwarten. Selbst eine weitere Eskalation der Auseinandersetzung kann nicht ausgeschlossen werden. Und trotzdem: Verdi könnte schnell in die Defensive geraten. Angesichts der schwierigen Lage auf dem Arbeitsmarkt, dem Zangendruck durch Länder und Kommunen sowie den leeren öffentlichen Kassen wird es der Dienstleistungsgewerkschaft am Ende wohl kaum gelingen, längere Arbeitszeiten ohne Lohnausgleich im öffentlichen Dienst zu verhindern.
Warnt der Verdi-Vorsitzende Frank Bsirske. Und dies sei nur der Anfang. Die Beschäftigten haben sich auf einen langen Arbeitskampf eingestellt, die Streikkassen sind laut Verdi gut gefüllt:
"Diese Streikausgaben, die notwendig sind, diesen Menschen Streikunterstützung zu zahlen, die sich für die gemeinsame Sache einsetzen. Diese Streikausgaben nehme ich gerne in Kauf. Und Sie können auch sicher sein: Wir werden, was die Streikkasse angeht, einen sehr langen Atem haben können."
Die bis dahin heftigste Konfrontation im öffentlichen Dienst im Jahr 1992 dauerte elf Tage: Dann war der Ausstand beendet, die Gewerkschaften erzwangen eine Lohnerhöhung um 5,4 Prozent. Gefordert hatten sie damals 9,5 Prozent. Die Zeiten solcher Ansprüche sind längst vorüber. Bei den aktuellen Protesten geht es um die Verteidigung bestehender Errungenschaften. Verdi beharrt auf der 38,5–Stunden-Woche. Die kommunalen Arbeitgeber wollen auf 40 Wochenstunden erhöhen – ohne Lohnausgleich. Der Verhandlungsführer der kommunalen Arbeitgeber in Baden-Württemberg, der Mannheimer Oberbürgermeister Gerhard Widder, zeigt keinerlei Verständnis für die Streiks:
"Ich glaube, dass sich Verdi keinen Gefallen tut, wenn diese Streiks gegen die Bürger weitergeführt werden. Ich finde es auch unfair. Die Bürger können sich nicht wehren. Es gibt eben keine Waffengleichheit."
Das Kräftemessen zwischen Gewerkschaften und Arbeitgebern hat gerade erst begonnen. Allen Beteiligten ist klar, dass sie die Öffentlichkeit auf ihre Seite ziehen müssen. Und das wird für die Gewerkschaften nicht einfach, schließlich sind bei diesem Streik die Leidtragenden zunächst die Bürger. Gerhard Widder, der Chef der kommunalen Arbeitgeber in Baden-Württemberg:
Die Familien mit Kindern, die auf Kitas angewiesen sind, sind in einer äußerst schwierigen Situation in den Städten. Zum weiteren sind betroffen kranke Menschen durch das Bestreiken der Kliniken, die ja nicht die Behandlungen in der Zeit erfahren, die erforderlich wäre. Hinzu kommt das Thema Abfallentsorgung, als ein Schwerpunkt des Streiks. Hier kann man aus Sicht der Städte sagen: Wenn das sich weiter fortsetzt, kommen wir zu hygienischen Zuständen, die nicht mehr verantwortbar sind.
Und wer soll schon Verständnis haben, so die Arbeitgeber, wenn es um 18 Minuten Mehrarbeit am Tag geht? Wenn alle Arbeitnehmer derzeit zurückstecken müssen und Staatsbedienstete vergleichsweise sichere Arbeitsplätze haben? Gerhard Widder:
"Die öffentlichen Arbeitgeber – ich spreche hier von den kommunalen Arbeitgebern in diesem Land – haben betriebsbedingt in den letzten Jahren nicht entlassen. Wer bei uns beschäftigt ist, hat im Gegensatz zu anderen Wirtschaftsbereichen einen sicheren Arbeitsplatz, soweit dies möglich ist."
Zumal ohnehin schwer zu vermitteln ist, dass etwa im Bund eine wöchentliche Arbeitszeit von 39 Stunden, in den Kommunen im Westen von 38,5 Stunden gilt, während im Osten des Landes die 40 Stunden-Woche längst Alltag ist.
