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Tonnenweise gehen Nahrungsmittel über Bord

Unter Beifang versteht der Fachmann Fische, die der Fischer eigentlich gar nicht im Netz haben will, die also nicht das ursprüngliche Fangziel sind. Nach EU-Recht muss dieser Beifang meist wieder ins Meer geworfen werden. Überwiegend sind die Fische bis dahin tot. Um diese weitgehend unsinnige Praxis zu beenden, wurde jetzt ein Pilotprojekt gestartet.

Von Jörn Pietschke |
    Kein Fischer wirft seinen Fang gerne wieder über Bord. Genau das aber verlangen die EU-Fischerei-Bestimmungen derzeit von Kapitänen, wie Manfred Raa:

    "Wenn ich die Bestände schone, meine Kollegen auch und 97 Prozent der EU macht das nicht, sondern fischt mit kleinen Maschen oder sonst etwas - das ist das Problem."
    Auf drei Kuttern der größten deutschen Kutterfischergenossenschaft Cuxhaven wird der sogenannte Beifang jetzt drei Jahre lang mit an Land gebracht. Fische, die eigentlich zu jung und damit zu klein sind, oder auch Fischarten, für die der Fischer keine Fangquote hat, sollen angelandet werden und in Zusammenarbeit mit dem größten deutschen Fischvermarkter, Deutsche See, ausnahmsweise auch verkauft werden dürfen. Das Pilotprojekt "Stopp Discard" soll Fakten schaffen, welche Fischarten und Jahrgänge den Fischern ins Netz gehen, wenn sie generell mit einer größeren Maschenweite fischen, durch die kleinere Fische hindurchschlüpfen können. Um die Beifangmengen bei den unterschiedlichen Netzweiten zu testen, nehmen sowohl ein Seelachskutter, als auch zwei Hochseekutter an dem Pilotprojekt teil, die mit engeren Maschenweiten Schollen, Kabeljau und Seelachs fangen. Dadurch lassen sich die Beifangmengen bei unterschiedlichen Netzten erstmals vergleichen. Die Cuxhavener Kutter wurden ausgewählt, weil sie auch schon bisher bestandsschonend auf Seelachsfang gegangen sind, erklärt Geschäftsführer Horst Huthsfeld:

    "Wir fischen mit 125 Millimeter, wie beim Norweger vorgeschrieben, auch innerhalb des EU-Meeres, obwohl wir da mit kleineren Maschen fischen dürften. "

    In Norwegen und Island gibt es anders als in den Gewässern der Europäischen Union bereits eine pragmatische Lösung: Dort wird der Beifang verwertet und dabei auf die Fangquote der eigentlich gejagten Fische angerechnet. Wenn also einem norwegischen Fischer beim Kabeljaufang ein Schwarm Seeteufel ins Netz geht, dann muss er diesen Beifang nicht wieder tot ins Meer kippen, sondern kann die hochwertigen Speisefische im Hafen verkaufen, auch wenn er eigentlich gar keine Fangquote für Seeteufel hat. Ebenso wird mit zu kleinen Kabeljau verfahren, die trotz der Maschenweite im Netz zappeln. Das ist allemal besser, argumentiert Peter Dill, der Vorsitzende des Bundesverbandes der Fischindustrie, als zigtausend Tonnen Beifang jedes Jahr in Europa einfach zu verschwenden. Eine Regelung wie in Norwegen soll in dem Modellversuch unter wissenschaftlicher Begleitung der deutschen Fischereiforscher jetzt auf den drei Kutter aus Cuxhaven erprobt werden:

    "Wir haben ja auch, sag ich mal, 30 Prozent unserer Reisen, die wir im Jahr machen, die Fischereiforschung an Bord. "

    Huthsfeld kann sich darüber ärgern, dass derzeit in der Europäischen Union, Fischer, die ihre Netze mit größeren Maschen auswerfen, auch noch bestraft werden und weniger Tage auf See bleiben dürfen. Ein Schollenfischer etwa, der Plattfisch mit 90 Millimeter Maschenweite fängt, darf mehr als doppelt so viele Tage zum Fang herausfahren, wie ein reiner Seelachskutter, der mit 120 Millimeter Maschen arbeitet. Dies zu ändern, ist das wichtigste Anliegen der Kutterfischer aus Cuxhaven, die bei einem Erfolg des Pilotprojektes auf einen Abbau von EU-Fischereivorschriften hoffen, die derzeit Kapitänen wie Manfred Raa das Leben schwer machen, ohne den Beständen zu nutzen:

    "Ich glaube, ich habe mich an 2000 Vorschriften zu halten - an die 2000 Vorschriften. Wir fischen in mehren Gebieten und in jedem Gebiet muss ich irgendwie mein Netz ändern . Das ist überhaupt nicht einheitlich und das ist das Problem. Wir müssten eigentlich eine Sekretärin mithaben vielleicht sogar einen Anwalt , um all die Vorschriften einzuhalten. Das ist totaler Schwachsinn."