Dennoch hoffen die Gewerkschaften auf den Schulterschluss mit den Bürgern, die vielleicht Verständnis dafür aufbringen, dass die Streikenden sich gegen neue Einschnitte wehren. Denn es geht nur vordergründig um die Arbeitszeit. Verdichef Bsirske wirft den Arbeitgebern vor, auf Arbeiter und Angestellte zu übertragen, was sie den Beamten per Gesetz verordnet hätten. Die Beamten des Bundes und der meisten Bundesländer arbeiten inzwischen mindestens 40 Stunden in der Woche. Angesichts von 5 Millionen Arbeitslosen bedeute jede Arbeitszeitverlängerung jedoch einen weiteren Stellenabbau, so Bsirske:
"Ich will darauf hinweisen, dass sich 18 Minuten verdichten zu 1,5 Stunden pro Woche. Dass sich 1,5 Stunden verdichten zu 2 Wochen Mehrarbeit für umsonst im Jahr. Und dass sich die zwei Wochen Mehrarbeit im Jahr für umsonst verdichten unter den Bedingungen des öffentlichen Diensts, wo eben in ganz, ganz vielen Bereichen Arbeitszeitverlängerung eins zu eins umgesetzt wird in Stellenstreichungen."
Der Verhandlungsführer von Verdi, Kurt Martin, wird noch deutlicher:
"Wir haben etwa 25 Prozent der Beschäftigungsverhältnisse, die sind befristet. Und innerhalb kürzester Zeit baut der öffentliche Dienst bei Anhebung auf 40 Stunden in der Woche 250.000 Arbeitsplätze ab: Und das bedeutet, keine Chance für Azubis, keine Chance für Arbeitslose, irgendwo noch Arbeit zu finden."
Solche Zahlen hält der Vorsitzende der Tarifgemeinschaft deutscher Länder, Hartmut Möllring für falsch: Alles reine Propaganda der Gewerkschaften, sagt er. Auch er betont jedoch, dass Stellen abgebaut werden müssen. Der CDU-Politiker und niedersächsische Finanzminister verweist auf die dramatische finanzielle Situation in den Ländern:
"Es wird im öffentlichen Dienst sowieso an den öffentlichen Arbeitsplätzen gestrichen werden müssen. Das liegt einfach daran, dass wir immer weniger Lohnsteuerzahler und damit immer weniger Steuerzahler haben, weil immer weniger im Erwerbsleben stehen. Und deshalb muss der öffentliche Dienst sich auch diesen Zahlen anpassen. Denn das muss ja auch von denen bezahlt werden, die außerhalb des öffentlichen Dienstes arbeiten."
Den kommunalen Arbeitgebern steht das Wasser bis zum Hals – wie seit Jahren schon. Immerhin verzeichnen Städte und Gemeinden wieder steigende Einnahmen bei den Gewerbesteuern. Doch dies, so beteuerte Christian Ude, Oberbürgermeister von München und amtierender Präsident des Deutschen Städtetages Anfang Februar, reiche bei weitem nicht aus, um die Finanzprobleme in den Griff zu bekommen:
"Die Kommunen müssen permanent mit hohen Milliardenbeträgen ihr Konto überziehen, um die Dienstleistungen für Bürger und Bürgerinnen zu bezahlen. Sie können nur einen Bruchteil dessen investieren, was ganz aktuell zur Sanierung öffentlicher Gebäude und zum Ausbau der Infrastruktur dringend erforderlich wäre."
Insofern kommt die unnachgiebige Haltung der kommunalen Arbeitgeber in diesen Tagen nicht von ungefähr. Angesichts chronisch klammer Kassen gibt es kaum etwas zu verteilen. Dies belegen zumindest auch die aktuellen Zahlen des deutschen Städtetages. So sind die Kassenkredite, mit denen eigentlich nur kurzfristige finanzielle Engpässe ausgeglichen werden sollen, im vergangenen Jahr abermals um 3,6 Milliarden auf inzwischen 23,7 Milliarden Euro gestiegen.
Auch im öffentlichen Dienst ist der Druck zu spüren. Längst hat der Wettbewerb in den Kommunen Einzug gehalten, betont Herbert Schmalstieg, Oberbürgermeister von Hannover:
"Jede Stadtverwaltung muss auch überlegen, ob auch die Aufgaben, die sie hat, selbst erledigen kann. Oder ob sie kostengünstiger für die Kommune und die Einwohner durch Dritte erbracht werden kann."
Längere Arbeitszeiten könnten da durchaus eine Entlastung bringen, so die Arbeitgeber. Derzeit geht es aber nicht nur um wirtschaftliche Aspekte, sondern vor allem um eine Machtprobe: Verdi führt derzeit gleich mehrere Konflikte auf einmal. Zum einen wehren sich die Gewerkschaften mit dem Streik gegen eine Verlängerung der Wochenarbeitszeit in den Kommunen. Zugleich wollen sie auch die Tarifgemeinschaft deutscher Länder dazu zwingen, den mit Bund und Kommunen ausgehandelten neuen Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst zu übernehmen. Bei Urabstimmungen in den Ländern hatte sich vergangene Woche eine überwältigende Mehrheit der Gewerkschaftsmitglieder für eine Ausweitung des Arbeitskampfes ausgesprochen. Von den Streiks nicht betroffen sind Hessen und Berlin, die nicht mehr der Tarifgemeinschaft deutscher Länder angehören.
Die unübersichtliche Gemengelage ist relativ neu: Ursprünglich galt ein einheitliches Tarifrecht für alle Beschäftigten im öffentlichen Dienst, ob ihr Arbeitgeber nun der Bund, die Länder oder die Kommunen waren. Nur die ostdeutschen Bundesländer mussten Abschläge hinnehmen. Im September vergangenen Jahres wurde nun ein neuer Tarifvertrag im öffentlichen Dienst zwischen Bund, Kommunen und Gewerkschaften unterschrieben. Er gilt für die rund 2,1 Millionen Beschäftigten im Bund und den Kommunen, ist gültig bis Ende des Jahres 2008 und wurde von vielen als historisch gefeiert. Doch die Bundesländer mit ihren insgesamt rund 900.000 Beschäftigten scherten aus. Niedersachsens Finanzminister Möllring begründet die Ablehnung des neuen Tarifvertrags:
"Es gibt zwei Gründe: Wir waren von den Verhandlungen ausgeschlossen. Und man unterschreibt ja keinen Vertrag, den man nicht selbst ausgehandelt hat. Und zweitens hat der Vertrag erhebliche Mängel: Er wäre zu teuer geworden. Allein für das Land Niedersachsen wären es 60 Millionen Euro gewesen."
In Niedersachsen müssen derzeit alle neuen Mitarbeiter 40 Stunden arbeiten und auf Urlaubs- und Weihnachtsgeld verzichten.
Der neue Tarifvertrag im öffentlichen Dienst hat vor allem den Gewerkschaften einiges abverlangt: Beschlossen wurde etwa, dass die Beschäftigten nicht mehr nach Lebensalter, sondern nach Leistung bezahlt werden sollen. Jüngere Mitarbeiter wurden demnach besser gestellt, um den öffentlichen Dienst attraktiver für Einsteiger zu machen. Jahresarbeitszeitkonten wurden eingerichtet. Flexiblere Arbeitszeiten sollen den Arbeitgebern ermöglichen, an Zuschlägen für Überstunden zu sparen. Schließlich wurden auch Sozialzuschläge – etwa für Familien - abgeschafft. Michael Sommer, Vorsitzender des Deutschen Gewerkschaftsbundes:
"Es geht ja auch darum, dass sich die Situation im öffentlichen Dienst in den letzten Jahren permanent verschlechtert hat – Weihnachtsgeld, Urlaubsgeld, Heraufsetzung der Arbeitszeit. Und irgendwann ist das Maß voll."
Zündstoff für die derzeitigen Proteste ist eine so genannte Öffnungsklausel im Tarifvertrag. Danach kann die Arbeitszeit von 38,5 auf 40 Stunden verlängert werden. Auf dieser Basis gibt es für die Kommunen ein Sonderkündigungsrecht der Arbeitszeitvereinbarung, von dem die Arbeitgeberverbände in Baden-Württemberg, Niedersachsen und Hamburg bereits kurz nach Abschluss des Tarifvertrags Gebrauch gemacht haben. Der Chef der kommunalen Arbeitgeber in Baden-Württemberg, Widder, besteht darauf, dass die Kommunen die Öffnungsklausel nur ausgeschöpft haben:
"Deswegen haben wir Mitte Mai 2005 schon angekündigt, dass wir zu gegebener Zeit den Wochenarbeitszeit-Tarifvertrag kündigen. Ich denke, dass man hier von einem überraschenden Handeln nicht reden kann."
Die Arbeitgeber werfen den Gewerkschaften vor, den Vertrag durch die Streiks gebrochen zu haben. Schließlich hätten die Gewerkschaften den Vertrag unterschrieben. Das ist auch den Gewerkschaften durchaus bewusst, betont Verdi-Chef Bsirske:
"In der Tat: In den Verträgen des TVÖD gibt es eine Klausel bei der kommunalen Seite, dass im Einvernehmen mit den Tarifparteien die Arbeitszeit auf 40 Stunden verärgert werden kann. Dieses Einvernehmen aber gibt es nicht. Und wir haben nie einen Zweifel daran gelassen, dass wir Arbeitszeitverlängerung bei fünf Millionen Arbeitslosen für das Falsche halten."
Auch Herbert Schmalstieg, Oberbürgermeister von Hannover, zeigt Verständnis für den Arbeitskampf der Gewerkschaften. Er kritisiert das Vorgehen seines Verbandes als eine nicht gerade vertrauensbildende Maßnahme. Die Kündigung der Arbeitszeitregelung durch die Arbeitgeber sei ein taktischer Fehler gewesen:
"Natürlich ist das ihr gutes Recht. Aber es ist auch eine Frage des Umgangs und des Vertrauens. Denn jeder der Beteiligten wusste, dass diese Elemente der Modernisierung im Tarifvertrag im öffentlichen Dienst nur zustande gekommen sind, weil man diese Öffnungsklauseln vereinbart hat. Und weil die kommunalen Arbeitgeber wussten, dass eine Verlängerung der Arbeitszeit mit Verdi nicht zu verhandeln ist."
Die Stadt Hannover zumindest hält an den 38,5 Wochenstunden Arbeitszeit fest, auch bei Neueinstellungen. Gemeinsam mit dem Personalrat und Verdi hat man sich dort vor zwei Jahren darauf geeinigt, dass die Staatsbediensteten auf zwei Prozent ihres Lohnes verzichten, um ihre Arbeitsplätze zu sichern. Nachdem der kommunale Arbeitgeberverband die Arbeitszeitregelung gekündigt hat, stellt sich für Schmalstieg die grundsätzliche Frage nach der Zukunft des Tarifvertrags:
"Hier will man ein Element des Friedens zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern in Frage stellen. Das ist nämlich der Flächentarifvertrag. Und ich bin fest davon überzeugt, dass es im Interesse aller Kommunen, auch der Länder ist, und natürlich der Arbeitnehmer und –geber ist, wenn man Flächentarife hat."
Starke Gewerkschaften seien wichtig neben starken Arbeitgeberverbänden, ruft der langjährige Oberbürgermeister in Erinnerung, weil sie einen wesentlichen Beitrag dazu geleistet hätten, den Aufbau der Demokratie in Deutschland voranzubringen.
Das hören die Gewerkschaften gerne. Für sie steht bei den derzeitigen Streiks viel auf dem Spiel: In den vergangenen Jahren haben sie an Macht verloren. Trotz harter sozialer Einschnitte etwa durch Hartz IV gelang es ihnen nicht, die Angst der Menschen vor dem Verlust des Arbeitsplatzes für sich nutzbar zu machen. Jetzt aber, nach großen Mitgliederverlusten, steigen die Zahlen wieder, seit die Streiks begonnen haben. Laut Verdi sind tausende Menschen in die Gewerkschaft eingetreten. Das bringt neues Selbstbewusstsein. Nun gilt es, Verhandlungsmacht gegenüber den Arbeitgebern zurück zu gewinnen. Verdi-Chef Bsirske:
"Ich denke, dass es jetzt an der Arbeitgeberseite ist, Konsequenzen zu ziehen. Zu verstehen, dass der Weg des einseitigen Diktats, der Weg, einseitig Fakten zu schaffen, dass man Neueinstellungen nur noch durch verlängerte Arbeitszeiten vornimmt, so nicht praktikabel ist. Und wenn diese Erkenntnis wächst, dann werden wir auch eine gemeinsame Lösung finden können zur Beendigung dieser Auseinandersetzung."
Beide Seiten lassen erst einmal die Muskeln spielen, das übliche Ritual in Tarifauseinandersetzungen. Denn nur so könnte am Ende ein Kompromiss erreicht werden, mit dem beide Seiten ihr Gesicht wahren können. Längere Arbeitszeiten ohne Lohnausgleich wird Verdi nicht hinnehmen – in dieser Logik hatte ein erster Vorstoß einzelner Länder, insbesondere aus Baden Württemberg, keine Chance. Ministerpräsident Günther Oettinger, derzeit im Wahlkampf für die Landtagswahlen, plädierte dafür, für längere Arbeitszeiten mehr Geld zu zahlen. Das stößt bei den Arbeitgebern auf wenig Begeisterung, weil es ihnen schlicht zu teuer ist. Hartnäckig bleibt aber auch Verdi-Verhandlungsführer Kurt Martin bei der bisherigen Argumentationslinie der Dienstleistungsgewerkschaft:
"Das ist nicht vernünftig, weil gleichzeitig die Länder beabsichtigen, auch das Jahreseinkommen, sprich Jahressonderzuzahlungen wie Urlaubs- und Weihnachtsgeld auf Richtung Null zu senken."
Doch auch die Arbeitgeber haben sich längst auf eine Verschärfung des Konflikts eingestellt. Verdis strategischer Nachteil: Streiks auf Länderebene entfalten kaum Wirkung. Ob jetzt etwa die Angestellten der Statistischen Landesämter die Arbeit niedergelegt haben, dürfte den Bürgern ziemlich egal sein. Zudem steht die Dienstleistungsgewerkschaft auf Dauer unter einem enormen Rechtfertigungsdruck: 1,5 Stunden Mehrarbeit pro Woche dürften für viele Beschäftigte in der freien Wirtschaft eine akzeptable Zumutung sein – zumindest keine Rechtfertigung für einen flächendeckenden Stillstand des öffentlichen Lebens.
Dies weiß auch Verdi: Nicht umsonst hat die Gewerkschaft ihr schärfstes Instrument, den Streik, trotz der Ausweitung in dieser Woche, behutsam eingesetzt. Der öffentliche Nahverkehr etwa wurde bislang ausgespart. Mit ein Grund, dass sich auch die öffentlichen Arbeitgeber unnachgiebig zeigen und die Auseinandersetzung herunterspielen:
"Das muss man eben aushalten. Das haben wir vorher gewusst und man kann jetzt nicht in die Knie gehen, nur weil in einigen Bereichen gestreikt wird. Und ich bin auch der Meinung, dass die Bevölkerung das durchaus aushalten kann, wenn sie mal ein paar Tage nicht zu 100 Prozent verwaltet wird."
Erklärt der Verhandlungsführer der Länder, Hartmut Möllring selbstbewusst. Doch auch bei den Ländern dürften die jüngsten Bewegungen in den Bundesländern, in denen Landtagswahlen im März bevorstehen, genau beobachtet werden. Schließlich könnte aus einer Annäherung am Ende ein Abschluss mit Signalwirkung auch für die Arbeitgeber in den anderen Bundesländern werden.
Noch aber befindet sich die Tarifauseinandersetzung in der klassischen Drohphase. Für pragmatische Lösungen bleibt wenig Spielraum. Schon gar nicht vor dem geplanten Spitzentreffen zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaft am 20. Februar, befürchtet auch der Verhandlungsführer der kommunalen Arbeitgeber in Baden Württemberg, Gerhard Widder:
"Der Termin muss vorgezogen werden, er muss in dieser Woche stattfinden. Damit nicht die Inszenierung über die ganze Woche hin auf den 20. Februar zu einer wesentlichen Steigerung der Probleme in unseren Städten und Gemeinden führt."
Ob diese Forderung in Erfüllung gehen wird, bleibt abzuwarten. Selbst eine weitere Eskalation der Auseinandersetzung kann nicht ausgeschlossen werden. Und trotzdem: Verdi könnte schnell in die Defensive geraten. Angesichts der schwierigen Lage auf dem Arbeitsmarkt, dem Zangendruck durch Länder und Kommunen sowie den leeren öffentlichen Kassen wird es der Dienstleistungsgewerkschaft am Ende wohl kaum gelingen, längere Arbeitszeiten ohne Lohnausgleich im öffentlichen Dienst zu verhindern.